166Anspruch auf Familienzeitbonus: Rechtzeitige Hauptwohnsitzmeldung – Berechnung der Toleranzfrist
Anspruch auf Familienzeitbonus: Rechtzeitige Hauptwohnsitzmeldung – Berechnung der Toleranzfrist
Den Eltern steht ab dem der Unterkunftnahme folgenden Tag insgesamt eine Frist von 13 Tagen für die noch ausständige Anmeldung des Kindes am gemeinsamen Hauptwohnsitz zur Verfügung.
Der am 31.3.2018 geborene Sohn des Kl wurde am 3.4.2018 aus dem Krankenhaus entlassen. Der Kl meldete das Kind am 6.4.2018 beim Krankenhaus an, das als Serviceleistung die Wohnsitzmeldung durchführt. Die hauptwohnsitzliche Meldung des Sohnes an der gemeinsamen Wohnadresse der Eltern erfolgte am 16.4.2018.
Am 25.4.2018 beantragte der Kl bei der bekl Partei (SGKK) die Zuerkennung des Familienzeitbonus iHv € 22,60 täglich ab 3.4.2018 in der Dauer von 28 Tagen.
Die Bekl lehnte mit Bescheid den Antrag des Kl auf Familienzeitbonus mit der Begründung ab, dass der Sohn erst nach mehr als 13 Tagen nach der Geburt am gemeinsamen Hauptwohnsitz gemeldet worden sei, somit die Voraussetzung des gemeinsamen Haushalts gem § 2 Abs 1 Z 4 Fam- ZeitbG nicht erfüllt sei.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrte der Kl den Zuspruch eines Familienzeitbonus und brachte vor, dass die zehntägige Toleranzfrist für eine nachträgliche Anmeldung iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG an den Ablauf der dreitägigen Meldefrist nach § 3 Abs 1 MeldeG, die sich nach dem Verlassen des Krankenhauses berechne, anschließe.
Die Bekl lehnte eine Kumulation der Fristen nach dem FamZeitbG und dem MeldeG ab. Sie berechnete die 13-tägige Frist für die Meldung ab der Geburt oder die 10-tägige Frist ab der tatsächlichen Unterkunftnahme, somit ende die Frist für die Meldung am gemeinsamen Hauptwohnsitz in jedem Fall am 13.4.2018.
Erstgericht und Berufungsgericht folgten diesem Standpunkt und wiesen das Klagebegehren ab. Der OGH gab der außerordentlichen Revision Folge und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
„[…] 2.1 Der Anspruch des Kl setzt voraus, dass die am 16.4.2018 erfolgte Anmeldung seines Sohnes nicht ‚verspätet‘ im Sinn des § 2 Abs 3 Satz 2 Fam-ZeitbG erfolgte. Um dies beurteilen zu können, bedarf es zunächst der Klärung der Frage, wann die Anmeldung des Kindes zu erfolgen hat. […]
2.2 Das mit BGBl 2016/53BGBl 2016/53 geschaffene Familienzeitbonusgesetz enthält keine Regelung, aus der hervorginge, zu welchem Zeitpunkt ein Kind an der gemeinsamen Wohnadresse ‚hauptwohnsitzlich‘ zu melden ist (§ 2 Abs 3 Satz 1 FamZeitbG). § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG regelt lediglich, dass eine höchstens bis zu 10 Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der Wohnadresse des gemeinsamen Wohnsitzes nicht schadet. […]
2.4 Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dem BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 eine wortidente Bestimmung zu § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG auch in § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG geschaffen worden ist. Die Gesetzesmaterialien führen zu dieser Bestimmung aus (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 4): ‚Es wird eine großzügige Nachsichtsfrist bei der verspäteten Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der Wohnadresse geschaffen.
‘
2.5 Es entspricht Rechtsprechung und Schrifttum, dass das Kinderbetreuungsgeldgesetz auf den melderechtlichen Hauptwohnsitzbegriff abstellt und nicht auf jenen des Art 6 Abs 3 B-VG (10 ObS 69/14s […]).
2.6 Unter Berücksichtigung des vergleichbaren Regelungszwecks von § 2 Abs 6 KBGG und § 2 Abs 3 FamZeitbG288ist auch im Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 FamZeitbG davon auszugehen, dass diese Bestimmung auf den Hauptwohnsitzbegriff des § 1 Abs 7 Melde G 1991 BGBl 1992/9 (in der Folge: MeldeG) abstellt.
