188Keine Sicherung der Diensterfindungsvergütung bei Fälligkeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses
Keine Sicherung der Diensterfindungsvergütung bei Fälligkeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses
Mit der Novelle BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123 wurde § 3a IESG dahin abgeändert, dass die ansonsten unverändert gebliebenen Sicherungszeiträume nunmehr für alle Arten von Entgeltansprüchen gelten. Die Einschränkung auf „laufendes Entgelt“ wurde ebenso eliminiert wie die vorher bestehende Differenzierung zwischen dem Entstehen des Anspruchs und seiner Fälligkeit. Von diesem Entgeltbegriff sind auch solche Ansprüche erfasst, die nur ausnahmsweise oder einmalig anfallen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Beschränkung des § 3a IESG auf laufendes Entgelt aufzugeben und seine Anwendung auf alle Entgeltarten zu erweitern, hat die Sicherung von Ansprüchen wie dem in Frage stehenden ausdrücklich beendet.
Der Kl war von 1.3.2013 bis 31.1.2017 bei der späteren Schuldnerin als Angestellter beschäftigt. Während des Dienstverhältnisses wirkte er an einer Erfindung mit und erwarb dadurch einen Anspruch auf Patent- und Diensterfindungsvergütung. Die Fälligkeit der Vergütung trat erst am 31.8.2017 – sohin nach Ende des Arbeitsverhältnisses – ein. Es erfolgte jedoch keine Zahlung. Am 26.1.2018 wurde über das Vermögen der ehemaligen AG das Konkursverfahren eröffnet. Die IEF-Service GmbH lehnte die Gewährung von Insolvenz-Entgelt für die Patent- und Diensterfindungsvergütung ab. Der Anspruch sei nicht gesichert, weil die Fälligkeit außerhalb des in § 3a Abs 1 erster Satz IESG definierten Zeitraums (sechs Monate vor Ende des Arbeitsverhältnisses) gelegen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Anspruch auf Patent- und Erfindungsvergütung stelle einen aperiodischen Bestandteil des Arbeitsentgelts dar, dessen Sicherung im Insolvenzfall möglich sei, aber den zeitlichen Grenzen des § 3a Abs 1 IESG unterliege. Nach dieser Bestimmung gebühre Insolvenz-Entgelt nur für Entgeltansprüche, die in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (hier: Eröffnung des Insolvenzverfahrens), oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet habe, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden seien. Im Anlassfall sei ausschließlich die zweite Alternative anzuwenden. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH wies die Revision des Kl ab.
„1. Nach § 8 PatG gebührt dem Dienstnehmer für die Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den Dienstgeber sowie für die Einräumung eines Benützungsrechts hinsichtlich einer solchen Erfindung grundsätzlich eine angemessene besondere Vergütung.
Wenn der Dienstnehmer ausdrücklich zur Erfindertätigkeit im Unternehmen des Dienstgebers angestellt und auch tatsächlich damit vorwiegend beschäftigt ist und wenn die ihm obliegende Erfindertätigkeit zu der Erfindung geführt hat, so gebührt ihm nach § 8 Abs 2 PatG eine besondere Vergütung nur insoweit, als nicht schon in dem ihm auf Grund des Dienstverhältnisses im Hinblick auf seine Erfindertätigkeit zukommenden höheren Entgelt eine angemessene Vergütung für die Erfindung gelegen ist.
2. Bei der Bemessung eines Anspruchs auf Diensterfindungsvergütung ist gemäß § 9 PatG nach den Umständen des Falles insbesondere
auf die wirtschaftliche Bedeutung der Erfindung für das Unternehmen,
auf eine sonst etwa erfolgte Verwertung der Erfindung im Inland oder Ausland,
auf den Anteil, den Anregungen, Erfahrungen, Vorarbeiten oder Hilfsmittel des Unternehmens des Dienstgebers oder dienstliche Weisungen an dem Zustandekommen der Erfindung gehabt haben, Bedacht zu nehmen.
Die Bemessung wird sohin durch den wirtschaftlichen Wert der Erfindung und die Bedeutung des Beitrags des Dienstnehmers im Verhältnis zu allen anderen für ihr Zustandekommen wesentlichen Faktoren bestimmt.
