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Arbeitsunfall bei Regalbetreuung im Supermarkt – keine Haftungsbefreiung gemäß § 333 ASVG

GREGORKALTSCHMID

Die Kl ist bei der S* GmbH (im Folgenden: S*) beschäftigt, die in verschiedenen Supermärkten im Rahmen eines sogenannten Shop-in-Shop-Systems die T*-Regale eigenständig betreut. Die Kl hatte das Sortiment der T*-Regale zu kontrollieren und auf dem aktuellen Stand zu halten. Dabei war sie nur gegenüber ihrer DG weisungsgebunden. AN des Supermarktes mussten ihr bei Bedarf helfen.

Die Bekl ist Filialleiterin des gegenständlichen Supermarktes.

Am Unfalltag befand sich die Kl auf einer Leiter des Supermarktes, um Kaffeepackungen für das T*-Regal von einem Hochregal des Supermarktes herunterzunehmen. Die Bekl näherte sich mit einem mechanischen Hubwagen mit einer Grillkohlenpalette. Sie sah die auf der dritten Stufe der Leiter befindliche Kl, die ihrerseits auch die Bekl mit dem Hubwagen wahrnahm. Als die Bekl mit dem Hubwagen etwa 1 m von der Leiter entfernt war, rief sie der Kl zu, dass es eng werde und sie sich festhalten solle. In diesem Moment kam es zu einer Berührung zwischen dem Hubwagen und der Leiter. Die Kl stürzte zu Boden und zog sich einen Bruch des zwölften Brustwirbels zu.

Die Kl begehrte von der Bekl die Zahlung von € 17.480,96 sA und die Feststellung ihrer Haftung für alle künftigen unfallkausalen Schäden.

Die Bekl bestritt und beantragte unter Berufung auf das rekursgegenständliche Haftungsprivileg iSd § 333 Abs 1 ASVG Klagsabweisung.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Kl sei in den Betrieb des Supermarktes eingegliedert gewesen, sodass der Bekl das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zugute komme.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge, weil eine Eingliederung der Kl in den Betrieb des Supermarktes zu verneinen sei und hob das Urteil auf.

Der OGH erkannte den Rekurs der Bekl für unzulässig:

Nach ständiger Judikatur ist der von der Bestimmung des § 333 ASVG erfasste DG grundsätzlich derjenige, der mit dem Verletzten durch ein Beschäftigungsverhältnis verbunden ist oder in dessen Betrieb der Verletzte wie ein AN eingegliedert war. Entscheidend ist das Tätigwerden des Verletzten in der Sphäre (im Aufgabenbereich) des Unternehmers.

Die Einordnung in den Betrieb ist allerdings nur insoweit erforderlich, als der AN im ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck kommenden oder nach der Sachlage zu vermutenden Einverständnis des Unternehmers handelt und zumindest bereit sein muss, nach den den Arbeitsvorgang bestimmenden Weisungen des Unternehmers, in dessen Interessen die Tätigkeit ausgeübt wird, oder dessen Vertreters zu handeln.

Wenn – wie hier – einander zwei BetriebsunternehmerInnen als VertragskontrahentInnen gegenüberstehen, ist die Haftung des einen Unternehmers bei Verletzung eines Betriebsangehörigen des anderen Unternehmers nicht durch § 333 ASVG ausgeschlossen, solange jeder Unternehmer innerhalb der Sphäre seines eigenen Betriebs tätig bleibt. Verlässt der Verletzte den Tätigkeitsbereich seines DG nicht, ist das Haftungsprivileg zu verneinen.

Die Kl war als DN der S* dienstvertraglich verpflichtet, ausschließlich Weisungen von ihrer DG entgegenzunehmen und zu erfüllen. Nach den Feststellungen war sie dafür verantwortlich, im Supermarkt eines anderen Unternehmens ein T*-Verkaufsregal zu betreuen, wozu auch das Befüllen und Nachsortieren von T*-Produkten gehörte. Diese323Aufgabe zählte zum betrieblichen Tätigkeitsbereich ihrer DG, nicht aber jenem des Supermarktes.

Für den OGH änderte sich dadurch, dass sie dabei das Hochregal des Supermarktes und dessen Aluleiter benutzte und dass ihr AN des Supermarktes helfen mussten, daran nichts.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Kl bei ihrer Tätigkeit am Hochregal die Sphäre ihres eigenen Aufgabenbereichs nicht verlassen hatte und demzufolge keine betriebliche Tätigkeit des Supermarktes wahrnahm, ist danach nicht weiter korrekturbedürftig.