Wissen ist Macht – Informationsrechte des Betriebsrats

RUTHETTL

Um Zusammenhänge verstehen, mitreden und mitgestalten zu können, braucht es zuallererst Informationen. Gerade der BR als demokratisch legitimiertes Sprachrohr der Belegschaft eines Betriebes ist aufgrund des in der Arbeitswelt herrschenden Machtungleichgewichts auf Informationen angewiesen, um seine Aufgaben wahrnehmen zu können.

Diesem Informationsbedürfnis stehen in der Praxis oft Geheimhaltungsinteressen der Geschäftsleitung entgegen. In der Praxis berufen sich AG auch immer wieder auf das Datenschutzrecht, um dem BR die Wahrnehmung seiner Rechte zu erschweren bzw zu verhindern. Hier ist jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass die Mitwirkungsbefugnisse des BR nach dem 3. Hauptstück des ArbVG durch das Datenschutzrecht nicht beschnitten werden.*

In diesem Spannungsverhältnis sind Informationsrechte essentiell, um der Belegschaft zu ermöglichen, auf betriebliche Entwicklungen zu reagieren, diesbezügliche Auswirkungen abzuklären und Vorschläge zu erstatten.* Das aktive Bemühen um Informationen ist somit wesentlicher Teil der täglichen Betriebsratsarbeit. „Die Auskunfts- und Informationsrechte stehen eigenständig neben den sonstigen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen, sie sind Grundlage für die Ausübung sämtlicher sonstiger betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse. Ohne entsprechende Information wäre eine auch nur einigermaßen effektive Durchführung der gesetzlichen Betriebsverfassung nicht denkbar (Jabornegg/Rebhahn,

).“* Informationsrechte dienen somit der Erreichung des in § 39 ArbVG* normierten Ziels, nämlich der Herbeiführung eines Interessenausgleiches zum Wohl der AN und des Betriebes. Dieser Interessenausgleich „erfordert als eine wesentliche Voraussetzung so etwas wie eine informationelle Waffengleichheit (Parität) zwischen den Betriebspartnern“.*

Es gibt verschiedenste Informationsrechte des BR, einige sind explizit als solche benannt, andere ergeben sich aus dem logischen Zusammenhang mit anderen Mitwirkungsrechten. Im Rahmen dieses Beitrages ist deshalb nur ein grober Überblick möglich.

1.
Allgemeines zu den Informationsrechten
1.1.
Wer ist zu informieren?

Der BR ist ein Kollegialorgan. Grundsätzlich wird der BR durch den/die Betriebsratsvorsitzende/n (BRV) nach außen vertreten, deshalb ist auch diese/r zu informieren (§ 71). Bei Verhinderung des/der BRV ist der/die StellvertreterIn zu informieren. In Einzelfällen kann der BR die Vertretung nach außen auch an einzelne Betriebsratsmitglieder übertragen. Die Abgrenzung der Zuständigkeit für Mitwirkungsrechte der verschiedenen Organe (BR, Zentralbetriebsrat [ZBR] etc) richtet sich nach den §§ 113 und 114.

1.2.
Wer muss tätig werden?

Von echten Informationsrechten spricht man, wenn der Betriebsinhaber (BI) dem BR die Informationen unaufgefordert zur Verfügung stellen muss. Es gibt aber auch einige Informationsrechte, die erst durch das Verlangen des BR ausgelöst werden (auch „Auskunftsrechte“ genannt).

1.3.
Rechtsfolgen und Rechtsbehelfe bei Verletzung von Informationsrechten

Der BR kann seine Auskunfts‑ und Informationsrechte gem § 50 Abs 2 ASGG mit Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht (ASG) geltend machen.* In bestimmten Fällen können diese Rechte auch mittels einstweiliger Verfügung gem § 381 EO durchgesetzt werden.* Wenn etwa zu einem späteren Zeitpunkt keine Information 360 mehr erteilt werden bzw die Information ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann, kommt ein vorläufiges Verbot bestimmter Handlungen durch den BI in Frage, solange der BR die Informationen nicht erhalten hat. Falls der BI auch dem Gerichtsurteil nicht nachkommen sollte, könnte das Informations-/Auskunftsrecht mittels Beugestrafe erzwungen werden.

