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Erschwerniszuschlag zum Pflegegeld: Konkrete Feststellungen zur Auswirkung der Defizite auf die Pflege erforderlich

PIAZHANG

Die 1983 geborene Kl leidet seit der Pubertät an einer paranoiden Schizophrenie. Sie zieht sich völlig zurück, zeigt keinerlei Interessen und hat keinen Antrieb. Die Konzentrations- und Auffassungsfähigkeit sind eingeschränkt und das gesamte Denken verlangsamt.

Mit Bescheid vom 29.5.2018 wurde das Pflegegeld der Stufe 1 – unter Anrechnung von € 60,- des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe – von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) befristet zuerkannt.

Das Erstgericht sprach das Pflegegeld der Stufe 2 unbefristet zu. Die Störung des Antriebs, des Denkens und der sozialen Funktion hätten insgesamt eine schwere Verhaltensstörung zur Folge, weshalb auch der Erschwerniszuschlag im Ausmaß von 25 Stunden zum Pflegebedarf von 77 Stunden hinzuzurechnen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der PVA teilweise Folge und änderte das Urteil dahingehend ab, dass das Pflegegeld der Stufe 2 zu gewähren ist – jedoch unter Anrechnung eines Teils des Erhöhungsbetrages für erheblich behinderte Kinder von € 60,- monatlich. Den Erschwerniszuschlag begründete das Berufungsgericht damit, dass sich aus der Antriebslosigkeit, dem massiven sozialen Rückzug, aus der Einschränkung der Konzentrations- und Auffassungsfähigkeit, der Verlangsamung des gesamten Denkens sowie aus der Unmöglichkeit des Treffens verlässlicher Vereinbarungen eine massive Belastung des sozialen Gefüges und eine Erschwerung der Pflege ergebe.

Der OGH gab der Revision wegen des Vorliegens rechtlicher Feststellungsmängel statt und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Er hielt fest, dass es beim Erschwerniszuschlag nicht um eine Graduierung der Schwere der Behinderung geht, sondern um die Berücksichtigung des Mehraufwands der aus dieser Behinderung resultierenden pflegeerschwerenden Faktoren, die in § 4 Abs 6 BPGG präzisiert sind. Wesentlich287für die Berücksichtigung des Erschwernisfaktors sind die Auswirkungen der pflegeerschwerenden Faktoren in der Pflege.

Die den Erschwerniszuschlag rechtfertigende Erschwernis der Pflege liegt dabei darin, dass die Gesamtsituation generell ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit, Geduld und Einfühlungsvermögen erfordert. Ob im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für den Erschwerniszuschlag gegeben sind, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen jedoch noch nicht endgültig beurteilt werden. Es fehlen Feststellungen dazu, welche konkreten tatsächlichen Auswirkungen, Verhaltensauffälligkeiten, Belastungen etc sich aus den bei der Kl gegebenen Defiziten im gesamten Pflegealltag ergeben bzw wie sich diese Defizite auf die Pflege konkret auswirken. Erst wenn dazu (positive oder negative) Feststellungen vorhanden sein werden, ist beurteilbar, ob das Maß an Geduld und Einfühlungsvermögen, das im Zuge der Betreuung erforderlich ist, den strengen Zugangskriterien nach § 4 Abs 5 iVm Abs 6 BPGG entspricht.