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OGH bestätigt Neuregelung der Vordienstzeiten im Bundesbahngesetz

MARTA J.GLOWACKA (WIEN)
  1. Der unmittelbare Anspruch der AN aus der RL 2000/78/EG richtet sich auf die Anwendung eines diskriminierungsfreien Vorrückungssystems. Die Erfüllung dieses Anspruchs durch Etablierung eines solchen Systems umfasst aber nicht zwingend auch einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit.

  2. Tatsächlich kann die Neuberechnung des Vorrückungsstichtags nach § 53a Abs 2 BundesbahnG für bisher diskriminierte Bedienstete der Bekl zu einer Verbesserung des Stichtags und damit zu Nachzahlungen führen, wenn sie bereits vor der Vollendung des 18. Lebensjahres bahneinschlägige Vordienstzeiten erworben haben. Dies honoriert die von einem AN im betreffenden Bereich erworbene Erfahrung, die es ihm ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten.

  3. Klarstellend ist festzuhalten, dass dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zur E vom 26.2.2015, 8 ObA 11/15y, steht, in der der unionsrechtlich begründete Gleichbehandlungsanspruch des AN – solange der Gesetzgeber noch kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters in einer mit der RL 2000/78/EG in Einklang stehenden Art und Weise eingeführt hatte – zu beurteilen war. Ein unionsrechtlich begründeter Anspruch, nach der erfolgten Einführung eines solchen Systems einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, der der Differenz zwischen dem Entgelt entspricht, das der Kl ohne die Diskriminierung erhalten hätte, und dem Entgelt, das er tatsächlich erhalten hat, besteht nicht.

  4. Die RL 2000/78/EG steht Vorschriften nicht entgegen, die die Modalitäten der Überleitung in ein neues Besoldungssystem festlegen und vorsehen, dass das unter dem alten Besoldungssystem erworbene Grundgehalt, obgleich dieses alte System auf einer Diskriminierung wegen des Alters des Beamten beruhte, gesichert bleibt. Die Wahrung (nur) der nach dem alten, wenngleich diskriminierend ermittelten Vorrückungsstichtag berechneten Gehälter durch § 53a Abs 6 BundesbahnG begegnet auch unter diesem Gesichtspunkt keinen unionsrechtlichen Bedenken.

Der am 10.7.1960 geborene Kl hat am 17.1.1983 sein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis zur Bekl begonnen. Nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden § 3 Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 (BO 1963) errechnete die Bekl unter Einbeziehung der vom Kl ab Vollendung des 18. Lebensjahres erworbenen Vordienstzeiten seinen Vorrückungsstichtag mit 2.7.1980. Die Berücksichtigung von Vordienstzeiten ist vor allem für das Entgelt, aber auch für andere Ansprüche, wie das Jubiläumsgeld und den Urlaubsanspruch, von Bedeutung. Der Kl hat bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres Dienstzeiten erworben, darunter jedoch keine iSd § 53a Abs 2 lit a und b BundesbahnG idF BGBl I Nr 64/2015 einschlägigen.

In der am 4.3.2016 eingebrachten Klage wird vorgebracht, die nach der alten Rechtslage geltende generelle Nichtberücksichtigung von Dienstzeiten, die vor dem 18. Lebensjahr absolviert wurden, bei der Berechnung des Vorrückungsstichtags sei altersdiskriminierend gewesen. Der Kl habe aus diesem Grund Anspruch auf Neuberechnung seines Vorrückungsstichtags unter Einbeziehung seiner in diesem Lebensabschnitt erworbenen Vordienstzeit in der Dauer von 1 Jahr 5 Monaten und 19 Tagen. Aufgrund der unrichtigen Einstufung habe ihm die Bekl im Zeitraum Juli 2008 bis Juni 2012 insgesamt um den Klagsbetrag zu wenig ausbezahlt. Die zunächst mit § 53a BundesbahnG idF BGBl I Nr 129/2011und nunmehr neuerlich mit § 53a BundesbahnG idF BGBl I Nr 64/2015geänderte Rechtslage stehe diesem Anspruch nicht entgegen. Nach der letztgenannten Bestimmung sei den DN das „zuletzt bezogene“ Gehalt nach der Neuberechnung ihres Vorrückungsstichtags jedenfalls zu wahren. Bei richtiger Auslegung [ist] nicht das „tatsächlich erhaltene“, sondern das bei nicht diskriminierender Einstufung „gebührende“ zu verstehen.