An die Verletzung der Informationsrechte des BR sind verschiedene Rechtsfolgen geknüpft, wie etwa in bestimmten Fällen Verwaltungsstrafen gem § 160 von bis zu € 2.180,- Geldstrafe. Der Strafantrag muss vom BR binnen sechs Wochen ab Kenntnis von Übertretung und TäterIn bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde gestellt werden.

2.
Keine Überwachung ohne Information (§ 89)

Grundsätzlich ist zu betonen, dass der BR vom BI jene Informationen erhalten muss, die notwendig sind, um die Betriebsratsaufgaben effektiv ausüben zu können. In der Praxis haben die im Gesetz aufgegliederten Überwachungs-, Interventions-, Informations- und Beratungsrechte fließende Übergänge.

Das Überwachungsrecht des BR ist umfassend mittels einer Generalklausel umschrieben und durch eine nicht abschließende Aufzählung einzelner Überwachungsbefugnisse (Z 1 bis 4) ergänzt. Die tatsächliche Ausübung des Überwachungsrechts ist von Informations- und Auskunftsrechten abhängig und diese sind somit daraus ableitbar. Bspw hat der BR gem Z 3 die Durchführung und Einhaltung der Vorschriften über die SV zu überwachen und muss somit die An- und Abmeldung zur SV kontrollieren können.

2.1.
Generalklausel (Satz 1)

Der BR hat ein umfassendes Überwachungsrecht und auch eine Pflicht bezüglich der Einhaltung aller die AN berührenden Rechtsvorschriften (zB Arbeits-, Steuer- oder Sozialversicherungsrecht). Es kommt daher nicht darauf an, ob sich solche Normen aus Gesetz, Verordnung, KollV, Satzung, Mindestlohntarif oder Betriebsvereinbarungen, Bescheid oder Einzelarbeitsvertrag, oder etwa aus schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen BR und BI ergeben.*

2.2.
Einsichtsrecht (Z 1)

Der BR hat das Recht, in die vom Betrieb geführten Aufzeichnungen über die Bezüge (Entgelte und Aufwandsentschädigungen) der AN und die zur Berechnung dieser Bezüge erforderlichen Unterlagen (bspw Lohn- und Gehaltslisten,* Einstufung, geleistete Überstunden) auf Verlangen Einsicht zu nehmen, sie zu überprüfen und die Auszahlung zu kontrollieren. Das Recht auf Einsichtnahme in die Gehaltsunterlagen wird auch auf andere, die AN betreffende Aufzeichnungen ausgedehnt, sofern deren Kenntnis für den BR zu einer zweckentsprechenden Ausübung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse nötig ist.* Die Einsicht ist unabhängig von der Zustimmung des/der betroffenen AN zu gewähren. Dies hat der OGH schon im Jahr 2014 entschieden, da es sich bei § 89 Z 1 um eine Pflichtbefugnis des BR handelt, die durch das Datenschutzrecht nicht beschränkt wird.*

In diesem Zusammenhang ist auch ein Urteil* des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zum deutschen Arbeitsrecht interessant, das besagt, dass eine Vertragsklausel, die den/die AN verpflichtet, über seine/ihre Arbeitsvergütung Verschwiegenheit zu bewahren, unwirksam ist, auch weil sie gegen die gewerkschaftliche Betätigungs-/Koalitionsfreiheit* verstößt.

