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Überschreiten der Zuverdienstgrenze für Kinderbetreuungsgeld bei selbständiger Erwerbstätigkeit: Nur Einkünfte im Bezugszeitraum ohne Hinzurechnung der Sozialversicherungsbeiträge für das ganze Kalenderjahr maßgeblich

MURATIZGI

Der Kl beantragte für seinen am 23.11.2010 geborenen Sohn einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Für den Zeitraum vom 23.11. bis 31.12.2011 wurde Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von € 2.574,- (€ 66,- täglich) gewährt. Anhand des rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheids für 2011 ergab sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte des Kl aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 0,- für den Anspruchszeitraum 1.12. bis 31.12.2011. Die bekl Sozialversicherungsanstalt der289gewerblichen Wirtschaft schrieb dem Kl im Jahr 2011 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von € 15.358,44 vor.

Die Bekl forderte mit Bescheid vom 22.11.2017 das für den Zeitraum vom 23.11. bis 31.12.2011 bezogene Kinderbetreuungsgeld zurück. Der Kl wendete in seiner Klage auf Feststellung, dass er nicht zur Rückzahlung verpflichtet sei, ein, dass er im Dezember 2011 weder Erwerbseinkünfte aus selbständiger Arbeit bezogen noch Sozialversicherungsbeiträge bezahlt habe.

Die Bekl vertrat hingegen Ansicht, dass die Einkünfte von € 0,- um die insgesamt im Jahr 2011 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge zu erhöhen seien. Damit überschreite der Kl die für das Jahr 2011 bestehende Zuverdienstgrenze von € 5.800,- um insgesamt € 9.558,44.

Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Bekl und wies das Klagebegehren ab und verpflichtete den Kl zur Rückzahlung. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und lehnte die Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes ab.

Die Revision der Bekl erachtet der OGH für zulässig, jedoch nicht für berechtigt.

Der OGH geht in seiner Begründung zunächst auf die unterschiedliche Begrifflichkeit des KBGG in Bezug auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ein. Demzufolge stelle § 24 Abs 1 Z 3 KBGG nach seinem klaren Wortlaut für die Überschreitung der Zuverdienstgrenze nicht auf ein Jahreseinkommen (anders hingegen § 2 Abs 3 KBGG für das pauschale Kinderbetreuungsgeld), sondern auf die während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes (Bezugszeitraum) erzielten Einkünfte ab (OGH 23.5.2018, 10 ObS 146/17v). Hingegen zeigt § 8 KBGG auf, welche Einkünfte als maßgebliche Einkünfte für die Berechnung der zulässigen Zuverdienstgrenze gelten und wie diese zu ermitteln sind. Dementsprechend ist nach dem Wortlaut des § 8 (Abs 1 erster Satz) KBGG für die Ermittlung der Zuverdienstgrenze der Anspruchszeitraum, sozusagen die Kalendermonate mit Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes, maßgeblich. Dasselbe gelte gem § 8 Abs 1 Z 1 vierter Satz iVm § 8 Abs 1 Z 2 letzter Satz KBGG auch für die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Nach dem Wortlaut des § 8 Abs 1 Z 1 und 2 KBGG bleiben somit innerhalb des Bezugszeitraums liegende „Rumpfmonate“ unberücksichtigt.

Aus dem Verweis von § 24 Abs 1 Z 3 KBGG auf § 8 Abs 1 (einschließlich Z 2 zweiter Satz) KBGG leitet der OGH ab, dass wenn der selbständig erwerbstätige Elternteil im (nicht ganzjährigen) Anspruchszeitraum Einkünfte (ohne Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) erzielt, die umgerechnet auf das Kalenderjahr die Geringfügigkeitsgrenze übersteigen, die im betreffenden Kalenderjahr insgesamt vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen SV hinzuzurechnen sind.

Die Bekl rechtfertigte die Rückforderung ausschließlich mit der Berücksichtigung der im Jahr 2011 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge. Die Hinzurechnung der gesamten im Jahr 2011 vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge führt, wie der OGH nachvollziehbar aufzeigt, dazu, dass die Zuverdienstgrenze überschritten wird. Die Anwendung dieser Berechnungsformel hätte somit zur Folge, dass selbständig Erwerbstätige trotz Einstellung bzw Einschränkung ihrer Tätigkeit und Reduktion der Einkünfte auf (im Extremfall) 0 während der Betreuung des Kindes im Bezugszeitraum das bezogene Kinderbetreuungsgeld immer zurückzahlen müssten, wenn ihnen Sozialversicherungsbeiträge vorgeschrieben werden.

Dieses Resultat widerspricht nach Ansicht des OGH eindeutig der vom Gesetzgeber beabsichtigten Funktion des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes als (zumindest teilweisen) Einkommensersatz. Der Gesetzgeber wollte die BezieherInnen von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld, unabhängig davon, ob diese selbständig oder unselbständig erwerbstätig waren, nicht zur gänzlichen Aufgabe ihrer Tätigkeit im Bezugszeitraum zwingen, sondern sicherstellen, dass sich die BezieherInnen ausreichend der Betreuung des Kindes widmen können.

Der Anspruch der Bekl auf Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes besteht daher nicht zu Recht.