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Persönlicher Anwendungsbereich des UNIDO-Amtssitzabkommens und Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld

KRISZTINAJUHASZ
UNIDO-Amtssitzabkommen; KBGG

Die Kl beantragte anlässlich der Geburt ihrer Tochter die Zuerkennung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes vom 28.2.2012 bis 27.2.2013. Sie erhielt zunächst die beantragte Leistung. Die Kl war während des hier relevanten Zeitraums albanische Staatsangehörige und verfügte über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“. Die Kl schloss mit der UNIDO einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen für den Zeitraum vom 3.9. bis 31.12.2012. Das der Kl für die gesamte Vertragsdauer zustehende Entgelt von insgesamt € 9.300,- war nicht nach Stunden bemessen; sie erhielt für jeden Kalendermonat € 2.325,- ohne Abzug von Steuern, sonstigen Abgaben oder Sozialversicherungsbeiträgen ausgezahlt.

Der Kl wurde zuerst auch die Familienbeihilfe vom 1.9. bis 31.12.2012 gewährt; diese wurde aber vom zuständigen Finanzamt zurückgefordert. Die Kl erhob dagegen Berufung, wodurch der Rückforderungsbescheid schließlich aufgehoben wurde.

Mit Bescheid widerrief die Bekl die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum vom 1.9. bis 31.12.2012 und verpflichtete die Kl zur Rückzahlung mit der Begründung, dass die Kl bei der UNIDO beschäftigt gewesen sei und somit als drittstaatsangehörige Angestellte der UNIDO keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld habe.

In der Klage brachte die Kl vor, dass die Grundlage für einen Ausschluss von Familienleistungen gem § 30 Abs 2 KBGG fehle, sowie, dass sie aufgrund der RL 2003/109/EG als unionsrechtlich Aufenthaltsberechtigte österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sei. Die Kl führte aus, dass sie nicht den Status einer „Angestellten der UNIDO“ iSd UNIDO-Amtssitzabkommens, vielmehr den Status einer Konsulentin – die auf Projektbasis beschäftigt sei – innehabe. Als solche habe sie keinen Anspruch auf die, den Angestellten der UNIDO von der UNIDO gewährten Familienleistungen.

Das Erstgericht wies die Klage im Wesentlichen ab und verpflichtete die Kl zur Rückzahlung des geleisteten Kinderbetreuungsgeldes von € 3.960,-. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts.

Der OGH hält die dagegen erhobene Revision der Kl für zulässig und berechtigt.

Der OGH verwies auf die Rsp, dass vergleichbare Ausschlussklauseln – in Amtssitzabkommen zwischen internationalen Organisationen und der Republik Österreich – dem Anspruch der von der Ausschlussklausel erfassten Personen auf Kinderbetreuungsgeld entgegenstehen. Zu OGHvom 28.1.2014, 10 ObS 170/13t, stellte der Senat, klar, dass im – mit dem UNIDO-Amtssitzabkommen vergleichbaren – IAEO-Amtssitzabkommen enthaltene Ausschlussklauseln eine ergänzende Spezialnorm für einen bestimmten Personenkreis darstellt, die nicht durch nationale Regelungen, wie jene des KBGG, außer Kraft gesetzt werden sollte (so auch OGH 25.6.2019, 10 ObS 63/19s; OGH 23.4.2014, 10 ObS 40/14a).

Der OGH führte aus, dass der vorliegende Fall sich dennoch von den bisher vom OGH entschiedenen Fällen dadurch unterscheidet, dass hier strittig ist, ob die Kl als „Angestellte der UNIDO“ zu qualifizieren und als solche vom persönlichen Anwendungsbereich der Ausschlussbestimmung im Amtssitzabkommen erfasst ist.

Die Materialien zur Genehmigung des UNIDO-Amtssitzabkommens nehmen ausdrücklich zur Legaldefinition der „Angestellten der UNIDO“ des Abkommens Stellung. Demnach umfasst der dort definierte Begriff den Personenkreis, wie er im Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen mit dem Begriff „Beamte“ umschrieben ist. Abschnitt 17 dieses Abkommens regelt in seinem ersten Teil die Kategorisierung der Beamten („officials“). Auf Grundlage dieser Bestimmung hat der Generalsekretär bis dato zwei Kategorien von Beamten bestimmt („staff members“ und „non staff members“). Für die Zugehörigkeit zur Gruppe derstaff members“ kommt es auf die Ernennung durch den Generalsekretär an. Der Gründungsvertrag der UNIDO sieht demgegenüber vor, dass das Personal vom Generaldirektor ernannt wird. Somit ist das Erfordernis der Mitteilung der Namen der „Beamten“ gem Art 17 des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der dieser Personengruppe eingeräumten Privilegien und Immunitäten. Allerdings sind die dargestellten Ausführungen aufgrund des gleichlautenden Verständnisses (ErläutRV 669 BlgNR 20. GP 33) des Begriffs der „officials“ in Art 17 des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen und in Art I Abschnitt 1 lit h UNIDO-Amtssitzabkommen („officials of the UNIDO“ bzw „Angestellte der UNIDO“) auch für die Auslegung des UNIDO-Amtssitzabkommens anwendbar.

Daraus folgt im Ergebnis, dass die Kl mit der UNIDO einen als „Individual Service Agreement“ bezeichneten Vertrag schloss, wonach sie als „International Consultant355tätig sein sollte. Der Status der Kl war im Vertrag ausdrücklich festgelegt, indem ihr die Stellung eines „individual contractor“, nicht aber jene eines „staff members“ zukam. Dass aus einer solchen Funktion noch nicht die Zugehörigkeit zum Personenkreis der „Angestellten der UNIDO“ folgt, wurde seitens der UNIDO mit Verbalnote bekräftigt. Darin wurde auch darauf hingewiesen, dass die Begründung des Status als „Angestellte der UNIDO“ einer Bestellung durch den Generaldirektor der UNIDO bedarf. Die dem Vertrag allenfalls folgende Steuerpflicht der Kl war weder Gegenstand des Verfahrens, noch kann die Qualifikation des Vertragsverhältnisses zur UNIDO davon abhängen. Die Kl war somit nicht als „Angestellte der UNIDO“ iSd UNIDO-Amtssitzabkommens zu qualifizieren und fällt daher für den Zeitraum ihrer Tätigkeit für die UNIDO nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der Ausschlussbestimmung des Amtssitzabkommens. Aus dieser Bestimmung konnte daher für den hier zu beurteilenden Zeitraum kein Ausschluss der Kl vom Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld abgeleitet werden.

Dass die Kl für den Zeitraum vom 3.9. bis 31.12.2012 die übrigen Voraussetzungen für den Bezug des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes gem § 2 KBGG erfüllt, war im Revisionsverfahren nicht strittig.

Der Revision der Kl war daher Folge zu geben, die Entscheidungen der Vorinstanzen waren im klagestattgebenden Sinn abzuändern.