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Bemessung des Weiterbildungsgeldes unter Anwendung der VO (EG) 883/2004

BIRGITSDOUTZ

Der Beschwerdeführer stellte, nachdem er mit seinem AG eine Bildungskarenz vereinbart hatte, am 3.3.2014 einen Antrag auf Gewährung von Weiterbildungsgeld für den Zeitraum 20.3.2014 bis 28.2.2015. Der Beschwerdeführer war seit 1.1.2013 beim AG, mit dem er die Bildungskarenz vereinbart hatte, beschäftigt. Davor hatte er vom 15.6. bis 2.11.2009 bei einem AG in Rom und anschließend 337bis 1.11.2011 bei einem AG in Amsterdam gearbeitet. Das Arbeitsmarktservice (AMS) sprach dem Beschwerdeführer bescheidmäßig Weiterbildungsgeld zu, stellte allerdings für dessen Bemessung auf die Jahresbeitragsgrundlage aus dem Jahr 2000 ab. Die Beschwerde richtete sich gegen die Höhe des Weiterbildungsgeldes. Der Beschwerdeführer wendete ein, dass er den Antragszeitpunkt mit 3.3.2014 gewählt habe, sodass grundsätzlich die Jahresbeitragsgrundlage 2012 für die Berechnung des Weiterbildungsgeldes heranzuziehen gewesen wäre. Im Jahr 2012 sei er selbständig tätig gewesen, weshalb keine Jahresbeitragsgrundlagen vorliegen würden, sodass gem § 21 Abs 1 AlVG auf das vorangehende Jahr 2011 abzustellen gewesen wäre, in dem er in den Niederlanden beschäftigt gewesen sei. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 2.7.2014 wies das AMS die Beschwerde als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage der Beschwerde an das BVwG. Auch dieses wies die Beschwerde als unbegründet ab. Gem § 21 Abs 1 AlVG sei für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes bei Geltendmachung in der ersten Jahreshälfte das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Liege ein solches nicht vor, so sei jeweils auf die letzte Jahresbeitragsgrundlage eines vorhergehenden Jahres abzustellen. Da der Beschwerdeführer die Anwartschaft gem § 14 Abs 1 AlVG ohne Heranziehung ausländischer Beschäftigungszeiten erfülle, da er unmittelbar vor der Geltendmachung des Weiterbildungsgeldes durchgehend mehr als 52 Wochen im Inland sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, komme es auf das frühere Dienstverhältnis in den Niederlanden für die Erfüllung der Anwartschaft nicht an und sei auch das daraus erzielte Einkommen nicht maßgeblich, zumal die Berechnung nach den Regeln des § 21 Abs 1 AlVG und nicht nach jenen des § 21 Abs 7 AlVG vorzunehmen sei. Auch aus der VO (EG) 883/2004 ergebe sich, dass jedenfalls auf das Entgelt aus der inländischen Beschäftigung (unabhängig von der Dauer) abzustellen und eine zuvor ausgeübte ausländische Tätigkeit und das daraus erzielte Entgelt nicht zu berücksichtigen sei. Die Regelung des § 21 Abs 1 AlVG stelle auch keine unzulässige Beeinträchtigung der AN-Freizügigkeit dar, da nach der Rsp des VwGH beim Vorliegen ausreichender inländischer Zeiten für die Erfüllung der Anwartschaft kein Raum für die Heranziehung des Art 45 AEUV bleibe; Grund und Höhe des Anspruches seien in einem solchen Fall ausschließlich nach den betreffenden Bestimmungen des AlVG zu beurteilen.

Der Beschwerdeführer brachte gegen dieses Erk eine außerordentliche Revision beim VwGH ein und begründete diese damit, dass die Berechnung des Weiterbildungeldes der VO 883/2001 (insb Art 62) widerspreche und auch von der bisherigen Rsp des VwGH abweiche. Richtigerweise wären für die Bemessung des Weiterbildungsgeldes unter sinngemäßer Anwendung des § 21 Abs 2 AlVG nur die letzten sechs Beschäftigungsmonate heranzuziehen gewesen. Der VwGH erklärte die außerordentliche Revision für zulässig und auch für berechtigt.

Der VwGH führt in seinem Erk aus, dass das BVwG verkannt hat, dass die Bestimmung des § 21 Abs 1 AlVG durch das Unionsrecht (vor allem Art 62 der VO 883/2004) überlagert wird und sich daraus die Heranziehung einer anderen Bemessungsgrundlage ergibt. Was die Berechnung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Anwendungsbereich der VO 883/2004 betrifft, so sieht deren Art 62 Abs 1 vor, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften bei der Berechnung der Leistungen die Höhe des früheren Entgelts oder Erwerbseinkommens zugrunde zu legen ist, ausschließlich das Entgelt oder Erwerbseinkommen berücksichtigt, das die betreffende Person während ihrer letzten Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit nach diesen Rechtsvorschriften erhalten hat. Gem Art 62 Abs 2 der VO 883/2004 findet Abs 1 auch dann Anwendung, wenn nach den für den zuständigen Träger geltenden Rechtsvorschriften ein bestimmter Bezugszeitraum für die Ermittlung des als Berechnungsgrundlage heranzuziehenden Entgelts vorgesehen ist und die betreffende Person während dieses Zeitraums oder eines Teils davon den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats unterlag. Aus der VO 883/2004 ergibt sich somit für grenzüberschreitende Sachverhalte eine Sonderregelung hinsichtlich des Bezugszeitraums. Fallen in den nach den nationalen Rechtsvorschriften geltenden Bezugszeitraum auch oder nur Beschäftigungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat, so ist nicht dieser Bezugszeitraum maßgeblich, sondern ausschließlich die letzte Beschäftigung nach den Rechtsvorschriften des leistungszuständigen Mitgliedsstaats, die – abgesehen von Fällen betreffend Grenzgänger – auch erst dessen Zuständigkeit begründet.

Vorliegend sehen die österreichischen Rechtsvorschriften für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage einen bestimmten Bezugszeitraum vor, in den – nach der Regelung des § 21 Abs 1 AlVG – die in den Niederlanden zurückgelegten Beschäftigungszeiten fallen. Gem Art 62 Abs 2 iVm Abs 1 der VO 883/2004 ist daher bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht dieser Bezugszeitraum zugrunde zu legen, sondern ausschließlich jenes Entgelt zu berücksichtigen, das der Revisionswerber während seiner letzten Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften (bei der GmbH) erhalten hat. Auf welchen Entgeltzeitraum338 dabei konkret abzustellen ist (die Beschäftigung bei der GmbH begann bereits am 1.1.2013), bestimmt sich nach § 21 Abs 2 AlVG. Danach ist für den Fall, dass noch keine Jahresbeitragsgrundlagen vorliegen, für die Festsetzung des Grundbetrages das Entgelt der letzten Kalendermonate vor der Geltendmachung maßgeblich. Diese Regelung ist aufgrund ihrer „Sachnähe“ auf Fälle wie den vorliegenden zu übertragen, in dem zwar Jahresbeitragsgrundlagen vorhanden sind, auf Grund der unionsrechtlichen Vorgaben des Art 62 Abs 1 der VO 883/2004 jedoch nicht darauf abzustellen ist, sondern das zeitnächste Entgelt aus der letzten inländischen Beschäftigung maßgebend sein soll. Folglich ist gem § 21 Abs 2 AlVG das Entgelt der letzten sechs Monate unter anteiliger Berücksichtigung der Sonderzahlungen heranzuziehen.