Die Bekl entgegnete, der Kl falle in den Anwendungsbereich des § 53a BundesbahnG idF BGBl I Nr 64/2015. Die Neuberechnung des Vorrückungsstichtags nach diesen Regeln sei für alle Mitarbeiter vorgesehen. Im Fall des Kl ergebe sich bei der nunmehr diskriminierungsfreien, altersunabhängig gestalteten Anrechnung der einschlägigen Vordienstzeiten rückwirkend keine Gehaltsdifferenz zu seinen Gunsten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Klagebegehren werde auf eine mittlerweile rückwirkend überholte Rechtslage gestützt. Die vom Kl vor der Vollendung des 18. Lebensjahres erworbenen Dienstzeiten seien unstrittig keine Vordienstzeiten iSd § 53a Abs 2 BundesbahnG 2015 und daher nicht anrechenbar.

Das Berufungsgericht bestätigte diese E und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Nach dem Ergebnis des vom Berufungsgericht eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens (EuGH Rs C-482/16, S*) sowie des Erk des VfGH vom 2.7.2016, G 540/2015-94, sei die Rechtslage bereits geklärt. Die im Rechtsmittel des Kl reklamierte Auslegung des § 53a Abs 6 BundesbahnG 2015 als Anspruchsgrundlage für das seiner Berechnung nach „zustehende“ Gehalt widerspreche dem Gesetzeszweck, eine richtlinienkonforme Neuberechnung des Vorrückungsstichtags für alle Bediensteten unabhängig von früheren Regelungen vorzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese E erhobene, von der Bekl nach Freistellung gem § 508a ZPO beantwortete Revision des Kl ist entgegen dem – für den OGH nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil der Entscheidungsgegenstand Rechtsfragen aufwirft, die notorisch über den Einzelfall hinaus für eine größere Anzahl von DN des ÖBB-Konzerns von Bedeutung sind. 56

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

1. Für die bis zum 31.12.1995 eingestellten AN der Bekl war das Vorrückungssystem nach den Bestimmungen der BO 1963 (BGBl 1963/170), für jene AN, die zwischen 1.1.1996 und 31.12.2004 eingestellt wurden, jenes der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) maßgebend. Diese Vorrückungssysteme wurden durch § 53a BundesbahnG, BGBl I 2011/129BGBl I 2011/129, modifiziert, der rückwirkend mit 1.1.2004 eingeführt wurde. Ziel war die Einführung eines diskriminierungsfreien, aber auch möglichst kostenneutralen Verfahrens zur Festsetzung des Vorrückungsstichtags (8 ObA 20/13v ua).

Nachdem der EuGH mit Urteil vom 28.1.2015 in der Rs C-417/13, Starjakob, in Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens des OGH ausgesprochen hatte, dass diese Neuregelung ebenfalls dem Unionsrecht – insb Art 2 und Art 6 Abs 1 der RL 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – widersprach, änderte der Gesetzgeber die Bestimmung des § 53a BundesbahnG mit BGBl I Nr 64/2015dahin, dass sie nun (auszugsweise) wie folgt lautet:

„§ 53a (1) Der Vorrückungsstichtag ist jener Stichtag, an dem die Vorrückungsfrist für die Erlangung einer höheren Gehaltsstufe erstmals zu laufen beginnt.(2) Für die Berechnung des Vorrückungsstichtages sind ausschließlich die zurückgelegten Zeiten in einem Dienstverhältnis und einem Ausbildungsverhältnis als Lehrling zua) den Österreichischen Bundesbahnen [...] sowieb) Eisenbahninfrastrukturunternehmen und/oder Eisenbahnverkehrsunternehmen eines Mitgliedstaates [...] anzurechnen [...].(3) Die Vorrückung findet mit dem auf die Vollendung der Vorrückungsfrist nächstfolgenden 1. Jänner statt.(4) Anzurechnende Vordienstzeiten gemäß Abs 2 lit b sind binnen vier Monaten nach Kundmachung des Bundesgesetzes [...] mitzuteilen und nachzuweisen. [...](5) Nach ordnungsgemäßer Mitteilung und Nachweis, spätestens nach Ablauf der Frist gemäß Abs 4, erfolgt die Einstufung auf Basis des gemäß Abs 2 ermittelten Vorrückungsstichtages in die Gehaltsstufen der Gehaltstabellen Anlage 2 und 2a der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB).(6) Die Einstufung gemäß Abs 5 führt zu keiner Reduktion der vor Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 64/2015 bezogenen Gehälter. Sofern die Einstufung gemäß Abs 5 zu einer Verschlechterung im Vergleich zum im letzten Monat vor Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 64/2015 bezogenen Gehalt führt, bleibt dieses zuletzt bezogene Gehalt gewahrt, bis das sich aus der Einstufung gemäß Abs 5 ergebende Gehalt das gewahrte [...] erreicht.[...]“

