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Keine Pflicht zum Ausbildungskostenrückersatz bei tatsächlicher Unterbrechung eines Saisonarbeitsverhältnisses

MANFREDTINHOF

Wenn die Verpflichtung eines AN zur Rückerstattung von Ausbildungskosten durch die Kündigung eines Saisonarbeitsverhältnisses seitens des AG erloschen ist, lebt sie auch nicht wieder dadurch auf, dass der AN in der Folge die ihm durch eine Wiedereinstellungszusage eingeräumte bloße Option zur Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses ausübt.

SACHVERHALT

Ein als Bauarbeiter beschäftigter AN traf mit seinem AG eine Vereinbarung über die Rückerstattung von Ausbildungskosten bezüglich der ihm ermöglichten Ausbildung zum Zweiwegefahrzeug-Bediener. Der AN verpflichtete sich darin, die vom AG übernommenen Kosten anteilig zurückzuzahlen, falls das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer Frist von zwei Jahren nach Beendigung der Ausbildung durch Kündigung des AN, durch verschuldete Entlassung, durch unberechtigten Austritt oder durch eine vom AN verschuldete Kündigung des AG enden sollte. Da die vom AN ausgeübte Tätigkeit von der Außentemperatur abhängig war, wurde ihm mitgeteilt, dass er über den Winter „stempeln gehen“ solle und nach der Kälteperiode wieder aufgenommen werde. Der AN bezog in der Folge Arbeitslosengeld und wurde tatsächlich im Februar des folgenden Jahres wieder eingestellt. Ein Dienstzettel wurde ihm anlässlich der Wiederaufnahme nicht ausgefolgt. Im März kündigte der AN sein Arbeitsverhältnis selbst auf.

Der AG behielt anlässlich der Endabrechnung aufgrund der Ausbildungskostenrückersatz-Vereinbarung einen Betrag von € 1.021,75 ein. Mit seiner Klage begehrt der AN die Auszahlung dieses Betrags im Wesentlichen mit der Begründung, der Abzug sei aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch AG-Kündigung iSd § 2d Abs 4 Z 5 AVRAG rechtswidrig.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die saisonbedingte Abmeldung des AN, verbunden mit der Vereinbarung der Wiedereinstellung, sei eine bloß saisonale Unterbrechung gewesen, die für dienstzeitabhängige Leistungen angerechnet werde. Das Berufungsgericht bestätigte diese E: Die konkrete Vereinbarung sei als echte Karenzierungsvereinbarung zu verstehen. Es habe daher ein durchgehendes Arbeitsverhältnis bestanden, das letztlich vom AN zur Auflösung gebracht worden sei. Der OGH hingegen erachtete die vom AN eingebrachte außerordentliche Revision als berechtigt und sprach ihm den eingeklagten Betrag zu.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1.1. Nach der Rechtsprechung ist zwischen Aussetzungsvereinbarungen, die ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgehen, einerseits und Wiedereinstellungszusagen und -vereinbarungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der damit verbundenen unterschiedlichen Folgen zu unterscheiden (RS0021837 [T10]). Bei einer bloßen Karenzierung wird der Arbeitsvertrag rechtlich nicht beendet; es werden nur die Hauptpflichten, die Arbeitspflicht und die Entgeltpflicht, zum Ruhen gebracht (RS0021837). Eine echte Karenzierung ist daher mit einer Wiedereinstellungszusage oder einer Wiedereinstellungsvereinbarung nicht in Einklang zu bringen, weil jede ‚Wiedereinstellung‘ zwangsläufig eine vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt (RS0021837 [T11], vgl auch RS0028497).

[…]

1.3. Selbst wenn die Aussetzungsvereinbarung ausdrücklich darauf gerichtet ist, dass der Arbeitsvertrag gelöst wird, damit zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll, kann von einer bloßen Karenzierungsvereinbarung ausgegangen werden, wenn die Parteien den einvernehmlich gelösten Arbeitsvertrag nicht oder nur zum Teil abwickeln und eine volle Anrechnung der Dienstzeiten und Anwartschaften aus diesem Arbeitsvertrag auf den gleichzeitig abgeschlossenen aufschiebend befristeten Arbeitsvertrag vereinbaren (RS0017766). Bei Beschäftigungsverhältnissen, in denen saisonale Unterbrechungen der Arbeitsverhältnisse nach Gesetz und Kollektivvertrag vorgesehen sind und ohnehin nicht zum Verlust der dienstzeitabhängigen Ansprüche führen, fehlt es schon am erkennbaren Zweck der Regelung, der für eine Karenzierungsvereinbarung324 sprechen könnte (RS0021837 [T1]). Nach jüngerer Rechtsprechung ist insbesondere dann, wenn die Absicht bestand, dem Arbeitnehmer den Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen, von einer echten Unterbrechung auszugehen und nicht nur von einer bloßen Karenzierung, wobei auf die objektiv ersichtlichen Umstände abzustellen ist, insbesondere, ob tatsächlich Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen wurden (RS0017802 [T21, T22, T27; s auch T16]; RS0017766 [T4, T5]; RS0021837 [T11]).

