155Kündigungsgrund der mangelnden gesundheitlichen Eignung nach VBO – Arbeitgeber trägt Risiko einer unrichtigen Zukunftsprognose
Kündigungsgrund der mangelnden gesundheitlichen Eignung nach VBO – Arbeitgeber trägt Risiko einer unrichtigen Zukunftsprognose
Beim Kl traten in den Jahren 2012 und 2013 sieben Wochen übersteigende Krankenstände auf, ab 2014 bis zur Kündigungserklärung am 16.8.2017 lagen keine überhöhten Krankenstände mehr vor, weil sämtliche infolge von Unfällen aufgetretenen Krankenstände außer Betracht zu bleiben haben. (Siehe folgenden Absatz: Eine andere Beurteilung hätte sich eventuell ergeben, wenn weitere unfallbedingte Krankenstände zu erwarten gewesen wären [Anmerkung des Bearbeiters]). Der Kl wurde wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung gekündigt.
Der Kl klagte daraufhin auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses. Die Vorinstanzen gaben dem Kl Recht, der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl zurück. Da mit dem Eintritt weiterer unfallbedingter Krankenstände wahrscheinlich nicht zu rechnen sei und auch kein Grundleiden beim Kl bestehe, das diese erwarten ließe, sei das Berufungsgericht vertretbar zu der Auffassung gelangt, dass eine ungünstige Zukunftsprognose nicht anzunehmen sei.
Der OGH führte aus: Der Kündigungsgrund der für die Erfüllung der Dienstpflichten mangelnden gesundheitlichen Eignung gem § 42 Abs 2 Z 2 VBO 1995 ist dann verwirklicht, wenn Krankenstände auftreten, die den Bediensteten laufend in einem weit über dem Durchschnitt liegenden Maß an der Dienstleistung hindern. Eine starre Grenze für überhöhte Krankenstände in Bezug auf deren Häufigkeit und Dauer besteht nicht. Bei der Annahme überdurchschnittlicher Krankenstände orientiert sich die Rsp an Krankenständen, die jährlich sieben Wochen und darüber ausmachen. Beim Erfordernis des „längeren Zeitraums“ wird darauf abgestellt, dass sich die über dem Durchschnitt liegenden Krankenstände über mehrere Jahre erstreckten.
Kommen solcherart überhöhte Krankenstände als Kündigungsrechtfertigungsgrund in Betracht, so muss der AG eine objektive Zukunftsprognose über die weitere Dienstfähigkeit des betroffenen AN anstellen, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kündigungszeitpunkt zu erstellen ist.
Die Bekl wendete ein, bei Ausspruch der Kündigung seien ihr die Ursachen der Krankenstände und die Zukunftsprognose aufgrund des späteren medizinischen Sachverständigengutachtens weder bekannt gewesen noch hätten sie ihr bekannt sein müssen. Dem wurde seitens des OGH entgegengehalten, dass der in Ansehung des Rechtfertigungsgrundes beweispflichtige AG, der sich – etwa indem er gar keine Nachforschungen anstellt – mit der Art der Erkrankung samt deren Ursachen und der zumutbaren Krankenbehandlung gar nicht auseinandersetzt, das Risiko trägt, dass sich seine Prognose bei Anlegung eines objektiven Maßstabs als unrichtig erweist.
Wenn die Bekl meint, dass sie aus diversen grund- und datenschutzrechtlichen Erwägungen keinen Anspruch darauf gehabt hätte zu erfahren, woran der Kl erkrankt gewesen sei bzw aus welchen Gründen er dienstunfähig gewesen sei, zeigt sie schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil sie nie behauptet hat, vor der Kündigungserklärung auch nur versucht zu haben, an die relevanten Informationen für eine die Kriterien der Rsp berücksichtigende Zukunftsprognose (etwa durch Befragung des Kl) zu gelangen. Im Übrigen hat der OGH zu den personenbedingten Kündigungsgründen nach § 105 Abs 3 ArbVG bereits klargestellt, dass den Bemühungen des AG um Aufklärung der Krankenstandsursachen und der Mitwirkung des AN daran Bedeutung zukommen kann.277