Nach § 56 Abs 1 Z 19 BundesbahnG traten § 53a Abs 1 bis 3 und 8 für Bedienstete, deren Vorrückungsstichtag auf Grundlage von § 3 BO 1963 berechnet wurde, rückwirkend mit 1.4.1963 in Kraft.

2. Der VfGH hat in seinem Erk G-450/2105 Parteianträge von ÖBB-Bediensteten (ua des Kl), die § 53a und § 56 Abs 18 bis 24 BundesbahnG je idF BGBl I Nr 64/2015als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen. Die rückwirkende Einführung eines altersdiskriminierungsfreien Besoldungssystems stellte nach der Entscheidungsbegründung einen Eigentumseingriff dar, der im öffentlichen Interesse lag. Art 16 der RL 2000/78/EG erlege den Mitgliedstaaten die Pflicht auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Richtlinie zuwiderlaufen, aufgehoben werden. Die vom Gesetzgeber gewählte Form der Überleitung sei nicht unverhältnismäßig. Die Dienstverträge der Antragsteller enthielten eine „Jeweils-Klausel“, die nicht nur Verbesserungen, sondern nach der Rsp auch maßvoll verschlechternde Änderungen erlaube. Eine bloße Weiterführung der bisher geltenden Einstufungskritierien unter Nichtanwendung der Altersbeschränkung, wie sie von den Antragstellern angestrebt werde, wäre nicht richtlinienkonform und daher unzulässig, weil die darin vorgesehene Anrechnung nicht facheinschlägiger Vordienstzeiten ebenfalls eine mittelbare Altersdiskriminierung bewirke.

3. Der EuGH hat in seinem über Vorabentscheidungsersuchen des Berufungsgerichts ergangenen Urteil (Rs C-482/16, S*, Rn 28 ff) klargestellt, dass Art 45 AEUV sowie die Art 2, 6 und 16 der GleichbehandlungsRL 2000/78/EG einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, durch die zur Beseitigung einer Diskriminierung wegen des Alters, die in Anwendung einer nationalen Regelung entstanden ist (Berücksichtigung der nach Vollendung des 18. Lebensjahres erworbenen Dienstzeiten), diese Altersgrenze rückwirkend und für alle diese AN aufgehoben wird, wobei aber nur die Anrechnung der bei Unternehmen, die im selben Wirtschaftssektor tätig sind, erworbenen Erfahrung erfolgt.

In der Begründung führte der EuGH zudem aus, es entspreche einem Fehlverständnis seiner Urteile in den Rs C-417/13, ÖBB Personenverkehr/Starjakob und C-88/08, Hütter, sie dahin auszulegen, dass damit AN, die von einer festgestellten Diskriminierung betroffen sind, zwangsläufig ein Anspruch auf eine Gehaltserhöhung erwachse (Rs C-482/16, Rn 28, 29, 43 bis 45). Die Mitgliedstaaten seien nach Art 16 der RL 2000/78 zwar verpflichtet, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufzuheben, doch schreibe ihnen diese Vorschrift keine bestimmten Maßnahmen im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vor, sondern belasse ihnen nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit, unter den verschiedenen zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeigneten Lösungen, die ihrer Ansicht nach dafür am besten geeignete zu wählen. 57

4. Nach dem Urteil des EuGH in der Rs C-417/13, Starjakob, erfordert es die Herstellung der Gleichbehandlung lediglich „solange kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters in einer mit der RL 2000/78 in Einklang stehenden Art und Weise eingeführt worden ist“, jenen Bediensteten, die bereits vor der Vollendung des 18. Lebensjahres ihre Berufserfahrung erworben haben, hinsichtlich Vordienstzeiten und Vorrückung in der Gehaltstabelle dieselben Vorteile zu gewähren wie sie den Bediensteten, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahres eine gleichartige Berufserfahrung erworben haben, zuteil geworden sind. Solange nämlich kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters eingeführt wurde, bleibt das für die vom früheren System begünstigten Bediensteten geltende System das einzig gültige Bezugssystem auch für die benachteiligte Gruppe (vgl 8 ObA 11/15y).