Teils in der Lehre umstritten und von der Judikatur noch nicht endgültig entschieden ist, ob vom Einsichtsrecht (generell) auch schriftliche Arbeitsverträge erfasst sind* – und das, obwohl die Kontrolle der Einhaltung von Gesetzen und Kollektivverträgen oder der Richtigkeit von Abrechnung und Auszahlung ohne Kenntnis des Arbeitsvertrages oft nicht möglich sein wird. Richtigerweise wird davon auszugehen sein, dass der BR in Einzelarbeitsverträge einsehen kann, sofern deren Kenntnis im Bedarfsfall für den BR zur zweckentsprechenden Ausübung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse nötig ist.*

Dem BR ist ebenso Einsicht in andere die AN betreffende Aufzeichnungen zu gewähren, deren Führung durch Rechtsvorschriften vorgesehen ist (bspw Arbeitszeit, Urlaub).361

2.3..
Überwachung Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung und sonstiger arbeitsrechtlicher Vereinbarungen (Z 2)

Der BR hat auch die Einhaltung der für den Betrieb geltenden Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen und sonstiger arbeitsrechtlicher Vereinbarungen zu überwachen. Davon umfasst sind auch Satzungen, Mindestlohntarife oder Lehrlingsentschädigungen.

2.4.
Überwachung ArbeitnehmerInnenschutz,* Sozialversicherung, betriebliche Altersversorgung und Berufsausbildung (Z 3)

Der BI hat den BR von jedem Arbeitsunfall unverzüglich und unaufgefordert in Kenntnis zu setzen. Ebenso ist der BR bei bestimmten Betriebsbesichtigungen unaufgefordert beizuziehen (bspw im Zuge behördlicher Verfahren, wenn Interessen der AN des Betriebes/ Unternehmens berührt sind). Der BR ist von einer anberaumten Verhandlung sowie von der Ankunft eines behördlichen Organs in diesen Fällen unverzüglich und unaufgefordert zu verständigen. Neben einer Klage beim ASG kommt auch eine Verwaltungsstrafe gem § 160 in Betracht.

2.5.
Einsicht in Personalakte (Z 4)

Wenn im Betrieb Personalakten geführt werden, ist dem BR auf Verlangen und mit Einverständnis des/der AN Einsicht zu gewähren. Wenn der Personalakt automationsunterstützt geführt wird, besteht daneben auch das Informationsrecht nach § 91 Abs 2.

3.
Allgemeines Auskunftsrecht* („Allgemeine Information“ – § 91 Abs 1)

Abs 1 enthält ein allgemeines Informationsrecht, das die speziellen Informationsrechte der Abs 2 und 3 und anderer Paragrafen des ArbVG (§§ 98 ff sowie §§ 108 und 109) sowie anderer Gesetze ergänzt.

Der BI hat dem BR auf dessen Verlangen umfassend Auskunft über alle Angelegenheiten zu geben, welche die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen Interessen der AN des Betriebes berühren. Der Gesetzgeber hat in § 91 mit „Angelegenheit“ den weitesten Begriff gewählt, den er in diesem Zusammenhang verwenden konnte. Daraus folgt, dass Gegenstand des allgemeinen Informationsrechts jegliche den Betrieb betreffende Frage sein kann, die diese Interessen berührt. Bei wichtigen Angelegenheiten muss der BI im Zuge der regelmäßigen Beratung nach § 92 den BR sogar von sich aus informieren.

§ 91 Abs 1 betrifft somit alle Angelegenheiten, die in den gesetzlichen Aufgabenbereich der Organe der ArbeitnehmerInnenschaft fallen (§ 38 ArbVG) und die geeignet sind, (negative oder positive) Auswirkungen* auf die genannten Interessen der AN zu haben.

Reichen die speziellen Informationsrechte nicht aus, um dem BR seine Interessenvertretungsaufgabe zu ermöglichen, kann dieser auf § 91 Abs 1 (unter den dort genannten Voraussetzungen) zurückgreifen.*Bspw kann der BR über die Informationsrechte bei Kündigung gem § 105 hinausgehend den Grund für eine AG-Kündigung auf Basis von § 91 Abs 1 erfragen.

