Die Europäische Arbeitsbehörde
Die Europäische Arbeitsbehörde
Im September 2017 hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union vorgeschlagen, eine Europäische Arbeitsbehörde einzurichten. Diese soll sicherstellen, dass alle EU-Vorschriften zur Arbeitskräftemobilität auf gerechte, einfache und wirksame Art und Weise durchgesetzt werden. Im März 2018 wurde dann seitens der Kommission dazu ein konkreter Vorschlag vorgelegt und in weiterer Folge gemäß dem ordentlichen EU-Gesetzgebungsverfahrens im Juni 2019 die Verordnung zur Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde (VO [EU] 2019/1149) beschlossen. Die Behörde soll noch 2019 ihre Arbeit aufnehmen und 2024 ihre volle Kapazität erreichen. Dafür sind 140 MitarbeiterInnen geplant. Das Jahresbudget wird rund 50 Mio € betragen. Als Sitz ist Bratislava vorgesehen. Die gängige Abkürzung für die Europäische Arbeitsbehörde ist ELA (European Labour Authority).
Die Behörde soll zur Gewährleistung einer fairen unionsweiten Arbeitskräftemobilität beitragen und die Mitgliedstaaten und die Kommission bei der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit unterstützen. Sie soll zu diesem Zweck den Zugang zu Informationen über Rechte und Pflichten in Verbindung mit der unionsweiten Arbeitskräftemobilität vereinfachen, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten erleichtern und stärken sowie bei länderübergreifenden Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten vermitteln und zu einer Lösung beitragen.
Der Informationszugang soll einerseits für Einzelpersonen, AG und Sozialpartner und andererseits für die Mitgliedstaaten erleichtert werden. Dazu dient ua eine zentrale unionsweite Website über die Rechte und Pflichten von Einzelpersonen in Situationen grenzüberschreitender Arbeitskräftemobilität als einheitliches Zugangstor zu Informationsquellen und Dienstleistungen auf Unionsebene und nationaler Ebene. Es ist also keine europäische Internetseite geplant, wo man die Rechtslage in den Mitgliedstaaten zu den Themen Freizügigkeit, Entsendung und Arbeitsvermittlung über EURES (EURopean Employment Services) findet. Die Verpflichtung, diese Informationen auf einer Website zur Verfügung zu stellen und aktuell zu halten verbleibt bei den Mitgliedstaaten (Art 5 Abs 2 lit a der DurchsetzungsRL). Die unionsweite Website wird jedoch auf die nationalen Quellen verlinken und die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls bei der Erstellung und Wartung dieser Internetseiten unterstützen.
Die Mitgliedstaaten werden unterstützt, wenn Behörden Kontaktstellen der nationalen Behörden in anderen Mitgliedstaaten suchen, bei der grenzüberschreitenden Weiterverfolgung von Anfragen, dem Informationsaustausch über die Grenzen und bei der länderübergreifenden Durchsetzung von Sanktionen und Geldbußen. Falls erforderlich, sind die Mitgliedstaaten auf die Mediation (siehe nächstes Kapitel) zu verweisen.
Auf Antrag eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder auf Anregung einer Sozialpartnerorganisation koordiniert und unterstützt die Behörde konzertierte oder gemeinsame Kontrollen. Durch diese Kontrollen sollen nationale Zuständigkeiten weder ersetzt noch unterlaufen werden. Vorrangig geht es darum, Muster für Vereinbarungen zu gemeinsamen Kontrollen zu entwickeln, Koordinationssitzungen zu organisieren sowie konzeptuelle, logistische und technische Unterstützung anzubieten. Dazu zählen auch rechtliche Beratung sowie Übersetzungs- und Dolmetschleistungen.
Kommt es zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten zu Streitigkeiten über die Anwendung des Unionsrechts im Bereich der Arbeitskräftemobilität und der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, so kann die Behörde versuchen, eine Schlichtung herbeizuführen. Diese Schlichtung beginnt mit dem Versuch, die Streitigkeit durch direkte Kontakte und dem Dialog zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten zu bereinigen. Ist dieser erfolglos, dann kann ein Mediationsverfahren eingeleitet werden. Dafür ist jedoch die Zustimmung aller von der Streitigkeit betroffenen Mitgliedstaaten erforderlich. In einer ersten Phase des Verfahrens wird ein Mediator tätig, und falls 367 dies nicht zu einer Schlichtung führt, schaltet sich in einer zweiten Phase ein Mediationsausschuss ein. Für diese zweite Phase ist wieder die Zustimmung aller von der Streitigkeit betroffenen Mitgliedstaaten notwendig, obwohl der Mediationsausschuss keine Entscheidung trifft, sondern letztlich nur eine unverbindliche Stellungnahme abgeben kann. Es können auch keine Fälle zur Mediation zugelassen werden, in denen Gerichtsverfahren auf nationaler oder Unionsebene anhängig sind. Wird während der Mediation ein Gerichtsverfahren eingeleitet, wird das Mediationsverfahren ausgesetzt.
