205Kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld – Ungleichbehandlung von Ausländern und Staatenlosen in Ausschlussbestimmung des IAEO-Amtssitzabkommens zulässig
Kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld – Ungleichbehandlung von Ausländern und Staatenlosen in Ausschlussbestimmung des IAEO-Amtssitzabkommens zulässig
Die Ehegattin des Kl ist österreichische Staatsbürgerin und Angestellte der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien. Für das am 30.5.2017 geborene gemeinsame Kind bezog sie von 1.10. bis 31.12.2017 Kinderbetreuungsgeld. Der Kl, ein nigerianischer Staatsbürger, beantragte am 22.11.2017 die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 1.1. bis 29.5.2018. Diesen Antrag lehnte die bekl Wiener Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 23.3.2018 ab.
Die gegen diese E gerichtete Klage wurde von den Vorinstanzen abgewiesen. Der OGH wies die vom Kl erhobene außerordentliche Revision zurück.
Grundsätzlich hat ein Elternteil gem § 2 Abs 1 Z 1 KBGG Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind, wenn für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) besteht und diese für das betreffende Kind tatsächlich bezogen wird. Art X Abschnitt 26 Abs 3 IAEO-Amtssitzabkommen sieht jedoch vor, dass Personen, auf die sich dieses Abkommen bezieht, welche jedoch weder österreichische StaatsbürgerInnen noch Staatenlose mit Wohnsitz in der Republik Österreich sind, keinen Vorteil aus den österreichischen Bestimmungen über Familienbeihilfe und Geburtenhilfe ziehen. Diese Ausschlussbestimmung betrifft in gleicher Weise die Anspruchsberechtigung von im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitgliedern von IAEO-Angestellten und genießt Anwendungsvorrang gegenüber den allgemeinen Bestimmungen des FLAG hinsichtlich der Gewährung von Familienbeihilfe.
Der (in Hinblick auf das Kinderbetreuungsgeld) antragsstellende Elternteil muss zwar grundsätzlich nicht selbst BezieherIn der Familienbeihilfe sein, wenn der andere Elternteil diese bezieht – dies gilt jedoch nicht, wenn der antragsstellende Teil durch ein Amtssitzabkommen mit einer internationalen Organisation vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen ist.
Auch mit dem weiteren Revisionsvorbringen, im Fall der Verneinung des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld wäre eine Verletzung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte gemäß dem BVG Rassendiskriminierung (BGBl 1973/390) gegeben, weil der Kl als nigerianischer Staatsbürger durch Art X Abschnitt 26 Satz 3 des IAEO-Abkommens gegenüber staatenlosen Personen diskriminiert sei, wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt: Durch das BVG Rassendiskriminierung wurde der Gleichheitssatz auf das Verhältnis von Ausländern untereinander – und somit auch auf die als Fremde geltenden Staatenlosen – ausgedehnt. Eine solche Ungleichbehandlung ist aber soweit zulässig, als hierfür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Die vielfältigen nachteiligen Rechtsfolgen der Staatenlosigkeit stellen eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Staatenlosen im Vergleich zu Fremden dar, die über eine Staatsbürgerschaft verfügen. Dies trifft auch in Bezug auf Art X Abschnitt 26 des IAEO-Amtssitzabkommens zu.
Der Kl als nigerianischer Staatsbürger und im gemeinsamen Haushalt mit einer Angestellten der IAEO lebendes Familienmitglied ist daher von den Leistungen für Familienbeihilfe – und somit auch vom Bezug von Kinderbetreuungsgeld – ausgeschlossen.