Der BR muss die Informationen vom BI verlangen. Das Auskunftsverlangen muss entsprechend konkret sein und erkennen lassen, dass AN-Interessen betroffen sind. Dies ist auch für die Durchsetzung des Informationsrechts vor Gericht wichtig. Umso konkreter die Anfrage, umso genauer muss auch die Informationserteilung durch den BI sein.*

Die Informationen müssen vollständig, wahrheitsgemäß und aufschlussreich sein und dem BR auch eine nachhaltige Kenntnis ermöglichen.* Außerdem muss der BR so rechtzeitig informiert werden, dass er noch entsprechende Maßnahmen im Interesse der AN setzen kann.* Der BI soll nicht aus Überraschungseffekten, Zeitnot, Desorientierung der AN oder auch „vollendeten Tatsachen“ Vorteile ziehen können.*

4.
Allgemeines Informationsrecht in wichtigen Angelegenheiten (§ 92)

Der BI ist verpflichtet, den BR bei den vierteljährlichen (über Verlangen monatlichen) Besprechungen über alle – für den Betrieb und vor allem für die AN – wichtigen Angelegenheiten unaufgefordert zu informieren. Wichtige Angelegenheiten sind jene, die entweder für den Betrieb als solchen oder für die AN des Betriebes wichtig sind. Auf Verlangen des BR müssen ihm die zur Beratung erforderlichen Unterlagen ausgehändigt werden.362

5.
Prüfbericht und Rechenschaftsbericht nach Pensionskassengesetz (§ 91 Abs 3)

Wurde eine BV gem § 97 Abs 1 Z 18a (Errichtung und Beitritt zu Pensionskassen) abgeschlossen, so hat der BI dem BR den Prüfbericht (§ 21 Abs 6 PKG) und den Rechenschaftsbericht (§ 30 Abs 5 PKG) unaufgefordert und unverzüglich zu übermitteln.

6.
Informationsrecht bei automationsunterstützter Aufzeichnung von personenbezogenen ArbeitnehmerInnendaten (§ 91 Abs 2)

Der BI hat den BR unaufgefordert zu informieren, welche Arten von personenbezogenen AN-Daten er automationsunterstützt aufzeichnet und welche Verarbeitungen und Übermittlung dieser Daten er vorsieht.

Dies umfasst bspw auch die Einsicht in konkrete Daten von einzelnen AN. Bei Einsicht in konkrete Daten einzelner AN ist allerdings die Zustimmung der einzelnen AN erforderlich. Die Rechte des BR nach § 89 und andere Einsichtsrechte dürfen dadurch jedoch nicht eingeschränkt werden (bspw Einsicht in Lohn- und Gehaltslisten).

Auf Verlangen des BR ist ihm auch die Überprüfung der Grundlagen für die Verarbeitung und Übermittlung zu ermöglichen (zB technologische Grundlagen der verwendeten EDV-Systeme wie Hardware, Software etc und Datenfluss im Unternehmen).

7.
Arbeitsschutz (§ 92a ArbVG)
7.1.
Generalklausel (Abs 1)

Abs 1 sieht auf Verlangen des BR ein allgemeines Anhörungs- und Beratungsrecht in allen Angelegenheiten der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes vor. In den Z 1 bis 3 sind nicht abschließend zusätzliche, spezielle Rechte des BR vorgesehen (bspw bei Planung und Einführung bestimmter neuer Technologien und der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren).

