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Betriebseinstellung – aufrechter Bestandschutz von Betriebsratsmitgliedern in Stilllegungsphase

MARTINACHLESTIL

Die bekl AG vertritt in ihrer außerordentlichen Revision die Auffassung, dass sie die Dienstverhältnisse der kl Betriebsratsmitglieder auch ohne gerichtliche Zustimmung wirksam aufgekündigt habe, weil im Kündigungszeitpunkt bereits eine dauernde Betriebseinstellung vorgelegen sei und die Kl damit als bloß ehemalige Betriebsratsmitglieder nicht mehr vom besonderen Bestandschutz des § 120 Abs 3 ArbVG erfasst gewesen seien. Die Betriebsstilllegung setze nicht die Beendigung sämtlicher Dienstverhältnisse voraus. Der OGH bestätigte dagegen die E der Vorinstanzen, die vom aufrechten Bestandschutz der Kl ausgegangen waren.

Nach § 62 Z 1 ArbVG endet die Tätigkeitsdauer des BR vorzeitig, wenn der Betrieb dauernd eingestellt wird. Nach § 120 Abs 3 ArbVG endet der sich aus den §§ 120 bis 122 ArbVG ergebende Schutz eines Betriebsratsmitglieds im Fall der dauernden Einstellung des Betriebs mit dem Ablauf der Tätigkeitsdauer des BR (Anm: ohne Nachwirkung für drei Monate). § 121 Z 1 ArbVG beinhaltet die Voraussetzungen, unter denen das Gericht einer Kündigung von Betriebsratsmitgliedern zustimmen darf.

Unter Einstellung des Betriebs ist sowohl die einen mehr oder weniger langen Zeitraum umfassende Liquidation als auch der als Ergebnis der Liquidation erzielte Status, also der Wegfall des Betriebs, zu verstehen. Eine zur Beendigung des Betriebsratsmandats führende Einstellung des Betriebs iSd § 62 Z 1 ArbVG259 bedeutet, dass der Betrieb als solcher untergegangen ist, weil jede Tätigkeit im Rahmen der bisherigen Organisationseinheit beendet wurde. In diesem Sinn wird auch der Begriff „dauernde Einstellung des Betriebes“ in § 120 Abs 3 ArbVG verwendet, der demnach sachverhaltsmäßig den Wegfall eines Betriebs zur Voraussetzung des Erlöschens des Kündigungs- und Entlassungssonderschutzes macht. Demgegenüber wird in § 121 Z 1 ArbVG (Erfordernis der gerichtlichen Zustimmung) darunter die Liquidation, dh die Phase des Abbaues der Beschäftigten und der Betriebsmittel, mit dem Ziel einer endgültigen Auflösung des Betriebs verstanden, also der Vorgang des Vollzugs der dauernden Einstellung des Betriebs. Dafür müssen konkrete Stilllegungshandlungen gesetzt worden sein; eine bloß vom Betriebsinhaber beabsichtigte, aber noch nicht in Vollzug gesetzte Einstellung reicht für die Zustimmung der Gerichte nicht aus. Es ist allein auf die praktische Betriebseinstellung abzustellen, die meistens nach Beginn des Liquidierungsprozesses, jedoch uU vor seinem Ende liegen kann.

Eine Betriebsstilllegung ist ein äußerst komplexer Vorgang, der sich auch zeitlich meist länger hinzieht. Maßnahmen, die eine solche Betriebsstilllegung indizieren, sind in der Regel die Auflösung der Arbeitsverhältnisse, die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung, die Veräußerung der sachlichen Betriebsmittel, der Abverkauf der Produkte und der Verkauf der Rohstoffe sowie der Abbruch der Beziehungen zu Kunden und Lieferanten, also die Liquidierung der Betriebsmittel, wobei in der Regel mehrere dieser Maßnahmen mit der Einstellungsabsicht zusammentreffen werden müssen, um den Tatbestand der dauernden Betriebsstilllegung zu erfüllen.

Ob und wann eine dauernde Betriebseinstellung erfolgt ist, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab: Im gegenständlichen Fall waren zwar die Verkaufsfilialen der bekl AG schon geschlossen, die Telefon- und Stromlieferverträge beendet und keine Betriebsmittel mehr vorhanden. Die Betriebsleiterin der bekl AG war nach der Kündigung der kl Betriebsratsmitglieder aber noch damit beschäftigt, andere Dienstverhältnisse zu beenden, Arbeitszeugnisse auszustellen und sich auch um die eingehende Post inklusive Abschlussrechnungen zu kümmern. Auch die Gewerbeberechtigung wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt zurückgelegt. War danach die technische Abwicklung des Betriebsgeschehens im Kündigungszeitpunkt nicht abgeschlossen, ist es vertretbar, wenn die Vorinstanzen hier noch nicht von der dauernden Einstellung des Betriebs, sondern von der Stilllegungsphase ausgingen, in der der Bestandschutz der kl Betriebsratsmitglieder noch aufrecht war.

Die außerordentliche Revision der bekl AG war mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.