1.4. In diesem Sinn überwiegen auch im vorliegenden Fall die Gründe, die für eine echte Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Sinn einer Beendigung zum 15.12.2017 sprechen. Dem Kläger wurde zwar eine (Wieder-)Beschäftigung zu einem noch nicht näher konkretisierten Zeitpunkt im Februar/März 2018 in Aussicht gestellt, womit er einverstanden war. Das ändert aber nichts daran, dass sein Arbeitsverhältnis zum 15.12.2017 tatsächlich beendet werden und er saisonbedingt abgemeldet werden sollte, um ihm zur Überbrückung den Bezug von Arbeitslosengeld – das nur für den Fall der Beendigung oder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses zusteht – zu ermöglichen. Es ist daher hier von einer echten Unterbrechung im Sinn einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.12.2017 auszugehen.

2. Zu prüfen ist, ob es sich dabei um eine rückersatzschädliche Beendigung iSd § 2d Abs 4 AVRAG handelte.

[…]

2.4. Wie dargelegt, wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15.12.2017 beendet. Dass es sich dabei um eine – rückersatzwahrende – einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehandelt hätte, wurde von der Beklagten nicht behauptet und lässt sich dem Sachverhalt auch nicht entnehmen: Die Feststellung, dass der Kläger mit der Vorgangsweise einverstanden war, bezog sich auf die Ankündigung, dass er über den Winter ‚stempeln gehen‘ sollte, weil zu wenig oder keine Arbeit vorhanden war und dass er nach der Kälteperiode wieder aufgenommen werden sollte, nicht aber darauf, dass auch er das Arbeitsverhältnis beenden wollte. Die Vorgangsweise der Beklagten im Zusammenhalt mit der saisonbedingten Abmeldung des Klägers lässt sich daher nur dahin beurteilen, dass eine arbeitgeberseitige Kündigung erfolgte, ohne dass der Arbeitnehmer durch schuldhaftes Verhalten dazu begründeten Anlass gegeben hatte (§ 2d Abs 4 Z 5 AVRAG).

2.5. Das wirft die Frage nach der Bedeutung des Umstands auf, dass beide Streitteile davon ausgingen, dass die Arbeit im Februar oder März 2018 wieder beginnen sollte. Eine schriftliche Wiedereinstellungszusage wurde dem Kläger weder im Schreiben vom 6.12.2017 noch über dessen Nachfrage zu einem späteren Zeitpunkt erteilt. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Kläger schon im Dezember 2017 – über sein grundsätzliches Interesse an der Wiedereinstellung hinaus – zu einer Weiterführung des Arbeitsverhältnisses im Februar/März 2018 verpflichten hätte wollen. In der Regel tritt nämlich selbst dann, wenn ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Wiedereinstellungszusage gibt, dadurch noch keine Bindung des Arbeitnehmers ein. Es bleibt vielmehr seiner privatautonomen Entscheidung vorbehalten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dessen Anbot auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses anzunehmen oder nicht (8 ObA 27/12x mwN). Die Wiedereinstellungszusage aus Anlass einer echten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses führt nach der Rechtsprechung zu einer Option des Arbeitnehmers zur Begründung eines neuen Arbeitsvertrags, und zwar grundsätzlich zu den vorherigen Bedingungen (8 ObA 27/12x). Dieser entsteht in der Folge aber erst dann, wenn der Arbeitnehmer die Option ausübt und sich neuerlich zur Arbeit für den Arbeitgeber verpflichtet.

2.6. Für den Rückersatz von Ausbildungskosten bedeutet das, dass der Arbeitgeber, der ein Arbeitsverhältnis während der Bindungsdauer – wenngleich intentional nur saisonbedingt – kündigt, selbst bei einer Wiedereinstellungszusage im Kündigungszeitpunkt nicht damit rechnen kann, dass die in die Ausbildung des Arbeitnehmers investierten Kosten durch Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses amortisiert werden können. Damit geht auch der skizzierte Schutzzweck des § 2d AVRAG für den Arbeitgeber verloren. In der Folge wäre es aber ein Wertungswiderspruch, wenn ein Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis nicht wiederaufnehmen will, dann nicht mehr weiter mit dem Ersatz der Ausbildungskosten belastet werden könnte, ein fortsetzungswilliger Arbeitnehmer dagegen schon (‚bestraft‘). Auch eine solche Kündigung des Arbeitgebers führt daher dazu, dass das Arbeitsverhältnis zunächst beendet ist und der Anspruch auf Ausbildungskostenrückersatz erlischt.