7.2.
Besondere Informations- und Übermittlungspflichten des Betriebsinhabers (Abs 2)

Der BI hat dem BR unaufgefordert Zugang zu Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten (vor allem solche gem ASchG*) sowie zu den Aufzeichnungen und Berichten über Arbeitsunfälle zu gewähren (Z 1). Außerdem sind ihm diverse Informationen bzw Unterlagen unaufgefordert zur Verfügung zu stellen (Z 2 bis 6): bspw Unterlagen betreffend die Erkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitsgestaltung, Ergebnisse von Messungen und Untersuchungen betreffend gefährliche Arbeitsstoffe und Lärm* sowie unverzügliche Information über Grenzwertüberschreitungen inklusive Ursachen und getroffene Maßnahmen. Informationspflichten finden sich bspw auch in den §§ 12 bis 14 ASchG, der Grenzwerteverordnung und Bauarbeiterschutzverordnung.

8.
Betriebliche Frauenförderung sowie Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf (§ 92b)

In diesem Zusammenhang besteht ein Informationsrecht gem § 91. Hier sei auch auf den Einkommensbericht gem § 11a Gleichbehandlungsgesetz hingewiesen. Dieser ist dem BR unaufgefordert zu übermitteln, mit diesem auf Verlangen darüber zu beraten und es sind ihm weitere Informationen zur Verfügung zu stellen.

9.
Informationsrechte in sozialen Angelegenheiten
9.1.
Mitwirkung in Angelegenheiten der betrieblichen Berufsausbildung und Schulung und Umschulung (§ 94)

Der BR ist unaufgefordert über geplante Maßnahmen der betrieblichen Berufsausbildung sowie der betrieblichen Schulung und Umschulung ehemöglichst, dh schon im Stadium der Planung, in Kenntnis zu setzen (Abs 1). Gem Abs 4 hat der BR das Recht, an Verhandlungen zwischen dem BI und dem Arbeitsmarktservice (AMS) über Maßnahmen der betrieblichen Schulung, Umschulung und Berufsausbildung teilzunehmen. Zeitpunkt und Gegenstand der Beratungen sind ihm unaufgefordert und rechtzeitig mitzuteilen.

10.
Informations- und Auskunftsrechte in personellen Angelegenheiten
10.1.
Personelles Informationsrecht (§ 98)

Der BI hat den BR über den künftigen Bedarf an AN und die in Aussicht genommenen personellen Maßnahmen unaufgefordert und rechtzeitig zu informieren. Der BR soll dadurch noch die Möglichkeit haben, etwa durch Vorschläge Einfluss auf Personalplanung und -entwicklung (bspw Einstellungen, Versetzungen, Kündigungen, Qualifizierungs- und Fördermaßnahmen etc) zu nehmen.*363 Für die Praxis empfiehlt sich regelmäßiges Nachfragen. Ein Anspruch auf Aushändigung der Unterlagen kann sich gem § 92 ergeben. Zudem bestehen noch die speziellen Informationsrechte bei den einzelnen, individualisierten Personalmaßnahmen (siehe §§ 99, 101 und 105). Die Informationen nach § 98 sind zeitlich vor den Informationen zu einzelnen Personalmaßnahmen zu geben.

10.2.
Mitwirkung bei der Einstellung von ArbeitnehmerInnen (§ 99)

Sobald dem BI die Zahl der aufzunehmenden AN, deren geplante Verwendung und die in Aussicht genommenen Arbeitsplätze bekannt sind, hat er unaufgefordert den BR jener Gruppe (ArbeiterInnen oder Angestellte), welcher die Einzustellenden angehören, allgemein darüber zu informieren (Abs 2). Dies soll dem BR eine Einflussnahme auf personelle Auswahlentscheidungen etwa durch Vorschläge ermöglichen und ihn über Neuzugänge informieren. Die Informationen hat der BR grundsätzlich vor der Einstellung zu erhalten.

