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Zeiten des Präsenzdienstes: Keine tatsächliche Ausübung einer kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG

MAGDALENAMISSBICHLER

§ 2 Abs 1 Z 5 Familienzeitbonusgesetz (Fam-ZeitbG) erfordert wie § 24 Abs 2 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) die tatsächliche Ausübung einer in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Tätigkeit. Diese Voraussetzung ist während der Ableistung des Präsenzdienstes nicht erfüllt.

SACHVERHALT

Der Kl ist Vater seiner am 27.9.2017 geborenen Tochter, seit 16.2.2009 ist er bei einem privaten Unternehmen beschäftigt. Von 9.1. bis 19.6.2017 absolvierte er seinen Präsenzdienst. Am 17.10.2017 beantragte er die Leistung nach dem FamZeitbG für den Zeitraum von 9.10. bis 8.11.2017.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid vom 16.11.2016 lehnte die bekl Gebietskrankenkasse den Antrag des Kl ab. Die Vorinstanzen wiesen die gegen diese E gerichtete Klage ab. Der Familienzeitbonus stehe gem § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nur tatsächlich erwerbstätigen Vätern zu, wobei das Erwerbstätigkeitserfordernis der Legaldefinition des § 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 erster Satz KBGG entspreche; die Ableistung des Präsenzdienstes stelle keine tatsächliche Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gem § 24 KBGG dar. Der OGH ließ die Revision wegen des bisherigen Fehlens einer höchstgerichtlichen Stellungnahme zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG zu. Allerdings ist die Revision nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„3. Der Oberste Gerichtshof hat zu 10 ObS 57/12y (SSV-NF 26/59) bereits zur Frage der Qualifikation des Präsenzdienstes als Erwerbstätigkeit im Sinn des § 24 KBGG Stellung genommen und eine Qualifikation von Zeiten der Leistung des Präsenzdienstes als Erwerbstätigkeit im Sinn der genannten Bestimmung abgelehnt. Abgestellt wurde darauf, dass die – durch das aufrechte Dienstverhältnis begründete – Beitragspflicht des Versicherten und seines Dienstgebers in der Krankenversicherung gemäß § 56a Abs 1 ASVG während des Präsenzdienstes ruht, während die (durch das Dienstverhältnis begründete) Pflichtversicherung in der Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 12 Abs 6 ASVG mit dem Antritt des Präsenzdienstes endet. Aus § 232 Abs 1 ASVG wurde weiters abgeleitet, dass die gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit d sublit aa oder bb ASVG während der Leistung des Präsenzdienstes erworbenen Zeiten einer Teilversicherung nicht als Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit behandelt werden.

[...]

5. § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG erfordert daher, ebenso wie § 24 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53die tatsächliche Ausübung einer in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Tätigkeit (RS0128183). Diese Voraussetzung ist während der Ableistung des Präsenzdienstes nicht erfüllt.

[...]

7.1. Gemäß § 2 Abs 7 FamZeitbG gelten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem Väter-Karenzgesetz (VKG) bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes als der Ausübung einer kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt.

7.2. Diese Bestimmung ist offenkundig § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG nachgebildet. [...]

7.3. Der Revisionsrekurswerber leitet aus der Zusammenschau dieser Bestimmungen eine durch Analogieschluss zu füllende planwidrige Lücke des § 2 Abs 1 Z 7 FamZeitbG ab. Er argumentiert, Zeiten der Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung 349 einer Erwerbstätigkeit wegen der Ableistung des Präsenzdienstes müssten der Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit wegen Eintritts des Beschäftigungsverbots nach dem MSchG gleichstehen.

[...]

7.5. Eine derartige Lücke liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Erwerbstätigkeitserfordernis des § 24 KBGG bereits zweimal mit der Anregung konfrontiert wurde, eine Regelung zu treffen, die einen Anspruchsverlust durch die Ableistung des Präsenz- oder Zivildiensts verhindere [...], dies aber nicht zum Anlass nahm, in § 24 KBGG oder § 2 Fam-ZeitbG eine Regelung für die Leistung des Präsenz- oder Zivildienstes zu treffen. Dies lässt aber nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den ungeregelten Fall – die Leistung des Präsenzdienstes innerhalb des Zeitraums von 182 Tagen unmittelbar vor Beginn des Antragszeitraums – bewusst anders als den geregelten Fall entschieden wissen wollte (vgl RS0008870 [T7]), sodass keine planwidrige Lücke vorliegt.“

ERLÄUTERUNG

Der Familienzeitbonus ermöglicht Vätern eines nach dem 28.2.2017 geborenen Kindes, ihre bisherige Erwerbstätigkeit für eine „Familienzeit“ im Ausmaß von 28 bis 31 Tagen unter Bezug eines Familienzeitbonus iHv € 22,60 pro Tag zu unterbrechen. Eine der Grundvoraussetzungen für diesen Anspruch ist gem § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG, dass der Vater „in den letzten 182 Tagen unmittelbar vor Bezugsbeginn durchgehend eine in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat“. Zentrale Frage der vorliegenden E war, ob die Ableistung des Präsenzdienstes als eine derartige Erwerbstätigkeit angesehen werden kann.

