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Unterbrechung der Verfallsfrist durch Antrag auf Insolvenz-Entgelt nur bei fristgerechter Antragstellung

MARGITMADER

.Die fristgerechte Antragstellung nach § 6 IESG unterbricht gem § 7 Abs 1 IESG Verjährungsfristen und Präklusivfristen. Der Unterbrechungsgrund ist nicht nur auf das Verhältnis eines DN zur IEF-Service GmbH (Insolvenzausfallgeld), sondern auch auf den gegen den Masseverwalter gerichteten Feststellungsanspruch im Prüfungsprozess zu beziehen, weil der Gesetzgeber durch die Schaffung des Unterbrechungsgrundes klarstellen wollte, dass es einer zusätzlichen Klage des AN zur Wahrung der Verjährungsfrist nicht bedarf. Die Unterbrechungswirkung des § 7 Abs 1 letzter Satz IESG kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn die Forderung zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der IEF-Service GmbH noch nicht verjährt oder präkludiert war.

SACHVERHALT

Der Kl war Angestellter und Geschäftsführer der H* GmbH. Am 21.9.2016 trat der Kl aus dem Arbeitsverhältnis aus. Mit Beschluss vom 25.11.2016 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 14.12.2016 meldete der Kl seine Insolvenzforderungen – darunter auch die Kündigungsentschädigung aus vorzeitigem Austritt iHv € 18.690,33 brutto – im Insolvenzverfahren an. Am 27.1.2017 wurde die Forderung in der Prüfungstagsatzung bestritten und die Frist zur Einbringung einer Feststellungsklage (§ 110 Abs 4 IO) mit drei Monaten festgesetzt. Am 19.5.2017 stellte der Kl bei der IEF-Service GmbH einen Antrag auf Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt. Am 30.1.2018 brachte er die vorliegende Klage auf Feststellung einer Insolvenzforderung iHv € 18.690,33 brutto (Kündigungsentschädigung aus vorzeitigem Austritt) gegen den Insolvenzverwalter ein.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Zwar habe die am 14.12.2016 erfolgte Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren und deren Bestreitung in der Prüfungstagsatzung vom 27.1.2017 unter gleichzeitiger Festlegung einer dreimonatigen Frist zur Einbringung der Prüfungsklage zur Hemmung des Ablaufs der Klagsfrist nach § 34 Abs 1 AngG bis 27.4.2017 geführt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der IEF-Service GmbH sei diese Frist bereits abgelaufen gewesen. Sie habe daher nicht mehr unterbrochen werden können. Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl zurück.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1. § 34 Abs 1 AngG verkürzt die Frist für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen vorzeitigen Austritts oder vorzeitiger Entlassung auf sechs257Monate. Dabei handelt es sich um eine Verfalls-( Ausschluss-)Frist, die auch für die Kündigungsentschädigung gilt […].

Nach § 34 Abs 2 AngG beginnt diese Sechsmonatsfrist bei Ansprüchen wegen vorzeitiger Auflösung oder vorzeitiger Entlassung mit dem Ablauf des Tages, an dem der Austritt oder die Entlassung stattfand […]. Dass die Verfallsfrist hier mit 22.9.2016 zu laufen begann, ist nicht weiter strittig.

[…] 3. Nach § 9 Abs 1 IO wird durch die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Wird eine Forderung bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt nach Abs 2 leg cit die Verjährung vom Tage der Forderungsanmeldung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruchs bestimmten Frist (vgl § 110 Abs 4 IO) als gehemmt. Bei dieser Hemmung handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine Ablaufshemmung, die auf Präklusivfristen analoge Anwendung findet […]. Dies soll sicherstellen, dass der Anspruch vor Ablauf der Klagefrist nach § 110 Abs 4 IO nicht verjährt […].

4. Im vorliegenden Fall war daher die sechsmonatige Fallfrist des § 34 AngG infolge der Bestreitung der gegenständlichen Ansprüche durch die gerichtlich gesetzte – hier dreimonatige – Klagefrist des § 110 Abs 4 IO gemäß § 9 Abs 2 IO bis zum Ablauf dieser Frist, somit bis zum 27.4.2017 in ihrem Ablauf gehemmt. Mit Ablauf der (ungenützten) Klagefrist fiel die Hemmungswirkung weg. Auf eine Unterbrechung der Frist iSd § 9 Abs 1 IO beruft sich der Kläger aufgrund der hier maßgeblichen Anwendbarkeit des Abs 2 leg cit zu Recht nicht. Die Präklusivfrist war danach zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Insolvenz-Entgelt abgelaufen.