3. Die Vorinstanzen sind im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass es sich bei einer Erfindungsvergütung nach § 8 PatG um einen Teil des Arbeitsentgelts im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 IESG handelt (vgl RS0076555; 8 ObS 16/94). Dieser Anspruch weist aber die Besonderheit auf, dass er von einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt wird (RS0034035; RS0071291 [T2]) und daher nicht unter den engeren Begriff des ‚laufenden Entgelts‘ im Sinn des IESG fällt. Zum laufenden Entgelt werden jene zeitbezogenen Ansprüche des Arbeitnehmers gezählt, die ihm für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft als Erfüllung des zweiseitigen Arbeitsvertrags zustehen (8 ObS 6/11g; 8 ObS 5/03ymwN; Liebeg, IESG3 § 1 Rz 346). Bei der Diensterfindungsvergütung spielt das Synallagma zu den vom Dienstnehmer erbrachten Arbeitsleistungen für die Bemessung des Vergütungsanspruchs eine untergeordnete Rolle. Es kommt hier auf den wirtschaftlichen Wert und den schöpferischen Anteil des Dienstnehmers333im Verhältnis zu anderen die Erfindung ermöglichenden Faktoren an, aber nicht darauf, wie lange oder wie intensiv er daran gearbeitet hat.
4. Gemäß § 3a IESG idF BGBl I 123/2017BGBl I 123/2017(hier nach § 34 IESG bereits anzuwenden) gebührt Insolvenz-Entgelt für das dem Arbeitnehmer gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1 IESG) oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden ist. Die Frist von sechs Monaten gilt nicht, soweit Ansprüche auf Entgelt binnen sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit gerichtlich oder im Rahmen eines gesetzlich oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorgesehenen Schlichtungsverfahrens oder eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission zulässigerweise geltend gemacht wurden und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt wird oder soweit eine Differenz zwischen unterkollektivvertraglicher und kollektivvertraglicher Entlohnung beantragt wird. Mit der Novelle BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123wurde § 3a IESG dahin abgeändert, dass die ansonsten unverändert gebliebenen Sicherungszeiträume nunmehr für alle Arten von Entgeltansprüchen gelten. Die Einschränkung auf ‚laufendes Entgelt‘ wurde ebenso eliminiert wie die vorher bestehende Differenzierung zwischen dem Entstehen des Anspruchs und seiner Fälligkeit. Es kommt nur noch darauf an, ob ein Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht wird und wann die Fälligkeit eintritt.
Nach den Materialien (AB 1691 BlgNR 25. GP 2) sind von diesem Entgeltbegriff bewusst auch solche Ansprüche erfasst, die nur ausnahmsweise oder einmalig anfallen (vgl Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3a IESG Rz 4).
5. Der Kläger vertritt den Standpunkt, die Auslegung der Vorinstanzen entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Entstehungsgeschichte des § 3a IESG liege sein wesentlicher Regelungszweck darin, missbräuchlichen Inanspruchnahmen des Insolvenzfonds dadurch entgegenzuwirken, dass überlang ohne gerichtliche Geltendmachung stehengelassene Ansprüche von der Sicherung ausgeschlossen sein sollen.
Bei Entgeltansprüchen, die überhaupt erst nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden und innerhalb des davor liegenden Sechsmonatszeitraums gar nicht hätten geltend gemacht werden können, bestehe die dargelegte Gefahr nicht. Solche Ansprüche seien überhaupt nicht erfasst, sondern unterlägen dem Sechsmonatszeitraum nach dem ersten Halbsatz des § 3a Abs 1 IESG.
6. Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Die Interpretation des § 3a IESG idgF durch die Vorinstanzen entspricht seinem eindeutigen Wortlaut und dem in den Materialien zutage tretenden Intentionen. Diese Änderung der Rechtslage führt dazu, dass die bestehende höchstgerichtliche Rechtsprechung, mit der die Sicherung einer erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, aber vor dem Insolvenzstichtag fällig werdenden Erfindungsvergütung dem Grunde nach bejaht wurde (8 ObS 7/09a), nicht mehr aktuell ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Beschränkung des § 3a IESG nur auf laufendes Entgelt aufzugeben und seine Anwendung auf alle Entgeltarten zu erweitern, hat die Sicherung von Ansprüchen wie dem in Frage stehenden ausdrücklich beendet.