5. Im vorliegenden Verfahren liegen nunmehr andere rechtliche Voraussetzungen vor.

Bereits zum Zeitpunkt der Klagseinbringung hatte der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 53a Abs 2 BundesbahnG 2015 in Reaktion auf die Klärung der Rechtslage durch den EuGH in den Rs Hütter und Starjakob ein richtlinienkonform diskriminierungsfreies System der Vordienstzeitenanrechnung etabliert.

Nach diesem System ergibt sich unstrittig für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Gehaltsdifferenz zu Gunsten des Kl, weil seine vor der Vollendung des 18. Lebensjahres absolvierten Dienstzeiten nicht den nunmehr altersunabhängigen Kriterien der Anrechenbarkeit entsprechen.

6. Die im Revisionsverfahren aufrecht erhaltene Argumentation des Kl stützt sich daher darauf, dass er zwischen der Erkennbarkeit der mangelnden Richtlinienkonformität der bestehenden Vordienstzeitenregelungen in der Folge der E des EuGH Hütter und der Neufassung des § 53a BundesbahnG 2015 einen unbedingten Anspruch auf Einstufung nach der alten Rechtslage unter Anrechnung der vor dem 18. Lebensjahr liegenden Vordienstzeiten erworben habe, der ihm nachträglich nicht wieder aberkannt werden dürfe.

Diese Rechtsansicht werde durch die Wahrungsklausel § 53a Abs 6 BundesbahnG gestützt, weil unter dem „bezogenen“ Gehalt nach dieser Gesetzesstelle nicht das tatsächlich erhaltene, sondern das nach der früheren Rechtslage „gebührende“ zu verstehen sei.

7. Diese Ausführungen sind im Lichte der mehrfachen Klarstellung in der Rsp des EuGH (ua Rs C-501/12 bis C-506/12, C-540/12und C-541/12, Specht; C-417/13, Starjakob; C-482/16, S*, Rn 30) allerdings nicht begründet. Der unmittelbare Anspruch der AN aus der Richtlinie richtet sich auf die Anwendung eines diskriminierungsfreien Vorrückungssystems. Die Erfüllung dieses Anspruchs durch Etablierung eines solchen Systems umfasst aber nicht zwingend auch einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit.

Tatsächlich kann die Neuberechnung des Vorrückungsstichtags nach § 53a Abs 2 BundesbahnG für bisher diskriminierte Bedienstete der Bekl zu einer Verbesserung des Stichtags und damit zu Nachzahlungen führen, wenn sie bereits vor der Vollendung des 18. Lebensjahres bahneinschlägige Vordienstzeiten erworben haben. Dies honoriert die von einem AN im betreffenden Bereich erworbene Erfahrung, die es ihm ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten (EuGH Rs C-17/05, Cadman, Rn 34 ff; Rs C-88/08, Hütter, Rn 47; Rs C-482/16, S*, Rn 39). Dies ist beim Revisionswerber jedoch nicht der Fall.

8. Der Rechtsstandpunkt des Revisionswerbers zielt zwar auf die Beseitigung der Altersgrenze als des für ihn nachteiligen der beiden altersdiskriminierenden Aspekte des alten Systems, will aber gleichzeitig ergebnisorientiert an dem für ihn günstigen festhalten („Rosinentheorie“). Diese Argumentation ist nicht schlüssig.

Auf die in der Revision ausführlich beleuchtete Frage, ob unter dem „bezogenen“ Entgelt iSd § 53a Abs 6 BundesbahnG ein fiktives „gebührendes“ zu verstehen sei, kommt es schon aus diesem Grund – abgesehen davon, dass kein Feststellungsbegehren erhoben, sondern nur eine Nachzahlung für die Vergangenheit begehrt wird – nicht an. Im Übrigen kann hier auf die zutreffende (§ 510 Abs 3 ZPO) Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden, der die Revision nichts Substantielles entgegenzusetzen hat.

