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Kein Anspruch auf Pflegegeld für serbische Staatsbürgerin mit „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“

URSULAJANESCH

Die Kl ist serbische Staatsbürgerin ohne österreichische Grundleistung mit einem befristeten Aufenthaltstitel („Rot-Weiß-Rot-Karte plus“). Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH war ein Antrag auf Pflegegeld, welcher seitens der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) mit dem Argument abgelehnt wurde, dass die Kl keinen der in § 3a Abs 2 Z 4 BPGG genannten Aufenthaltstitel344 innehabe und daher nicht anspruchsberechtigt sei.

Seitens des Erstgerichts wurde die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl keine Folge. Es bestätigte mit Hinweis auf die taxative Aufzählung in § 3a Abs 2 Z 4 BPGG die Rechtsansicht der PVA. Darüber hinaus befasste es sich mit der Frage, ob die Kl eine Gleichstellung mit österreichischen StaatsbürgerInnen durch Staatsverträge gem § 3a Abs 2 Z 1 BPGG erlangen könne. Da das Abkommen über soziale Sicherheit zwischen Österreich und Serbien (AbkSozSi-Serbien, BGBl III 2012/155BGBl III 2012/155) gem Art 2 allerdings nur Leistungen der KV umfasst, wurde seine Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt verneint.

Der OGH erklärte die Revision für zulässig, aber nicht für berechtigt. Da die Kl keine österreichische Staatsbürgerin ist und auch keine österreichische Grundleistung erhält, könnte ein Anspruch auf Pflegegeld nur gem § 3a Abs 2 BPGG bestehen, der bestimmte Personengruppen österreichischen StaatsbürgerInnen gleichgestellt. Ob diese Bestimmung gegen Unionsrecht, konkret gegen Art 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) verstößt, wurde im vorliegenden Fall nicht geprüft, da es sich nicht um einen Anwendungsfall des Unionsrechts handelt. Die Kl ist weder Unionsbürgerin, noch sind im vorliegenden Sachverhalt zwei oder mehrere Mitgliedstaaten der EU involviert.

Darüber hinaus liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gem Art 7 B-VG oder gegen das Gleichbehandlungsgebot gem Art 14 EMRK vor. § 3a Abs 2 BPGG stellt eine anspruchserweiternde Bestimmung dar, weil sie den Kreis der anspruchsberechtigten Fremden, denen keine Grundleistung gem § 3 Abs 1 und 2 BPGG zusteht, auch in Z 4 ausdehnt, nämlich auf Personengruppen, die einen bestimmten Aufenthaltstitel vorweisen können, der ihnen einen privilegierten Status einräumt. Inwiefern der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlichen Spielraum dadurch verletzt haben sollte, dass er über den Kreis der Inhaber bestimmter privilegierter – auch befristeter – Aufenthaltstitel hinaus keine Anspruchsberechtigung auf Pflegegeld für Fremde ohne Grundleistung eröffnet, zeigt die Revisionswerberin nicht auf.

Hinsichtlich des AbkSozSi-Serbien bestätigte der OGH die Rechtsansicht des Berufungsgerichts: Pflegegeld ist keine Leistung der KV; demnach ergibt sich kein Anspruch aus § 3a Abs 2 Z 1 BPGG, wonach Fremde, die nicht unter § 3a Abs 2 Z 2–4 BPGG fallen, den österreichischen StaatsbürgerInnen gleichgestellt sind, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen ergibt.

ANMERKUNG DER BEARBEITERIN:
In der E vom 30.7.2019, 10 ObS 86/19y, hatte sich der OGH mit einem fast gleich gelagerten Sachverhalt und daraus resultierend mit denselben Rechtsfragen zu befassen. Der Kl ist serbischer Staatsbürger ohne österreichische Grundleistung und hat den Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung-Angehöriger“, welcher ebenfalls nicht von der taxativen Aufzählung des § 3a Abs 2 Z 4 BPGG umfasst ist. Die Revision des Kl wurde mit Hinweis auf die OGH-E 10 ObS 68/19a zurückgewiesen.