Wenn der BR darüber hinaus Informationen zur Einstellung einzelner AN möchte (bspw interne oder externe Besetzung, Namen und Qualifikation der BewerberInnen*), sieht Abs 3 dazu ein besonderes, über Abs 2 bzw § 91 hinausgehendes Informationsrecht vor. Dieses Recht besteht, wenn der BR das verlangt oder unaufgefordert, wenn der BI die Informationen nach Abs 2 dem BR rechtswidrigerweise nicht gegeben hat (Abs 3 zweiter Satz). Außerdem muss der BI den BR unverzüglich und unaufgefordert über erfolgte einzelne Einstellungen informieren, inklusive vorgesehener Verwendung und Einstufung, Lohn oder Gehalt sowie über eine allfällig vereinbarte Probezeit oder Befristung (Abs 4). Ebenfalls unaufgefordert ist der BR über die beabsichtigte sowie die tatsächliche Aufnahme der Beschäftigung von Leih-AN zu informieren (Abs 5). Informationen darüber, welche Vereinbarungen hinsichtlich des zeitlichen Arbeitseinsatzes der Leih-AN und hinsichtlich der Vergütung für die Überlassung mit dem Überlasser getroffen wurden, muss er verlangen. Die allgemeinen Rechte nach §§ 89 bis 92b gelten hier sinngemäß.

Bei Verstoß gegen Abs 3, 4 und 5 kommen neben einer Klage beim ASG auch Verwaltungsstrafen gem § 160 in Betracht.

10.3.
Mitwirkung bei Versetzungen (§ 101)

Der BR ist unverzüglich und unaufgefordert von jeder dauernden, dh voraussichtlich 13 Wochen oder länger dauernden Versetzung zu verständigen und zwar unabhängig davon, ob sie verschlechternd ist oder nicht. Die Information hat zeitlich vor der geplanten Versetzung zu erfolgen, dh auch eine Beratung muss auf Verlangen des BR noch möglich sein. Versetzungen, die kürzer als 13 Wochen dauern, fallen unter das Auskunftsrecht des § 91, dh die Informationen sind dem BR auf Verlangen zu geben.

10.4.
Mitwirkung bei der Vergabe von Werkwohnungen (§ 103)

Der BI hat die beabsichtigte Vergabe einer Werkwohnung an eine/n AN dem BR ehestmöglich und unaufgefordert mitzuteilen. Bei Verstoß besteht zusätzlich zur Klagsmöglichkeit beim ASG die Androhung von Verwaltungsstrafen gem § 160.

10.5.
Mitwirkung bei Beförderungen (§ 104)

Die beabsichtigte Beförderung eines/einer AN ist dem BR ehestmöglich und unaufgefordert mitzuteilen. Bei Verstoß kommt hier ebenfalls zusätzlich zur Klagsmöglichkeit beim ASG die Androhung von Verwaltungsstrafen gem § 160 in Betracht.

10.6.
Mitwirkung bei Anfechtung von Kündigungen (§ 105)

Der BI hat vor jeder beabsichtigten Kündigung eines/einer AN den BR unaufgefordert zu verständigen. Es muss klar sein, welches konkrete Arbeitsverhältnis betroffen ist. Die Verständigung muss eindeutig, bestimmt und verständlich sein.* Adressat der Verständigung ist der/die BRV oder bei Verhinderung der/die StellvertreterIn.* Nur der BI selbst oder ein durch ihn bevollmächtigtes Organ (bspw GeschäftsführerIn) kann den BR wirksam informieren.* Wenn der BR nicht oder nicht ordnungsgemäß informiert wurde, ist die Kündigung rechtsunwirksam.

Der BI hat den BR auch unaufgefordert vom erfolgten Ausspruch der Kündigung zu verständigen. Die Unterlassung kann zur Folge haben, dass der Beginn des Laufs der Frist zur Kündigungsanfechtung für den BR hinausgeschoben wird.*

10.7.
Mitwirkung bei Anfechtung von Entlassungen (§ 106)

Der BR ist von jeder Entlassung eines/einer AN unverzüglich und unaufgefordert zu verständigen. 364Wenn der BR nicht oder zu spät verständigt wird, verschiebt sich für ihn die Anfechtungsfrist.*

11.
Informations- und Auskunftsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten*

Eine gleichberechtige Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten sieht das ArbVG für den BR nicht vor.* Es gibt jedoch starke Informations- und Beratungsrechte. Im Zusammenhang mit den §§ 108 und 109 sind ebenso die Informationsrechte der §§ 89 bis 92b sowie solche in Sondergesetzen (§ 11 ÜbernahmeG, § 7 SpaltungsG) zu beachten.

