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Übernahme von Wettlokalen unter Beibehaltung der wesentlichen Geschäftstätigkeit und Übernahme von Standorten und Laufkundschaft stellt Betriebsübergang dar

MARTINACHLESTIL

Revisionsgegenständlich war die Frage, ob die Übernahme von Wettlokalen vom früheren AG der Kl, in denen von den Kunden der Bekl weiterhin Wetten abgegeben werden können, als Betriebsübergang iSd § 3 Abs 1 AVRAG zu qualifizieren ist.

§ 3 Abs 1 AVRAG ordnet an, dass dann, wenn ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übergeht, dieser als AG mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt.

Für das Vorliegen eines Übergangs iSd RL 77/187/ EWG ist die Wahrung der Identität der Einheit entscheidend. Die „wirtschaftliche Einheit“ ist dabei nicht mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff ident (sie umfasst ja auch „Unternehmen“ und „Betriebsteile“), sondern orientiert sich an der organisatorischen Zusammenfassung von Betriebsmitteln zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit. Für die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs nach § 3 AVRAG kommt es überdies nicht auf das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts an, sondern es ist der faktische Übertragungsvorgang entscheidend.

Ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist aufgrund der den betreffenden Vorgang kennzeichnenden tatsächlichen Umstände zu beurteilen. Dabei ist iS eines beweglichen Systems eine Gesamtbewertung der einzelnen Umstände vorzunehmen, zumal der327Betriebsübergang in einem sehr weiten Sinn zu verstehen ist. Derartige Umstände sind bspw die Übernahme der materiellen und immateriellen Betriebsmittel und des Großteils der Belegschaft, die allfällige Ähnlichkeit der vor und nach der Übernahme verrichteten Tätigkeit, der Übergang der Kundschaft und die Fortführung der wirtschaftlichen Einheit.

Die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, die einen Betriebsübergang zwischen der früheren AG der Kl auf die Bekl bejaht haben, bewegt sich nach dem OGH im Rahmen der Grundsätze der Rsp zum Betriebsübergang nach § 3 Abs 1 AVRAG: Da sowohl in den Wettlokalen der vormaligen AG der Kl als auch nunmehr in jenen der Bekl von Kunden Wetten abgegeben werden konnten bzw können, steht der starken Ähnlichkeit dieser Unternehmenstätigkeiten vor und nach dem Betriebsübergang die bloß formal unterschiedliche Gewerbeausübung (Vermittlung von Wettabschlüssen bzw Wettkundenvermittlungstätigkeit) nicht entgegen. Entscheidend ist im konkreten Fall vielmehr, dass die Bekl die bisherige Geschäftstätigkeit der vormaligen AG der Kl in den übernommenen Wettlokalen im Wesentlichen beibehalten hat und sich diese (Anbieten von Wetten) durch die teilweise Übernahme der Standorte im Wesentlichen an den gleichen Kundenkreis richtet. Die Kunden früherer „Wett-Punkt-Lokale“ suchen jetzt die Wettlokale der Bekl auf. Dass keine Kundendaten übertragen wurden, schadet nicht, weil auch die Übernahme der Laufkundschaft ein wesentliches Indiz für einen Betriebsübergang ist.

Auch der Einwand der Bekl, sie habe mit den Vermietern neue Mietverträge hinsichtlich der von ihr geführten Wettlokale abgeschlossen, steht der maßgeblichen faktischen Übernahme der Standorte nicht entgegen. Überdies umfasste der „Kaufvertrag“ über 26 „Wett-Punkt-Lokale“ explizit nicht nur die Wirtschaftsgüter, sondern auch die Rechtsverhältnisse, die zum Betrieb dieser Standorte gehören. Dass die Bekl diese „Wett-Punkt-Lokale“ nicht direkt von der ehemaligen Betreiberin bzw Eigentümerin, sondern von einem anderen dazwischen geschalteten Unternehmen erwarb, ändert an der faktischen Betriebsübernahme ebenfalls nichts, darf doch die rechtliche Konstruktion, die dem Betriebsinhaberwechsel zugrunde liegt, nicht zur Umgehung der Zwecke des AVRAG führen. Die bloß vorübergehende Betriebsunterbrechung durch Renovierungs- und Umbaumaßnahmen steht einem Betriebsübergang ebenfalls nicht entgegen.

Zudem hat die Bekl – wenn auch unter Abschluss neuer Arbeitsverträge, so doch zumindest faktisch – mehrere MitarbeiterInnen ehemaliger „Wett-Punkt-Lokale“ übernommen und die Kl schließlich auch überwiegend in Wettlokalen eingesetzt, die sie erworben und fortgeführt hat.

Die außerordentliche Revision der Bekl war mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.