9. Klarstellend ist festzuhalten, dass dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zur E 8 ObA 11/15y des erkennenden Senats steht, in dem der unionsrechtlich begründete Gleichbehandlungsanspruch des AN, solange der Gesetzgeber noch kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters in einer mit der GleichbehandlungsRL 2000/78 in Einklang stehenden Art und Weise eingeführt hatte, zu beurteilen war. Ein unionsrechtlich begründeter Anspruch, nach der erfolgten Einführung eines solchen Systems einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, der der Differenz zwischen dem Entgelt entspricht, das der Kl ohne die Diskriminierung erhalten hätte, und dem Entgelt, das er tatsächlich erhalten hat, besteht nicht (EuGH Rs C-417/13, Starjakob; C-482/16, S*, Rn 30).

10. Der EuGH hat auch bereits klargestellt, dass die GleichbehandlungsRL 2000/78 Vorschriften nicht entgegensteht, die die Modalitäten der Überleitung in ein neues Besoldungssystem festlegen und vorsehen, dass das unter dem alten Besoldungssystem erworbene Grundgehalt, obgleich dieses alte System auf einer Diskriminierung wegen des Alters des Beamten beruhte, gesichert bleibt (EuGH Rs C-501/12 bis C-506/12, C-540/12und C-541/12, Specht). Die Wahrung (nur) der nach dem alten, wenngleich diskriminierend ermittelten Vorrückungsstichtag berechneten Gehälter durch § 53a Abs 6 BundesbahnG 2015 begegnet auch unter diesem Gesichtspunkt keinen unionsrechtlichen Bedenken.

11. Auf andere als unionsrechtliche Rechtsgründe hat der Kl seinen Anspruch nicht gestützt. Eine allenfalls in diesem Zusammenhang in den Sinn kommende Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes wäre nicht begründbar, weil das alte Einstufungssystem gleichermaßen auf alle 58 Bediensteten anzuwenden war. Jene Nachzahlungen, die die Bekl aufgrund der Rechtskraft einer gerichtlichen E (insb 8 ObA 11/15y) leisten musste, unterlagen nicht ihrer Disposition.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben. [...]

ANMERKUNGEN

Österreich ist für Vieles bekannt. Dazu zählen bestimmt Mozart(kugeln), Sachertorte und seit einiger Zeit auch der Dauerbrenner der altersdiskriminierenden Vordienstzeitenanrechnung. Das Ziel des mittlerweile eine gute Dekade andauernden Spektakels ist ein diskriminierungsfreier Entgeltberechnungsmechanismus. Hinsichtlich des Gehaltssystems der ÖBB scheint dies im Wege der Änderung von § 53a (iVm § 56 Abs 18 ff) BundesbahnG gelungen zu sein. Mit der gegenständlichen E folgt der OGH dem EuGH, der diese Neuregelung der Vordienstzeiten bei den Bundesbahnen für unionsrechtskonform hält. Nachdem der im Hinblick auf die Rs Hütter (EuGH 18.6.2009, C-88/08) notwendig gewordene Reparationsversuch (BGBl I 2011/129BGBl I 2011/129) vom EuGH in der Rs Starjakob (28.1.2015, C-417/13) für diskriminierend befunden worden war, wurde die einschlägige Bestimmung rückwirkend geändert (BGBl I 2015/64BGBl I 2015/64). Wolf (Kostenneutrale Sanierung diskriminierender Lohnsysteme? in Kozak, EuGH und Arbeitsrecht [2015] 95, 133) konstatierte recht zeitnah, dass die Kritikpunkte des EuGH durch die Neuregelung aufgegriffen und entsprechend umgesetzt worden seien; im Ergebnis sei somit ein von Anfang an diskriminierungsfreies Entlohnungssystem geschaffen worden. Dabei betont er, dass die Gleichstellung innerhalb kurzer Zeit erfolgt, was der Verhältnismäßigkeit der Übergangsregelung entspreche. Dahingegen attestierte Wachter (Die neue Regelung der Vordienstzeitenanrechnung bei den ÖBB, in Wachter [Hrsg], Altersdiskriminierung. Jahrbuch 16 [2016] 243, 249 ff) der Neuregelung, die nunmehr auf bei bestimmten Unternehmen zurückgelegte Vordienstzeiten abstellt, genauso wie der daran anknüpfenden Übergangsregelung Unionsrechtswidrigkeit. Insoweit überraschte es nicht, dass das Entlohnungssystem in der Rs Stollwitzer (EuGH 14.3.2018, C-482/16) abermals auf dem Prüfstand stand. Dieses Mal gestehen EuGH, OGH und VfGH Rechtmäßigkeit zu; denn mehrfach hält besser.