Bei Verstoß gegen die folgenden Informationsrechte ist eine Klage möglich. Zur Sicherung der Rechte kommt ein Antrag auf einstweilige Verfügung gem § 381 EO in Frage, wenn der BI eine Umstrukturierung ohne Einhaltung der Informationspflichten nach Abs 1, 2 oder 2a durchführen will. In Österreich ist noch nicht ausjudiziert, ob dem BI so die geplante Umstrukturierung vorläufig gerichtlich untersagt werden kann.*

11.1.
Wirtschaftliche Informations-, Interventions- und Beratungsrechte (§ 108)

§ 108 bezieht sich vor allem auf wirtschaftliche Normalverläufe und Betriebs(teil)übergänge.

11.1.1.
Wirtschaftliche Lage, Wirtschaftspläne, Kündigungsfrühwarnsystem (Abs 1)

Der BI hat den BR unaufgefordert, rechtzeitig und vollständig über die wirtschaftliche Lage einschließlich der finanziellen Lage des Betriebes sowie über deren voraussichtliche Entwicklung, über die Art und den Umfang der Erzeugung, den Auftragsstand, den mengen- und wertmäßigen Absatz, die Investitionsvorhaben sowie über sonstige geplante Maßnahmen zur Hebung der Wirtschaftlichkeit des Betriebes zu informieren.

Die Information erfolgt in der Praxis üblicherweise im Rahmen der Wirtschaftsgespräche gem § 92. Aufgrund besonderer Umstände oder Dringlichkeit kann die Information aber auch zu anderen Zeitpunkten erfolgen müssen.* Darüber hinausgehende Informationen sind auf Verlangen gem § 91 Abs 1 zur Verfügung zu stellen.

Informationen im Zusammenhang mit der Erstellung von Wirtschaftsplänen (bspw Erzeugungs-, Investitions-, Absatz-, Personal- und andere Pläne) sind dem BR unaufgefordert zu geben und erforderliche Unterlagen auf dessen Verlangen.

In Abs 1 ist auch geregelt, dass der BI den BR von der Anzeige gem § 45a Arbeitsmarktförderungsgesetz (AMFG) (Kündigungsfrühwarnsystem) an das AMS unverzüglich und unaufgefordert in Kenntnis zu setzen hat.*

11.1.2.
Konzern (Abs 2)

Der BR ist vom BI auf Verlangen auch über alle geplanten und in Durchführung begriffenen Maßnahmen seitens des herrschenden Unternehmens bzw gegenüber den abhängigen Unternehmen zu informieren, sofern es sich um Betriebsänderungen oder ähnlich wichtige Angelegenheiten, die erhebliche Auswirkungen auf die AN des Betriebes haben, handelt.

11.1.3.
Umstrukturierungen und Betriebs(teil) übergänge (Abs 2a)

Die Informationspflichten des BI gem Abs 1 und 2 gelten insb auch für die Fälle des Überganges, der rechtlichen Verselbständigung, des Zusammenschlusses oder der Aufnahme von Betrieben oder Betriebsteilen. Die Information hat unaufgefordert zu erfolgen und hat insb den Grund für diese Maßnahme, die sich daraus ergebenden rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die AN und die hinsichtlich der AN in Aussicht genommenen Maßnahmen zu umfassen. Sie muss dem BR ermöglichen, die potentiellen Auswirkungen der geplanten Maßnahme eingehend zu bewerten und eine Stellungnahme abzugeben. Erforderliche Unterlagen sind auf Verlangen zur Verfügung zu stellen.