5. Der Kläger hält dem entgegen, die Beurteilung des Berufungsgerichts stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung (RS0116254; insb 8 ObA 149/01x) und verweist auf die Bestimmungen des § 6 Abs 1 S 1, § 7 Abs 1 letzter Satz IESG.

5.1. Nach § 6 Abs 1 S 1 IESG ist der Antrag auf Insolvenz-Entgelt bei sonstigem Ausschluss jeweils binnen sechs Monaten ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (oder gleichgestellter Tatbestände) zu stellen. Bei der Frist des § 6 Abs 1 leg cit handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Zur Fristwahrung muss der Antrag daher am letzten Tag der Frist bei der Geschäftsstelle der IEF-Service-GmbH einlangen (s Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3, § 6 IESG Rz 1 mwN). Nach § 7 Abs 1 letzter Satz IESG werden durch den fristgerechten Antrag (§ 6 Abs 1 Satz 1 IESG) Verjährungs- und Verfallfristen unterbrochen. Die fristgerechte Antragstellung nach § 6 IESG unterbricht daher gemäß § 7 Abs 1 IESG Verjährungsfristen und Präklusivfristen (RS0116254).

5.2. Nach der Rechtsprechung ist der Unterbrechungsgrund nicht nur auf das Verhältnis eines Dienstnehmers zur IEF-Service-GmbH (Insolvenzausfallgeld), sondern auch auf den gegen den Masseverwalter gerichteten Feststellungsanspruch im Prüfungsprozess zu beziehen, weil der Gesetzgeber durch die Schaffung des Unterbrechungsgrundes klarstellen wollte, dass es einer zusätzlichen Klage des Arbeitnehmers zur Wahrung der Verjährungsfrist nicht bedarf (; ; 9 ObA 53/02p; ; RV 738 BlgNR 18. GP, 6; s auch Liebeg, IESG3 [2007] § 7 Rz 21 f, unter Hinweis darauf, dass bei Zahlung des zuerkannten Insolvenz- Ausfallgeldes sonst der Rückgriff gegen den Arbeitgeber [Insolvenzmasse] wegen Verjährung oder Präklusion ins Leere ginge). Der Arbeitnehmer soll danach nicht gezwungen sein, im Falle einer Bestreitung seiner Forderung innerhalb der vom Gericht festgesetzten Frist eine Prüfungsklage gegen den Insolvenzverwalter einzubringen, es genügt vielmehr, wenn er das Verfahren vor der IEF-Service-GmbH im Rahmen der Antragstellung auf Insolvenz-Entgelt betreibt. Richtig ist daher, dass der Kläger auch im Prüfungsprozess grundsätzlich die Unterbrechungswirkung des § 7 Abs 1 letzter Satz IESG für sich beanspruchen kann.

5.3. Bereits das Berufungsgericht hat aber darauf hingewiesen, dass die Unterbrechungswirkung des § 7 Abs 1 letzter Satz IESG nur dann zum Tragen kommen kann, wenn die Forderung zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der IEF-Service-GmbH noch nicht verjährt oder präkludiert war. Dass sich der Kläger auf keinen Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestand nach der IO berufen kann (s oben Pkt 3. und 4.), bezweifelt er nicht. Entgegen seiner Ansicht schafft aber auch § 7 Abs 1 letzter Satz IESG keinen ihm günstigen Unterbrechungsgrund. Das Verständnis des Klägers läuft darauf hinaus, dass eine Verjährungs-/Präklusivfrist, die vom Geschehen im Insolvenzverfahren nicht mehr berührt wird und abläuft, rückwirkend durch eine nach Fristablauf liegende Antragstellung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 6 Abs 1 IESG unterbrochen werden könnte. Dass dies nicht der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, geht auch klar aus den ErlRV (738 BlgNR 18. GP, 6) hervor, nach denen durch die Ergänzung des § 7 Abs 1 IESG klargestellt wird, ‚dass durch den fristgerechten Antrag auf IAG zu diesem Zeitpunkt noch offene Verjährungs- und Verfallsfristen unterbrochen werden‘. Nur so wird auch vermieden, dass es rückwirkend durch die maßgebliche Betreibungshandlung (Antragstellung) im Ergebnis zur Verlängerung einer Verjährungs- oder Verfallsfrist im Sechsmonatszeitraum käme, wofür kein Grund ersichtlich ist.