Der OGH verweist in dieser Hinsicht – wie im Allgemeinen auch die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2) – auf die Definition der Erwerbstätigkeit in § 24 Abs 2 KBGG, die für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld – beinahe wortgleich – ebenso eine „sozialversicherungspflichtige (kranken- und pensionsversicherungspflichtige)“ Erwerbstätigkeit als Bezugsvoraussetzung normiert.

In der E, OGH vom 10.9.2012, 10 ObS 57/12y, stellte das Höchstgericht bei der Auslegung des (damals noch ohne Legaldefinition geführten und lediglich auf die „Sozialversicherungspflicht“ abstellenden) Erwerbstätigkeitsbegriffes des KBGG idF BGBl I 2013/117BGBl I 2013/117schlicht auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ab, die der Sozialversicherungspflicht unterliegt. MaW stellte es sich also lediglich die Frage, ob aufgrund der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit eine Verpflichtung zur Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen bestand.

Hinsichtlich der KV der Präsenzdiener normiert die Regelung des § 56a ASVG ein Ruhen der Beitragspflichten des Versicherten und seines DG für die Dauer des Präsenzdienstes. Was die UV und PV betrifft, bestimmt schließlich § 12 Abs 6 ASVG grundsätzlich, dass die diesbezügliche Pflichtversicherung mit dem Antritt des Präsenzdienstes endet. Allerdings enthält diese Bestimmung auch eine Ausnahme für die PV von Personen, die gem § 8 Abs 1 Z 2 lit d ASVG Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten. Die dadurch entstehenden Zeiten der Teilversicherung sind allerdings gem § 232 Abs 1 ASVG nicht als „Beitragsmonate der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit“ zu qualifizieren, woraus der OGH letztlich das Nichtvorliegen einer „sozialversicherungspflichtigen“ Erwerbstätigkeit ableitete.

Obwohl § 24 Abs 2 KBGG bis zu seiner Novellierung mit dem BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53tatsächlich nur von einer „sozialversicherungspflichtigen“ Erwerbstätigkeit ausging und die nähere Konkretisierung auf „kranken- und pensionsversicherungspflichtige“ Erwerbstätigkeiten noch nicht enthielt, ändert die Einfügung dieser Legaldefinition nach Ansicht des OGH nichts an der anzuwendenden Rechtslage. Die erörterte, zur alten Fassung des KBGG ergangene Judikatur könne vielmehr auch im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG zur Anwendung kommen.

Darüber hinaus verneinte der OGH auch das Vorliegen einer mittels Analogie zu schließenden planwidrigen Lücke in § 2 Abs 7 FamZeitbG. Der Kl vertrat dahingehend die Ansicht, dass durch Ableistung des Präsenzdienstes verursachte Zeiten der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit dem Fall des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG, wonach Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG den Zeiten der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit gleichzustellen sind, entspreche. Dem hielt das Gericht jedoch entgegen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich des Erwerbstätigkeitserfordernisses des KBGG von Seiten der Arbeiterkammer und des ÖGB schon mehrfach mit der Problematik des Anspruchsverlusts bei Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes konfrontiert wurde. Eine entsprechende Anpassung des § 24 KBGG bzw des § 2 Abs 7 FamZeitbG ist dennoch nicht erfolgt, was den Schluss nahelege, dass gerade keine planwidrige Lücke, die es mittels Analogie zu schließen gelte, vorliege.

Der OGH sprach sich in der vorliegenden E im Übrigen auch gegen die Annahme einer Gleichheitswidrigkeit des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG aus. Zwar seien Frauen, die gem § 144 Abs 2 ABGB als Elternteil 350und damit auch gem § 2 Abs 5 FamZeitbG als Vater gelten, nicht von der auf männliche Staatsbürger beschränkten Wehrpflicht und dem damit verbundenen drohenden Anspruchsverlust auf Familienzeitbonus betroffen. Da die Anordnung der Wehrpflicht und die damit einhergehende Differenzierung zwischen Männern und Frauen im Verfassungsrang steht, bestünden aber keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des FamZeitbG. In diesem Zusammenhang verwies der OGH auf die bereits in der E vom 25.6.2013, 10 ObS 76/13v, erfolgte Klarstellung, dass in Hinblick auf die Einkommensersatzfunktion des Kinderbetreuungsgeldes gem § 24 KBGG das Vorsehen einer Mindestdauer tatsächlich ausgeübter Erwerbstätigkeit durchaus sachgerecht sei. Da der Familienzeitbonus eine ähnliche Einkommensersatzfunktion erfülle, sei dieses Erfordernis auch für den Anwendungsbereich des FamZeitbG sachlich gerechtfertigt.