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Berechnung der Sonderzahlungen nach dem Kollektivvertrag für die DienstnehmerInnen der Privatkrankenanstalten Österreichs – Feststellungsverfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG

MARTINACHLESTIL
§§ 6, 7 ABGB; § 15 KollV für die DienstnehmerInnen der Privatkrankenanstalten Österreichs

Der Verband der Privatkrankenanstalten Österreich begehrt mit dem gem § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag ua die Feststellung, dass die dem KollV für die DN der Privatkrankenanstalten Österreichs unterliegenden DN gem § 15 dieses KollV Anspruch auf ein Urlaubsgeld und eine Weihnachtsremuneration in Höhe eines monatlichen Grundgehalts zuzüglich Funktionszulage, Überstundenpauschale, Pflegedienstzulage und sämtliche dem jeweiligen DN tatsächlich ständig gewährten, monatlich gleichbleibenden Zulagen auf Basis des Durchschnitts der in den letzten drei, der Auszahlung vorangegangenen Monate haben, wobei die den DN gewährten variablen, leistungsabhängigen Zulagen, wie insb Nacht- oder Sonntagszulagen sowie eine Überstundenentlohnung nach § 13a dieses KollV (mit Ausnahme von Überstundenpauschalen) nicht einzubeziehen sind.

Zur Begründung des Feststellungsinteresses beruft sich der Antragsteller darauf, dass mehrere AG, auf die dieser KollV anzuwenden ist, mit der Forderung von AN konfrontiert seien, auch variable Zulagen in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen aufzunehmen. Ausgehend davon sind vom Gegenstand des Rechtsstreits auf AG-Seite und auf AN-Seite jeweils zumindest drei Personen betroffen. Insoweit ist nach dem OGH ein konkretes Feststellungsinteresse dargelegt.

Zur Frage, welche Entgeltbestandteile grundsätzlich zur Bemessung der Sonderzahlungen heranzuziehen sind (insb Überstundenentlohnung nach § 13a des KollV), wurde vom Antragsteller kein ein konkretes rechtliches Interesse begründender Sachverhalt vorgebracht, diesbezüglich war der Antrag daher abzuweisen. Zur Frage der Einbeziehung von variablen Zulagen führt der OGH wie folgt aus:

Der KollV enthielt im Jahr 1992 unter „§ 15 Urlaubsgeld (13. Monatsbezug) und Weihnachtsremuneration (14. Monatsbezug)“ folgende Bestimmung: „Allen Dienstnehmern gebührt jährlich ein Urlaubsgeld und eine Weihnachtsremuneration in Höhe eines laufenden Monatsentgeltes (Funktionszulage, Überstundenpauschale, Pflegedienstzulage und sämtliche dem jeweiligen Dienstnehmer tatsächlich gewährten kollektivvertraglichen Zulagen inbegriffen). Der Anspruch auf Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration gebührt nicht, wenn …

Der Antragsteller verweist betreffend Nichteinbeziehung variabler, leistungsabhängiger Zulagen auf die in der Änderung und Ergänzung des KollV 1993 enthaltene authentische Interpretation der Kollektivvertragsparteien zu § 15 Abs 1 des KollV mit folgendem Wortlaut:

„4. In die ERGÄNZUNGEN ZUM KOLLEKTIVVERTRAG (einvernehmliche Auslegung der Vertragspartner) wird folgender Text aufgenommen:zu § 15 Urlaubsgeld (13. Monatsbezug) und Weihnachtsremuneration (14. Monatsbezug):Die einvernehmliche Auslegung des § 15 durch die Kollektivvertragspartner ist die, dass zur Berechnung des 13. und 14. Monatsgehalts das Grundgehalt sowie alle ständig gewährten, monatlich gleichbleibenden Zulagen herangezogen werden; über den Text des Kollektivvertrages hinaus auch die nicht kollektivvertraglichen Überzahlungen und Zulagen, wie immer sie bezeichnet sind. Nicht vereinbart ist die Einrechnung variabler, leistungsabhängiger Zulagen wie Nacht- oder Sonntagszulagen sowie Überstundenentgelte.“

Diese einvernehmliche Auslegung durch die Kollektivvertragsparteien erfolgte damals als Ergänzung zum KollV und hat durch ordnungsgemäße Kundmachung wie die anderen Änderungen des KollV normative Wirkung erhalten. Bis 1998 wurden jeweils nur Ergänzungen und Änderungen des KollV vereinbart, diese hatten daher zunächst keinen Einfluss auf die Wirksamkeit dieser authentischen Interpretation. Dagegen wurde im Jahr 1998 eine konsolidierte Fassung des gesamten KollV kundgemacht, in dem zwar § 15 Abs 1 des KollV unverändert übernommen wurde, die einvernehmliche Interpretation durch die Parteien jedoch nicht enthalten ist. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die authentische Interpretation noch normative Wirksamkeit hat.