Ein wesentlicher Aufgabenbereich der Behörde ist auch die Grundlagenarbeit. Diese erfolgt insb durch Risikobewertungen und Analysen im Zusammenhang mit unionsweiter Arbeitskräftemobilität und Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Dabei soll beispielsweise auf Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt, branchenspezifische Herausforderungen und wiederkehrende Probleme eingegangen werden. Weiters wird die Behörde Peer Reviews unter den Mitgliedstaaten organisieren, ua etwa um die Wirksamkeit verschiedener politischer Maßnahmen zur Prävention und Abschreckung zu bewerten.
Die Behörde unterstützt weiters die Mitgliedstaaten beim Kapazitätsaufbau durch Voneinander lernen, Schulung und Förderung bewährter Verfahren.
Die Verwaltungs- und Leitungsstruktur umfasst einen Verwaltungsrat, eine/n ExekutivdirektorIn und eine Gruppe der InteressenvertreterInnen. Daneben gibt es noch die Plattform zur Stärkung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit und den bereits oben erwähnten Mediationsausschuss. Im Bedarfsfall kann der Verwaltungsrat als oberstes Leitungsorgan Arbeitsgruppen oder Expertengremien einrichten.
Der Verwaltungsrat besteht aus einem/einer hochrangigen VertreterIn aus jedem Mitgliedstaat und zwei VertreterInnen der Kommission mit Stimmrecht sowie aus einem/einer vom Europäischen Parlament ernannten unabhängigen Sachverständigen und vier von den branchenübergreifenden Sozialpartnern ernannten VertreterInnen ohne Stimmrecht. Die Leitung der Behörde iSd Day-to-Day-Managements erfolgt durch den/die ExekutivdirektorIn. Diese/r wird vom Verwaltungsrat im Anschluss an ein offenes und transparentes Auswahlverfahren ernannt.
Neben den bereits erwähnten vier von den Sozialpartnern ernannten VertreterInnen im Verwaltungsrat gibt es noch die Gruppe der InteressenvertreterInnen mit zwei VertreterInnen der Kommission und zehn paritätisch zusammengesetzten VertreterInnen der Sozialpartner auf Unionsebene. Diese Gruppe hat aber nur eine beratende Funktion. Sie wird vom/von der ExekutivdirektorIn geleitet und tritt mindestens zweimal jährlich zusammen.
Weiters sind noch nationale VerbindungsbeamtInnen vorgesehen. Diese werden durch die Mitgliedstaaten ernannt und sind als nationale Sachverständige bei der Behörde an deren Sitz tätig. Es ist zu erwarten, dass sie beim Informationsaustausch, bei der Unterstützung und Koordinierung grenzüberschreitender Kontrollen und im Zusammenhang mit der Schlichtung von Streitigkeiten eine wichtige Rolle wahrnehmen werden.
Die Behörde soll den derzeitigen institutionellen Rahmen in den Bereichen Arbeitsmobilität und Koordinierung der sozialen Sicherheit vereinfachen. Dies erfolgt einerseits durch eine enge Zusammenarbeit mit der Verwaltungskommission (Art 45) und dem Beratenden Ausschuss für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, dem Beratenden Ausschuss für die Freizügigkeit der AN (Art 46 Z 1) und mit europäischen Agenturen wie Eurofound (Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen), Cedefop (Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung), EU-OSHA (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz) und der Europäischen Stiftung für Berufsbildung (Art 14).
Andererseits werden Aufgaben folgender vier Einrichtungen durch die ELA übernommen: Fachausschuss für die Freizügigkeit der AN (Art 46 Z 2); Expertenausschuss für die Entsendung von AN; Europäische Plattform zur Stärkung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit (Art 12, Art 16 Abs 2, Art 48); EURES-Koordinierungsbüro (Art 6, Art 47).
Auf Grund des nach wie vor enormen Lohngefälles zu den neuen Mitgliedstaaten sind die Probleme im Zusammenhang mit grenzüberschreitender Beschäftigung weiterhin sehr hoch. Andererseits steckt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden noch in den Kinderschuhen und es ist nicht zu erwarten, dass die Mitgliedstaaten dies bloß bilateral wesentlich verbessern können. Eine 368Einrichtung auf europäischer Ebene wie die Europäische Arbeitsbehörde kann hier wesentlich zur Bekämpfung von Sozialbetrug und Lohn- und Sozialdumping beitragen und für einen faireren Wettbewerb sorgen. Ein wesentliches Handikap ist leider, dass die ELA bei ihren Aktivitäten, wie insb bei der Schlichtung von Streitigkeiten oder bei grenzüberschreitenden Kontrollen, auf die Zustimmung der jeweiligen Mitgliedstaaten angewiesen ist. Es ist aber trotzdem davon auszugehen, dass eine ständige Einrichtung mit relativ klaren Aufgaben und folglich auch Verantwortlichkeiten eine neue Dynamik in Richtung einer fairen unionsweiten Arbeitskräftemobilität auslöst.