185Neuer Grenzbetrag für Zeitguthaben bei Insolvenz umfasst Grundlohn inklusive Zuschlag
Neuer Grenzbetrag für Zeitguthaben bei Insolvenz umfasst Grundlohn inklusive Zuschlag
Der Kl war bei der späteren Insolvenzschuldnerin seit 1.10.2002 als Angestellter beschäftigt. Über das Vermögen der AG wurde am 26.1.2018 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kl meldete im Konkurs der AG ua Entgelt für im Jahr 2017 geleistete Überstunden (208,72 Überstunden mit 50 % Zuschlag, 1,95 mit 100 % Zuschlag) im Gesamtbetrag von € 9.348,- netto an und beantragte dafür Insolvenz-Entgelt. Die bekl IEF-Service GmbH gab dem Antrag des Kl auf Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt überwiegend statt. Ein Mehrbegehren an Überstundenentgelt in Höhe von € 1.832,- netto lehnte sie wegen Überschreitung des Grenzbetrags nach § 1 Abs 4 Z 3 IESG ab.
In seiner dagegen erhobenen Klage bringt der Kl vor, die Bekl habe bei ihrer Berechnung den gesetzlichen Grenzbetrag auf den um den Zuschlag erhöhten Stundenlohn pro geleisteter Überstunde angewandt. Dies führe jedoch zu einer unbilligen Kürzung der gesicherten Ansprüche. Es handle sich um Überstunden, die in Form von Zeitausgleich abgegolten werden sollten und deren Sicherung dem § 1 Abs 4 Z 3 IESG unterliege. Diese Bestimmung sei dahin zu verstehen, dass sich der Grenzbetrag auf die Anzahl der nicht konsumierten Zeitausgleichsstunden ohne Zuschlag beziehe. Die Bekl wandte ein, der Grenzbetrag sei nach dem Wortlaut und nach dem Zweck der Norm auf das Entgelt pro tatsächlich geleisteter und abzugeltender Arbeitsstunde anzuwenden. Die Interpretation des Kl widerspreche der Intention des Gesetzgebers und hätte eine nicht gewollte Überbeanspruchung des Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) zur Folge.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Kl keine Folge. Der OGH bestätigte diese E.330
Gem § 1 Abs 3 Z 4 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt nicht für Entgeltansprüche, wenn der als Insolvenz-Entgelt begehrte Bruttobetrag im Zeitpunkt der bedungenen Zahlung den Grenzbetrag übersteigt.
Als Grenzbetrag gilt der zweifache Betrag der Höchstbeitragsgrundlage gem § 45 Abs 1 ASVG, der bei Entgeltansprüchen, die nach Zeiträumen bemessen werden, mit der Anzahl der Tage des jeweiligen Entlohnungszeitraums (§ 1 Abs 4 Z 1 IESG) bzw bei Entgeltansprüchen, die nicht nach Zeiträumen bemessen werden, mit der Anzahl der Tage des jeweiligen Kalendervierteljahres zu vervielfachen ist, in welchem der Anspruch abzurechnen gewesen wäre (§ 1 Abs 4 Z 2 IESG).
Abweichend davon gilt für Ansprüche auf Auszahlung von fällig gewordenem Entgelt aus Überstunden- oder Mehrarbeit, für die Zeitausgleich vereinbart war, aus Zeitguthaben oder Zeitzuschlägen für jede abzugeltende Stunde als Grenzbetrag ein Viertel der täglichen Höchstbeitragsgrundlage gem § 45 Abs 1 ASVG zum Zeitpunkt der Fälligkeit. Abweichend von § 44 Abs 7 ASVG gelten diese Ansprüche für jenen Kalendermonat als erworben, in dem sie fällig geworden sind. Als monatliche Höchstbeitragsgrundlage gilt für diese Ansprüche der 30-fache Betrag der täglichen Höchstbeitragsgrundlage zum Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 1 Abs 4 Z 3 IESG).
Laut Ansicht des OGH führt weder die Wortinterpretation des § 1 Abs 4 Z 3 IESG noch die Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis. Der OGH folgt jedoch nicht der Argumentation des Kl, wonach sich die gegenständliche Regelung auf Zeitausgleichsstunden, die unterschiedliche Entstehungsgründe haben können, beziehe und es sich nicht nur um zuschlagspflichtige Überstunden, sondern auch um Mehrarbeitsstunden, Zeitguthaben und Zeitzuschläge handle.
Nach Ansicht des OGH kommt es auf die rechtliche Qualität der abzugeltenden Arbeitsstunden nicht an. Die Deckelung der Ansprüche mit Grenzbeträgen findet ihre Rechtfertigung darin, dass nach dem IESG die von den AN typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind, versichert ist (RIS-Justiz RS0076409).
Vor der Novelle BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123, mit dem § 1 Abs 4 Z 3 IESG neu eingeführt wurde, unterlag das Überstundenentgelt der Anspruchsbegrenzung gem § 1 Abs 4 Z 1 IESG für jene Perioden, in denen die Überstunden geleistet wurden. Der OGH hat dazu bereits in 8 ObS 19/98x vom 29.1.1998 klargestellt, dass dann, wenn durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses der vereinbarte Zeitausgleich unmöglich wird, anstelle des Zeitausgleichs wieder die ursprüngliche Entgeltforderung für Überstunden tritt. Die Anwendung des Grenzbetrags der doppelten Höchstbeitragsgrundlage hatte schon nach der Rechtslage vor der Novelle zur Folge, dass das Überstundenentgelt bei höheren Einkommen allenfalls nicht zur Gänze, oder – bei Überschreitung der doppelten Höchstbeitragsgrundlage durch andere Bezüge in derselben Periode – sogar überhaupt nicht gesichert sein konnte. Für geleistete Überstunden, für die nie Zeitausgleich vereinbart war und die deshalb nicht dem § 1 Abs 4 Z 3 IESG unterliegen, gilt dies weiterhin unverändert.
Die mit § 1 Abs 4 Z 3 IESG aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung neu geschaffene Zuordnung sämtlicher Zeitguthaben zu jener Abrechnungsperiode, in der das Entgelt dafür fällig wird, erforderte die Einführung eines zusätzlichen Sicherungsgrenzbetrags, um dem außerordentlichen Charakter dieses Abrechnungspostens Rechnung zu tragen und Sicherungsdefizite hintanzuhalten. Dies bedeutet aber nicht, dass damit das Konzept der pauschalen Sicherungshöchstgrenzen aufgegeben werden sollte, die sich – soweit das Gesetz nicht selbst Ausnahmen vorsieht – nicht am Rechtsgrund der einzelnen Entgeltbestandteile, sondern an ihrer rechnerischen Summe orientiert.