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Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für nicht verheiratete Eltern ohne gemeinsamen Wohnsitz

KRISZTINAJUHASZ

Der Kl und seine Lebensgefährtin sind Eltern des am 25.2.2017 geborenen Kindes. Sie haben keinen gemeinsamen Wohnsitz, teilen sich aber die Obsorge für das Kind. Das Kind wird hauptsächlich im Haushalt der Mutter betreut. Das Kind war von 27.12.2017 bis 1.3.2018 an der Adresse des Vaters (davor an der Adresse der Mutter) hauptwohnsitzlich gemeldet. Der Kl war im Anspruchszeitraum in Karenz und hat an seiner Wohnadresse von 27.12.2017 bis 1.3.2018, somit 65 Tage lang, das Kind ganztägig gepflegt und betreut. Die Mutter war während dieser Zeit vollzeitbeschäftigt. Der Kl bezog für die Monate Jänner und Februar 2018 die Familienbeihilfe.

Gegenstand des Revisionsverfahrens war die Rückforderung des dem Kl von 25.12.2017 bis 24.1.2018 als Ersatz des Erwerbseinkommens gewährten Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von € 4.092,-.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren – der Rückforderungsanspruch bestehe nicht zu Recht – statt. Die Anspruchsvoraussetzung einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft (§ 2 Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 KBGG) sei erfüllt, auch wenn der Kl und das Kind nur für 65 Tage, und nicht zumindest 91 Tage in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, andernfalls wäre es getrennt lebenden Elternteilen verwehrt, die Mindestbezugsdauer von 61 Tagen in Anspruch zu nehmen. Die gemeinsame Obsorge mit der Mutter reiche zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 8 KBGG aus, selbst wenn das Kind dem Haushalt der Mutter als Domizil-Elternteil zugeordnet ist. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

In der außerordentlichen Revision der Bekl verwies der OGH auf die jüngst ergangene E vom 26.3.2019, 10 ObS 17/19a, wonach bei getrennt lebenden Elternteilen eine „dauerhafte“ Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft iSd § 2 Abs 6 KBGG an derselben Wohnadresse auch dann als erfüllt anzusehen ist, wenn die Dauer (im sogenannten Verlängerungszeitraum) nur zwei Monate beträgt und das Kind anschließend wieder in den Haushalt der Mutter zurückkehrt. In der Entscheidungsbegründung von 10 ObS 17/19a wurde festgehalten, dass der Gesetzesbegriff „dauerhaft“ in § 2 Abs 6 KBGG ein unbestimmter sei, dessen Inhalt im Wege der Auslegung zu ermitteln ist. Selbst wenn die reine Wortinterpretation darauf hindeuten könnte, dass eine bloß zweimonatige Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft nur „vorübergehend“ sei, stünde diese Auslegung, bei Berücksichtigung des Bedeutungszusammenhangs, in Widerspruch zu § 5 Abs 3 und 4 KBGG sowie zu § 24b KBGG. Das Ziel der Novelle 2009 – nämlich, durch die zweimonatige Mindestbezugsdauer, die Inanspruchnahme vor allem für Väter zu erleichtern und eine flexiblere Handhabung zu ermöglichen (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 4) – würde unterlaufen, wenn bei getrennt lebenden Elternteilen ein gemeinsamer Haushalt – während der auf zwei Monate reduzierten Mindestbezugsdauer – zur Begründung einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ nicht ausreichen sollte. Es wäre dadurch getrennt lebenden Elternteilen ganz allgemein verwehrt, die Mindestbezugsdauer in Anspruch zu nehmen. Diese Aussagen treffen in gleicher Weise auf den vorliegenden Sachverhalt zu.

Auch mit dem Vorbringen, dass bei Obsorge beider, aber getrennt lebender Elternteile, könne nur jener Elternteil die Anspruchs voraussetzungen erfüllen, dessen Wohnsitz im anspruchsrelevanten Zeitraum als hauptsächlicher Aufenthaltsort des Kindes („Heim erster Ordnung“) festgelegt sei, wurde keine erhebliche Rechtsfrage angesprochen.

Nach § 2 Abs 8 KBGG muss bei getrennt lebenden Eltern der antragstellende Elternteil, der mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, obsorgeberechtigt sein. § 2 Abs 8 KBGG stellt seinem Wortlaut nach auf die Obsorgeberechtigung ab, sodass im Fall der Vereinbarung der Obsorge beider Eltern und der Feststellung des Haushalts der hauptsächlichen Betreuung bei einem „Domizil“-Elternteil auch der andere Elternteil anspruchsberechtigt 351sein kann. Somit ist schon nach dem Gesetzeswortlaut die Frage zu verneinen, ob bei getrennt lebenden Elternteilen, zur Obsorge beider Eltern – als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für das Kinderbetreuungsgeld – auch noch der Wohnsitz des Anspruchswerbers als hauptsächlicher Aufenthaltsort des Kindes festgelegt sein muss.