7. Dieses Ergebnis steht entgegen den Ausführungen des Klägers auch mit den wesentlichen Zielen der Entgeltsicherung im Einklang. Zweck des IESG ist die Versicherung gegen die von den Arbeitnehmern normalerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind. In diesen geschützten Kernbereich fällt ein Anspruch wie der vorliegende nicht, der sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach von Faktoren bestimmt wird, die außerhalb des arbeitsvertraglichen Synallagmas liegen, und dem regelmäßig kein Versorgungszweck innewohnt. Zu dem in der Revision ins Treffen geführten Argument, die Rechtsansicht der Vorinstanzen hätte zur Folge, dass beispielsweise auch Leistungsansprüche aus direkten Pensionszusagen wegen der vorauszusetzenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gesichert wären, ist auf die für diese Ansprüche geltenden besonderen Regelungen (§ 3d IESG; für Abfertigungen: § 1 Abs 4a IESG) zu verweisen.“
Gem § 8 PatG gebührt dem DN für die Überlassung einer von ihm im Rahmen der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung gemachten Erfindung an den DG sowie für die Einräumung eines Benützungsrechts hinsichtlich einer solchen Erfindung eine angemessene besondere Vergütung. Bei dieser Erfindungsvergütung handelt es sich nach stRsp um einen Teil des Arbeitsentgelts. Es fällt allerdings nicht unter den engeren Begriff des „laufenden Entgelts“ iSd IESG, da der Anspruch von einer etwaigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt wird.
Zum laufenden Entgelt zählen alle vermögensrechtlichen Ansprüche des AN aus dem Arbeitsverhältnis. Dazu gehört nicht nur das laufende monatliche Gehalt (Lohn), sondern alle erdenklichen Entgeltarten, wie zB Provisionen, Zulagen, Prämien sowie Sonderzahlungen. „Laufendes Entgelt“ setzt nach der stRsp ein Synallagma zu den vom AN erbrachten Arbeitsleistungen voraus.
Bei der Erfindungsvergütung spielt das Synallagma zwischen den erbrachten Arbeitsleistungen und der dafür gewährten Vergütung nur eine untergeordnete Rolle. Es kommt vielmehr auf den wirtschaftlichen334Wert der Erfindung und den schöpferischen Beitrag des AN im Verhältnis zu den anderen Faktoren, die maßgeblich zur Erfindung beigetragen haben, an. Ein derartiger Anspruch kann im Falle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen bzw fällig werden.
Gem § 3a Abs 1 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt für das dem AN zustehende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Insolvenzstichtag, oder wenn das Arbeitsverhältnis vorher geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dem arbeitsrechtlichen Ende fällig geworden ist. Ansprüche aus früheren Lohnperioden sind nur dann gesichert, wenn sie binnen sechs Monaten ab Fälligkeit gerichtlich bzw im Schlichtungsverfahren oder vor der Gleichbehandlungskommission geltend gemacht wurden und dieses Verfahren gehörig fortgesetzt wurde. Ebenfalls von der zeitlichen Begrenzung ausgenommen sind Differenzansprüche aus unterkollektivvertraglicher Entlohnung. Durch die zeitliche Begrenzung der gesicherten Entgeltrückstände auf die letzten sechs Monate wird eine übermäßige Inanspruchnahme des Insolvenz-Entgelt-Fonds verhindert.
Die hier anzuwendende Fassung des § 3a Abs 1 IESG wurde mit der Novelle BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123 eingeführt. Die unverändert gebliebenen Sicherungszeiträume gelten seitdem nicht nur für das „laufende Entgelt“ bzw die Sonderzahlungen, sondern für alle Arten von Entgeltansprüchen, auch für solche Ansprüche, die nur ausnahmsweise oder einmalig gebühren. Auch die Differenzierung zwischen dem Entstehen eines Anspruchs und seiner Fälligkeit wurde beseitigt.
In der E vom 29.9.2009, 8 ObS 7/09a, hat der OGH die Sicherung einer Erfindungsvergütung, die erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses – aber vor dem Insolvenzstichtag – fällig geworden war, dem Grunde nach bejaht. Durch die Neufassung des § 3a Abs 1 IESG ist diese Judikatur jedoch obsolet geworden.
Da der sechsmonatige Sicherungszeitraum nun nicht mehr nur für das laufende Entgelt, sondern für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gilt, ist die Sicherung eines derartigen Anspruchs nicht mehr gegeben.