3.1 Das Meldegesetz verknüpft das Entstehen der Meldepflicht mit der Tatsache der Aufnahme oder Aufgabe einer Unterkunft (§ 2 Abs 1 MeldeG, Grosinger/Szirba, Melderecht6 79). […]
3.2 Wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, ist innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden (§ 3 Abs 1 MeldeG). Die Frist endet mit Ablauf des dritten Tages nach jenem Tag, an dem die Unterkunftnahme erfolgte (Gartner/Keplinger, MeldeG7 § 3 Anm 2). […]
3.3 Weder das Familienzeitbonusgesetz noch das Meldegesetz bietet daher für die von der Beklagten und dem Erstgericht vertretenen Ansicht, die Geburt eines Kindes löse die Meldepflicht aus, eine Grundlage. Dies gilt allerdings auch für den vom Berufungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkt, die Meldepflicht entstehe mit dem Beginn des Bezugszeitraums des Familienzeitbonus. Vielmehr knüpft auch für das neugeborene Kind die Meldepflicht an die in § 3 Abs 1 MeldeG normierten Tatbestände an, in aller Regel daher an die Unterkunftnahme im Sinn des § 3 Abs 1 MeldeG.
4.1. Gemäß § 12 Satz 1 Personenstandsgesetz 2013, BGBl I 2013/16BGBl I 2013/16 (PStG), kann anstelle einer Anmeldung gemäß § 3 Abs 1 MeldeG anlässlich der Eintragung einer Geburt (§ 10 PStG) […] das Kind im Weg der Personenstandsbehörde bereits vor Unterkunftnahme angemeldet werden. […
4.2 Dies dient nach den Gesetzesmaterialien der Verwaltungsvereinfachung […]. § 12 PStG erleichtert die Anmeldung des Kindes. Sie ist nach dieser Bestimmung schon mit der Anzeige der Geburt […] möglich. […]
4.3 § 12 PStG ermöglicht den Eltern somit eine Anmeldung des Kindes über die Personenstandsbehörde, welche die nach § 3 Abs 1 MeldeG vorzunehmende Anmeldung unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt. Im Gegensatz zu § 3 Abs 1 MeldeG wird keine Pflicht zur Meldung innerhalb einer bestimmten Frist begründet. Für die hier zu beurteilende Auslegung des Begriffs ‚verspätet‘ erfolgte Hauptwohnsitzmeldung in § 2 Abs 3 FamilienzeitbonusG ist somit nur § 3 Abs 1 MeldeG maßgeblich. […]“
Der Anspruch auf Familienzeitbonus setzt ua voraus, dass der Vater, das Kind und die Mutter im gemeinsamen Haushalt leben, dh in einer dauernden Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse und alle drei an dieser Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet sind (§ 2 Abs 3 FamZeitbG).
Der Begriff der „Hauptwohnsitzmeldung“ in § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG stellt auf den Hauptwohnsitzbegriff des § 1 Abs 7 MeldeG ab. Die Verpflichtung, ein Kind nach der Geburt anzumelden, richtet sich nach § 3 Abs 1 MeldeG und stellt auf die tatsächliche Unterkunftnahme des Kindes an derselben Wohnadresse ab, an der der Vater und der andere Elternteil mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG). Gem § 3 Abs 1 MeldeG ist die Anmeldung innerhalb von drei Tagen nach Unterkunftnahme des Kindes in der Wohnung an der gemeinsamen Wohnadresse vorzunehmen.
Eine nach Ablauf der dreitägigen Frist des § 3 Abs 1 MeldeG und höchstens bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der gemeinsamen Wohnadresse schadet gem § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG nicht. Den Eltern steht daher ab dem der Unterkunftnahme folgenden Tag insgesamt eine Frist von 13 Tagen für die noch ausständige Anmeldung des Kindes am gemeinsamen Hauptwohnsitz zur Verfügung. Diese Frist wurde hier eingehalten. Das Kind wurde am 3.4.2018 aus dem Spital entlassen und am 16.4.2018, dem 13. Tag der Frist, am gemeinsamen Hauptwohnsitz gemeldet.
Die Sozialrechtssache war dennoch nicht entscheidungsreif, da weitere Vorbringen und Feststellungen zur Frage, ob die zusätzlichen in § 2 (insb Abs 1 Z 3 bis 5 und Abs 4) FamZeitbG geregelten Voraussetzungen verwirklicht sind, fehlten. Daher wurde die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.