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Versetzung an anderen Dienstort in Niederösterreich mit neuer Tätigkeit von vertraglicher Versetzungsklausel gedeckt

MARTINACHLESTIL

Die bekl AG hat sich im Dienstvertrag mit dem kl AN vorbehalten, den kl AN jederzeit zur Erfüllung anderer Aufgaben, die seiner Ausbildung entsprechen, in eine ihrer anderen Dienststellen zu versetzen. Der kl AN verpflichtete sich im Dienstvertrag, nach Weisung der bekl AG an sämtlichen zur Dienstleistung zugewiesenen Dienstorten in Niederösterreich Dienst zu leisten.

Mit November 2016 wurde dem kl AN ein neues Aufgabengebiet an einem neuen Dienstort (Amstetten anstelle bisher St. Pölten) zugeteilt. Er benötigt in seinem neuen Aufgabengebiet jene Kenntnisse253und Fähigkeiten, die auch in der vor seiner Versetzung ausgeübten Tätigkeit verlangt waren. Die neue Leitungstätigkeit erfordert ebenso juristische, organisatorische und wirtschaftliche Kenntnisse, die sich der kl AN nicht nur durch seine Ausbildung als Jurist, sondern auch durch seine langjährige Tätigkeit bei der bekl AG angeeignet hat. Der kl AN begehrt mit seiner Klage die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, der Versetzung Folge zu leisten.

Zur Frage, ob eine Versetzung des AN iS einer Änderung des Tätigkeitsbereichs und/oder des Dienstorts zulässig ist, ist zwischen der dienstvertraglichen und der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 101 ArbVG zu unterscheiden.

Für die dienstvertragliche Beurteilung der Versetzung ist nur entscheidend, ob sich die Anordnung des AG (Weisung) über einen Wechsel des Tätigkeitsbereichs oder des Tätigkeitsorts des AN im Rahmen der Weisungsbefugnis bewegt, die sich aus dem Dienstvertrag oder aus vereinbarten Gestaltungsvorbehalten ergibt. Eine Versetzung ist nur innerhalb der durch den Dienstvertrag gegebenen Grenzen zulässig. Der Dienstvertrag umschreibt die Gattung der Arbeit allgemein und steckt damit einen weiteren oder engeren Rahmen der vom AN nach Bedarf auszuführenden Tätigkeit ab. Andere als die so vereinbarten Dienste braucht der AN regelmäßig nicht zu leisten.

Ob die Änderung des Tätigkeitsbereichs durch den Dienstvertrag gedeckt ist, ist im Wege der Vertragsauslegung zu beurteilen. Da es dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, begründet die Auslegung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Nach dem OGH bewegen sich die übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen, mit denen die Versetzung des kl AN als vom Dienstvertrag gedeckt bejaht wurde, im Rahmen der Grundsätze der Rsp zur Vertragsauslegung.

Die im Zuge einer früheren Übersiedlung der bekl AG von Wien nach St. Pölten im Jahr 2006 eingeholte Zustimmung des kl AN zum Dienstortwechsel anstelle einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses in Anwendung eines dafür abgeschlossenen Sozialplans bewirkte entgegen der Ansicht des kl AN nicht, dass der Dienstort St. Pölten zum neuen Inhalt des Dienstvertrages geworden ist. Seine Zustimmung war für diese Versetzung aufgrund der im Dienstvertrag vereinbarten Versetzungsmöglichkeit (Niederösterreich) auch nicht erforderlich.

Die vom kl AN behauptete wirtschaftliche Schlechterstellung durch die Versetzung infolge höherer Fahrtkosten vom Wohnort Wien zum neuen Dienstort Amstetten (anstelle bisher St. Pölten) hat jedenfalls unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Falls nicht zur Folge, dass die Versetzung durch die bekl AG unsachlich oder wider Treu und Glauben erfolgt wäre.

Der BR der bekl AG hat der – unstrittig verschlechternden – Versetzung des kl AN gem § 101 ArbVG ausdrücklich zugestimmt. Nach Lehre und Rsp muss die Zustimmung des BR ausdrücklich und konkret auf ein Dienstverhältnis hin formuliert werden. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Betriebsratsmitglieder hätten für ihre Entscheidung ausreichende Kenntnisse über die künftige Tätigkeit des kl AN und Organisation der neuen Dienststelle gehabt, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls vertretbar. Eine im Voraus erteilte unzulässige generelle Zustimmung („Vorratszustimmung“) des BR liegt nicht vor.

Die außerordentliche Revision des kl AN war mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.