195Keine volle Kostenerstattung für elektive Behandlung im Ausland bei Vorhandensein einer geeigneten Behandlungsform im Inland
Keine volle Kostenerstattung für elektive Behandlung im Ausland bei Vorhandensein einer geeigneten Behandlungsform im Inland
Die Kl leidet an einem Akustikusneurinom auf der rechten Seite. Die bekl Vorarlberger Gebietskrankenkasse (VGKK) teilte ihr mit Schreiben vom 26.2.2016 mit, dass eine direkte Kostenübernahme für die Behandlung am Europäischen Cyberknife-Zentrum in München nicht in Frage komme. Ein ablehnender Bescheid über die Genehmigung der Behandlung im Ausland erging nicht (nach der Aktenlage wurde von der Kl auch kein entsprechender schriftlicher Antrag gestellt; sie hat wegen der Kostenübernahme beim chefärztlichen Dienst vorgesprochen). Am 17.3.2016 unterzog sich die Kl der Cyberknife-Behandlung im genannten Institut in München, das in keinem Vertragsverhältnis zur Bekl steht. Für diesen – ambulant durchgeführten – Eingriff hat die Kl € 7.513,18 bezahlt. Mit Bescheid vom 31.5.2016 setzte die Bekl für diese Behandlung eine Kostenerstattung in Höhe von brutto € 293,18 fest und wies das Mehrbegehren ab. Die Kl begehrt € 7.220,- an restlicher Kostenerstattung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass für das Akustikusneurinom eine ausreichende und zweckmäßige Behandlung auch in Österreich bei einem Vertragspartner der Bekl in angemessener Zeit möglich gewesen wäre; die Behandlungsergebnisse seien bei allen Systemen gleich effizient. Die in Österreich noch nicht angebotene Cyberknife-Behandlung sei die modernste Behandlungsmethode.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.
Das Revisionsvorbringen der Kl läuft darauf hinaus, dass bei Inanspruchnahme eines ausländischen Wahlarztes – anders als bei Inanspruchnahme eines inländischen Wahlarztes (§ 131 Abs 1 ASVG) – 100 % der tatsächlichen Kosten einer elektiven Behandlung erstattet werden müssten, weil ansonsten eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit sowie eine „Inländerdiskriminierung“ vorliege.
Dass dieser Standpunkt im europäischen koordinierten Sozialrecht nicht begründet ist, haben die Vorinstanzen bereits ausführlich herausgearbeitet. Es trifft zu, dass der Grundsatz der freien Arztwahl nicht auf inländische Ärzte beschränkt ist. Solange der Krankenversicherungsträger im Inland eine zweckmäßige und ausreichende Krankenbehandlung zur Verfügung stelle, hat er seiner Verpflichtung zur Sachleistungsvorsorge entsprochen und es besteht kein Anspruch auf Ersatz der tatsächlichen Kosten einer medizinisch gleichwertigen Therapie im Ausland.
Das Recht auf Inanspruchnahme einer medizinischen Dienstleistung im Ausland wurde der Kl nach ihrem eigenen Vorbringen nicht verwehrt. Ihrem Kostenerstattungsbegehren steht entgegen,341dass sie als in Österreich Versicherte Anspruch auf Erstattung der Kosten der Leistung im ausländischen Mitgliedstaat nur in Höhe der Sätze hat, die der zuständige Versicherungsträger nach dem für ihn geltenden Recht zu zahlen gehabt hätte: Es kann somit auf der Grundlage der Dienstleistungsfreiheit (Art 56 AEUV) zwar ein im innerstaatlichen Krankenversicherungsrecht entstandener Anspruch mit Hilfe von Leistungserbringern in einem anderen Mitgliedstaat realisiert werden; die Kostenerstattung und ihre Begrenzung sind aber nach dem jeweils nationalen Recht zu beurteilen. Lässt sich ein Versicherter ohne vorherige Genehmigung in einem anderen Mitgliedstaat medizinisch behandeln, so muss er gewärtigen, dass ihm allenfalls eine erhebliche finanzielle Eigenbelastung entsteht.
Inwiefern eine Inländerdiskriminierung darin liegen soll, dass im Fall einer Auslandskrankenbehandlung im EU-Raum nicht 100 % der tatsächlichen Behandlungskosten erstattet werden, ist für den OGH nicht nachvollziehbar. Es ist allein Sache der Mitgliedstaaten, den Umfang des Krankenversicherungsschutzes für jene Versicherten zu bestimmen, die sich ohne vorige Genehmigung zur elektiven medizinischen Versorgung in einen anderen Mitgliedstaat begeben.