11.1.4.
Jahresabschluss (Abs 3) und Konzernabschluss (Abs 4)

In bestimmten Betrieben* hat der BR Anspruch auf Übermittlung des Jahresabschlusses spätestens binnen einem Monat ab Erstellung sowie der erforderlichen Erläuterungen und Aufklärungen und das ohne Aufforderung. Geschieht dies nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres, so ist dem BR durch Vorlage eines Zwischenabschlusses oder anderer geeigneter Unterlagen vorläufig Aufschluss über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Betriebes zu geben. Bei Verstoß ist eine Verwaltungsstrafe angedroht. 365

Der Konzernabschluss samt Konzernanhang einschließlich der erforderlichen Erläuterungen und Aufklärungen ist der Konzernvertretung oder bei Fehlen dem zuständiger ZBR oder BR spätestens einen Monat nach der Erstellung ohne Aufforderung zu übermitteln.*

11.2.
Mitwirkung bei Betriebsänderungen/Umstrukturierungen (§ 109)

§ 109 regelt nicht abschließend die Mitwirkungsrechte für wesentliche Struktur- und Arbeitsprozessveränderungen.

11.2.1.
Allgemein (Abs 1)

Der BI ist verpflichtet, den BR von geplanten, im Gesetz beispielhaft aufgezählten Betriebsänderungen unaufgefordert zu informieren (von der Einführung neuer Arbeitsmethoden bis zur Stilllegung des Betriebes). Der BR ist zu einem Zeitpunkt, in einer Weise und in einer inhaltlichen Ausgestaltung zu informieren, die es ihm ermöglichen, die möglichen Auswirkungen der geplanten Maßnahme eingehend zu bewerten und eine Stellungnahme zu der geplanten Maßnahme abzugeben. *

Bei Verstoß ist eine Klage beim ASG sowie ein Antrag auf einstweilige Verfügung möglich. Gem Abs 3 ist mangelhafte Information beim Sozialplan zusätzlich abzugelten.

11.2.2.
Im Zusammenhang mit dem Kündigungsfrühwarnsystem (Abs 1a)

Der BI hat dem BR unaufgefordert und schriftlich jedenfalls die im Gesetz angeführten Informationen (bspw Gründe für Maßnahme, Zahl der betroffenen AN) zukommen zu lassen.*

11.3.
Mitwirkung im Aufsichtsrat (§ 110)

Im Rahmen der Aufsichtsrat-Mitwirkung bestehen diverse Informationsrechte (meist im Gesellschaftsrecht näher geregelt, zB AktG, GmbHG usw). Grundsätzlich sind die Rechte im Aufsichtsrat durch den Gesamtaufsichtsrat und somit mittels Mehrheitsbeschluss wahrzunehmen. Abs 3 sieht jedoch die Möglichkeit vor, das auch zwei AN-VertreterInnen im Aufsichtsrat jederzeit vom Vorstand einen Bericht über die Angelegenheiten der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu Konzernunternehmen verlangen können.*

12.
Europäische Betriebsverfassung

In Zusammenhang mit der Errichtung eines Europäischen BR bestehen ebenfalls diverse Informationsrechte, wie insb auf Verlangen die Bekanntgabe der Zahl der in den Betrieben bzw Unternehmen Beschäftigten sowie, ob bereits ein Antrag auf Errichtung eines besonderen Verhandlungsgremiums vorliegt (§ 177 Abs 3). Ähnliche Informationsrechte, hier jedoch ohne Verlangen, gibt es im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Errichtung einer Europäischen Aktiengesellschaft (§ 215 Abs 3), der Beteiligung der AN in der Europäischen Genossenschaft (§§ 257 Abs 1 iVm 215 Abs 3) sowie mit der Mitbestimmung der AN bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften (§§ 260 Abs 1 iVm 215 Abs 3). Bei Verschmelzung ist gem § 6 Abs 1 EU-VerschG unaufgefordert der Verschmelzungsbericht zu übermitteln.366