Ist aber die Rückerstattungspflicht durch Arbeitgeberkündigung erloschen, lebt sie auch nicht wieder dadurch auf, dass der Arbeitnehmer in der Folge die bloße Option zur Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses ausübt.“

ERLÄUTERUNG

Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) zählt in seinem § 2d Abs 4 bestimmte Auflösungsarten von Dienstverhältnissen auf, die den Anspruch des AG auf Ausbildungskostenrückersatz vernichten: Neben der hier relevanten Kündigung durch den AG (es sei denn, dass der AN durch schuldhaftes Verhalten dazu begründeten Anlass gegeben hat), werden noch die Auflösung in der Probezeit, die unbegründete Entlassung, der begründete vorzeitige Austritt und die Entlassung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit genannt.

Zuerst hatten die Gerichte daher zu prüfen, durch welche Beendigungsart das Arbeitsverhältnis, für325 welches die Klausel über den Ausbildungskostenrückersatz vereinbart wurde, aufgelöst worden ist. Die entscheidende Frage war, ob das ursprüngliche Arbeitsverhältnis durch das „stempeln Gehen“ des AN lediglich karenziert oder tatsächlich unterbrochen war. Die Vorinstanzen gingen von einer Karenzierung (Aussetzung) aus. Im Fall einer solchen wäre das Dienstverhältnis aufrecht bestehen geblieben und hätte im März durch AN-Kündigung geendet, was die Verpflichtung des AN zum Rückersatz der Ausbildungskosten ausgelöst hätte. Der OGH ging hingegen von einer Unterbrechung aus. Diese setzt schon begrifflich voraus, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis beendet und ein neues Dienstverhältnis begründet wurde. Der OGH argumentiert damit, dass eine Karenzierung mit einer Wiedereinstellungszusage nicht in Einklang zu bringen ist, weil jede Wiedereinstellung zwangsläufig eine vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Und von einer Wiedereinstellungszusage ist hier – wenn auch nicht ausdrücklich schriftlich vorliegend – wohl auszugehen. Vor allem in seiner jüngeren Judikatur verwendet der OGH als weiteres für eine Unterbrechung sprechendes Indiz den Bezug von Arbeitslosengeld durch den AN, setzt doch die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld Arbeitslosigkeit, also die Unterbrechung (Beendigung) des Arbeitsverhältnisses, voraus (vgl etwa OGH9 ObA 13/09sinfas 2010 A 48).

Ist somit von einer Beendigung des ursprünglichen – für die Rückersatzklausel relevanten – Dienstverhältnisses auszugehen, so bleibt noch zu prüfen, auf welche Art dieses geendet hat. Da für den OGH keine Anhaltspunkte für eine einvernehmliche Lösung, die die Verpflichtung zum Rückersatz der Ausbildungskosten auslösen würde (weil sie in § 2d Abs 4 AVRAG nicht genannt ist), ersichtlich sind, ging er von einer AG-Kündigung aus. Da eine AG-Kündigung den Anspruch auf Rückersatz vernichtet, hat der AN das Verfahren gewonnen.

Abschließend soll noch der Frage nachgegangen werden, ob sich an der rechtlichen Beurteilung etwas geändert hätte, wenn statt einer Wiedereinstellungszusage eine Wiedereinstellungsvereinbarung vorgelegen wäre. Während eine Wiedereinstellungszusage nur eine einseitige Bindung des AG auslöst, verpflichtet sich bei einer Wiedereinstellungsvereinbarung auch der AN, die Arbeit im Rahmen eines weiteren Dienstverhältnisses wieder aufzunehmen. Ein Nichtantreten der Arbeit würde in diesem Fall eventuell negative arbeitsrechtliche Konsequenzen auslösen, wie etwa Schadensersatzansprüche seitens des AG. Wie schon im Entscheidungstext zitiert, kann der AG bei einer Wiedereinstellungszusage nicht damit rechnen, dass seine in die Ausbildung investierten Kosten durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses amortisiert werden. Der AG ist daher nicht schutzwürdig iSd § 2d AVRAG. Bei einer Wiedereinstellungsvereinbarung kann der AG zwar eher damit rechnen, dass der AN das Arbeitsverhältnis wieder aufnimmt. Die Verpflichtung des AN zum Rückersatz der Ausbildungskosten kann mE aber wohl auch in diesem Fall ohne weitere mit der Beendigung des ursprünglichen Dienstverhältnisses (in dem die Ausbildung stattgefunden hat) einhergehende Vereinbarung nicht fortbestehen, da der Anspruch auf Kostenrückersatz durch die im § 2d Abs 4 AVRAG genannte AG-Kündigung unwiederbringlich vernichtet wird.