5.4. Der Kläger kann sich auch nicht auf die Entscheidung 8 ObA 149/01x berufen. Ihr lag eine Konstellation zugrunde, in der die Forderung zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der IEF-Service-GmbH noch nicht verjährt war. In der Entscheidung 9 ObA 63/05p wurde dagegen ein der dreimonatigen Verfallsfrist unterliegender Anspruch (Differenzbetrag von 616,32 €) angesichts der Eröffnung jenes Insolvenzverfahrens am 6.3.2000 und einer Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren und gleichzeitiger Beantragung258 der Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld am 4.9.2000 als potenziell verjährt erachtet. Auch dort führte die Antragstellung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 6 Abs 1 IESG sohin nicht rückwirkend zur Unterbrechung eines bereits verfristeten Anspruchs.

5.5. Das Ergebnis zwingt auch nicht zur Einbringung einer Prüfungsklage, weil schon die Antragstellung bei der IEF-Service-GmbH innerhalb der Präklusivfrist des § 34 AngG – hier unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung – zur Unterbrechung geführt hätte. Ebenso wenig kommt es dadurch zu einer Umgehung der gesetzlichen Antragsfrist des § 6 Abs 1 IESG durch die im richterlichen Ermessen liegende Länge der verfahrensrechtlichen Frist des § 110 Abs 4 IO, weil nicht diese Frist, sondern die Fallfrist des § 34 AngG zur Präklusion der Ansprüche führt.

6. Das Berufungsgericht ist damit zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung nach IESG kein nach diesem Gesetz zu sichernder Anspruch mehr vorlag, sodass die Antragstellung keine Auswirkung mehr auf die bereits abgelaufene Fallfrist haben konnte.“

ERLÄUTERUNG

Gem § 34 AngG sind Ersatzansprüche wegen vorzeitigen Austritts oder vorzeitiger Entlassung iSd §§ 28 und 29 AngG bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten gerichtlich geltend zu machen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem der Austritt oder die Entlassung stattfand. Im Anlassfall hat die Verfallsfrist daher mit 22.9.2016 zu laufen begonnen.

Bei dieser Frist handelt es sich um eine Präklusivfrist, die von der Verjährung des Anspruchs zu unterscheiden ist. Der wesentlichste Unterschied liegt darin, dass mit Ablauf der Verjährungsfrist lediglich das Klagsrecht erlischt, der Anspruch als solcher jedoch in Form einer Naturalobligation erhalten bleibt, während mit Ablauf der Verfallsfrist (auch Ausschluss-, Fall- oder Präklusivfrist genannt) das Recht als solches untergeht.

Nach der stRsp sind die Regeln des § 1497 ABGB zur Unterbrechung der Verjährung auf die Ausschlussfristen des Arbeitsrechts analog anzuwenden. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn derjenige, der sich darauf beruft, vor Ablauf der Verjährungsfrist entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des anderen anerkennt oder der Berechtigte Klage einbringt.

Nach § 9 Abs 1 IO wird durch die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Wird eine Forderung bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt nach Abs 2 leg cit die Verjährung vom Tage der Forderungsanmeldung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruchs bestimmten Frist (vgl § 110 Abs 4 IO) als gehemmt. Bei dieser Hemmung handelt es sich nach stRsp um eine Ablaufhemmung, die auf Präklusivfristen analog angewendet wird. Damit soll sichergestellt werden, dass der Anspruch nicht bereits vor Ablauf der Klagsfrist nach § 110 Abs 4 IO verjährt. Im vorliegenden Fall war daher die sechsmonatige Fallfrist des § 34 AngG infolge der Bestreitung der Kündigungsentschädigung und der gerichtlich gesetzten – hier dreimonatigen – Klagsfrist des § 110 Abs 4 IO bis zum Ablauf dieser Frist am 27.4.2017 gehemmt. Mit Ablauf der ungenützten Klagsfrist fällt die Hemmungswirkung weg. Auf Grund der bereits eingetretenen Präklusion kann die Kündigungsentschädigung nach dem 27.4.2017 nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden.