192Härtefallregelung: Prüfung der Tätigkeiten „mit dem geringsten Anforderungsprofil“
Härtefallregelung: Prüfung der Tätigkeiten „mit dem geringsten Anforderungsprofil“
Der Kl hatte einen Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension gestellt. Mit Bescheid lehnte die bekl Pensionsversicherungsanstalt die Zuerkennung der Invaliditätspension an den Kl ab, weil keine Invalidität vorliege. Der Kl sei weiterhin in der Lage, auch das geringste Anforderungsprofil übersteigende Tätigkeiten zu verrichten, sodass kein Härtefall vorliege. Dagegen erhob der Kl Klage auf Zuerkennung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß.
Das Erstgericht hat dem Kl die Invaliditätspension zugesprochen. Der Kl sei nur mehr in der Lage, einfachste Tätigkeiten eines Bürohilfsarbeiters auszuüben. Unter diesen Umständen gelange die Härtefallregelung nach § 255 Abs 3a und 3b ASVG zur Anwendung. Das Berufungsgericht hat der Berufung der Bekl keine Folge gegeben. Gegen diese E richtet sich die Revision der Bekl, mit der diese die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt. Strittig war im Revisionsverfahren noch, ob der 1957 geborene Kl nur mehr in der Lage ist, Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet werden (§ 255 Abs 3b ASVG), auszuüben.
Der OGH hält die Revision zur Klarstellung für zulässig, jedoch nicht für berechtigt.
Das massiv eingeschränkte Leistungskalkül des Kl entsprach dem Anforderungsprofil eines Bürohilfsarbeiters, der einfachste Angestelltentätigkeiten verrichtet, nicht jedoch einer weiteren Verweisungstätigkeit.
Die einfachen Bürotätigkeiten (wie Sortier- und Kopierarbeiten, Arbeiten mit Formularen und Vordrucken, Posteingangs- und Ausgangsarbeiten, Registraturarbeiten, einfache Computereingaben etc) werden üblicherweise im Sitzen verrichtet, es kann aber die Körperhaltung vom Beschäftigten frei zwischen Stehen, Sitzen und Gehen so gewählt werden, dass die Tätigkeiten nicht mehr vorwiegend (mehr als zwei Drittel der Zeit) im Sitzen verrichtet werden müssen. Die Revisionswerberin war der Ansicht, dass bei Tätigkeiten, bei denen die freie Wahl zwischen Stehen, Sitzen und Gehen für die Ausübung möglich ist, keine Tätigkeit mit geringstem Anforderungsprofil vorlägen.
„Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil“ iSd § 255 Abs 3a Z 4 ASVG sind leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden. Tätigkeiten gelten auch dann als vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt, wenn sie durch zwischenzeitliche Haltungswechsel unterbrochen werden. Um den Anspruchsvoraussetzungen der Härtefallregelung zu genügen, darf der Pensionswerber nur mehr in der Lage sein, diese und sonst keine weiteren Verweisungstätigkeiten auszuüben. Dabei kommt es laut OGH auf deren „übliche Ausübungsform“ an. Nach den hier getroffenen Feststellungen werden die dem Kl allein noch zumutbaren einfachen Bürohilfstätigkeiten üblicherweise im Sitzen und bei durchschnittlichem Zeitdruck verrichtet. Es handelt sich daher nach ihrem Anforderungsprofil am allgemeinen Arbeitsmarkt um Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil iSd § 255 Abs 3a Z 4 iVm § 255 Abs 3b ASVG. Daran ändert der Umstand, dass die Beschäftigten die Körperhaltung beim339 Arbeiten frei zwischen Stehen, Gehen und Sitzen wählen können, nichts, weil dies Ausfluss einer individuellen Entscheidung des Beschäftigten ist, nicht aber dem festgestellten (gewöhnlichen) Anforderungsprofil von einfachen Bürohilfstätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt entspricht.
ANMERKUNG DES BEARBEITERS: Diese E stellt klar, dass eine zusätzliche Möglichkeit des Haltungswechsels bei einer Tätigkeit das Anforderungsprofil dieser Tätigkeit nicht erschweren kann. |