Durch die Vereinbarung der konsolidierten Fassung des KollV 1998 und der damit verbundenen Kundmachung des Gesamttextes des KollV inklusive Anhängen wurden sämtliche früheren Vereinbarungen der Kollektivvertragsparteien außer Kraft gesetzt. Gerade der Umstand, dass die authentische Interpretation 1993 ursprünglich in der Änderung des KollV enthalten war und dort ausdrücklich als Ergänzung zum KollV bezeichnet wurde, machte sie zu einem Bestandteil der früheren Kollektivverträge, denen aber durch die Vereinbarung der konsolidierten Fassung 1998 materiell derogiert wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass die Ergänzung zum KollV aus dem Jahr 1993 nach dem Kollektivvertragsabschluss 1998 keine normative Wirkung mehr hatte.

Fraglich ist daher, inwieweit das einmal bestehende Verständnis der Kollektivvertragsparteien über315 die Auslegung des § 15 Abs 1 des KollV auch noch in der Folge für dessen Interpretation herangezogen werden kann.

Im KollV 2017 wurde § 15 Abs 1 wie folgt geändert: „Allen Dienstnehmern gebühren jährlich ein Urlaubsgeld und eine Weihnachtsremuneration in der Höhe eines laufenden Monatsentgeltes (Funktionszulage, Überstundenpauschale, Pflegedienstzulage und sämtliche dem jeweiligen Dienstnehmer tatsächlich gewährte kollektivvertragliche Zulagen inbegriffen). Für die Berechnung des laufenden Monatsentgelts des Urlaubsgeldes und der Weihnachtsremuneration ist der Durchschnitt der in den letzten drei der Auszahlung vorangegangenen Monate heranzuziehen …

Der Text des KollV sieht vor, dass die Sonderzahlungen in der Höhe eines laufenden Monatsentgelts zu gewähren sind. „Monatsentgelt“ wird durch den Klammerausdruck dahingehend näher definiert, dass auch Zulagen in das Monatsentgelt eingerechnet werden. Dabei unterscheidet der KollV nicht zwischen variablen leistungsbezogenen und ständig gewährten Zulagen. Vielmehr enthält er ausdrücklich die Formulierung, dass „sämtliche, dem jeweiligen DN tatsächlich gewährte kollektivvertragliche Zulagen“ inbegriffen sind. Nach dem Wortlaut der Regelung kommt es daher nur darauf an, ob eine Zulage sich aus dem KollV ableiten lässt und dem DN tatsächlich gewährt wird.

Die „Ergänzung“ aus dem Jahr 1993 enthielt gegenüber diesem Text des KollV sowohl eine Ausweitung (nicht kollektivvertragliche Überzahlungen und Zulagen) als auch eine Einschränkung (Nichteinrechnung variabler, leistungsabhängiger Zulagen). Dieses historische Verständnis der Kollektivvertragsparteien entspricht nicht dem Text der Regelung. Selbst wenn daher die Kollektivvertragsparteien auch nach 1998 von einem der außer Kraft getretenen authentischen Interpretation entsprechenden Verständnis des § 15 Abs 1 des KollV ausgegangen sein sollten, deckt sich dieses nicht mehr mit dem Wortlaut des § 15 Abs 1 in der ab 1998 geltenden Fassung des KollV ohne Ergänzung. Damit entspricht dieses Verständnis nicht dem Willen, den der verständige Leser dem Vertragstext entnehmen kann. Auf das, was der Normgeber seinerzeit wirklich gewollt oder später unverbindlich geäußert hat, kommt es aber nicht an.

Zusammengefasst sind daher sämtliche Zulagen, die sich aus dem KollV ergeben, darunter auch variable und leistungsabhängige Zulagen wie Nacht- oder Sonntagszulagen, bei Berechnung der Sonderzahlungen zu berücksichtigen.

Der Antrag des Antragstellers ist daher insgesamt zum einen wegen des nicht ausreichend dargestellten rechtlichen Interesses, zum anderen wegen inhaltlicher Unbegründetheit abzuweisen.