Der novellierte § 53a Bundesbahngesetz (BBG) setzt sich nunmehr aus folgenden Elementen bzw Schritten zusammen: rückwirkende Neuberechnung des Stichtages unter Außerachtlassung des Alterskriteriums, Einschränkung auf facheinschlägige Vordienstzeiten und Einführung einer zusätzlichen Gehaltsstufe. Darüber hinaus wurde in Abs 6 leg cit eine Art „Schutzklausel“ vorgesehen, wonach das zuletzt bezogene Gehalt gewahrt bleibt (siehe bereits Schörghofer, ZAS-Judikatur 2019/56). Sowohl die Neubemessung des Stichtages gem § 53a BBG als auch die Einführung einer zusätzlichen Gehaltsstufe gelangen unterschiedslos für alle AN zur Anwendung. Daher liegt keine Ungleichbehandlung vor, die einer Rechtfertigung bedürfte.

1
Einschränkung auf facheinschlägige Vordienstzeiten

Man könnte sich in Überlegungen vertiefen, ob die Einschränkung auf facheinschlägige Vordienstzeiten eine mittelbare Ungleichbehandlung verwirklicht, da diese tendenziell im höheren Alter erworben werden (siehe Wachter, Die neue Regelung der Vordienstzeitenanrechnung bei den ÖBB, in Wachter [Hrsg], Altersdiskriminierung. Jahrbuch 16, 243, 251). Hier scheint sich aber eher Korrelation denn Kausalität zu manifestieren, die der EuGH für nicht einschlägig erachtet (vgl auch EuGH 21.12.2016, Rs C-539/15, Bowman). Das geänderte Einstufungsmodell bevorzugt keine Beschäftigtengruppe. Die sich daraus ergebenden diskriminierenden Aspekte betreffen potenziell alle AN (siehe auch Bauer/Krieger, 10 Jahre AGG – Tops und Flops, NZA 2016, 1041, 1045). Auch wenn das nicht zu überzeugen vermag, scheitert die potentielle Altersdiskriminierung an der Rechtfertigung. Denn nach gefestigter Rsp des EuGH ist die Honorierung von Berufserfahrung geeignet, Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen (siehe nur EuGH 3.10.2006, C-17/05, Cadman, Rn 34).

Die Frage ist aber, ob dann nicht alle Vordienstzeiten, die es ermöglichen, die Arbeit besser zu verrichten, angerechnet werden müssten bzw inwieweit eine Selektion vom Ermessen gedeckt ist. Eine sich durch die willkürliche Anrechnung manifestierende Ungleichbehandlung – sofern das erkennbare generalisierbare Prinzip der Ungleichbehandlung mit keinem vom Unionsrecht geschützten Merkmal (zB Geschlecht) zusammenhängt – müss te dann am innerstaatlichen Gleichheitssatz bzw am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gemessen werden. Der VfGH (G 450/2015ua ÖJZ 2016/155) hat § 53a BBG bereits Verfassungskonformität attestiert. Die Notwendigkeit der Anpassung im Hinblick auf die Rsp des EuGH sei ein legitimes Ziel des Gesetzgebers, das Besoldungssystem zu verändern. Es sei nicht unsachlich, wenn die Anpassung zu Nachteilen für die Bediensteten führe. Mit der Frage, ob jede Vorerfahrung, die es dem AN ermöglicht, die Arbeit besser zu verrichten, angerechnet werden muss, hat er sich scheinbar aber nicht auseinandergesetzt. Er gibt nur das Vorbringen der Bundesregierung wieder, wonach die angefochtenen Regelungen auch dem aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebot entsprechen, da durch die altersunabhängige Anrechnung branchenspezifischer Vordienstzeiten entsprechende einschlägige Berufserfahrung, die den AN regelmäßig befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten, für die Berechnung des Vorrückungsstichtages und damit die Einstufung in die Gehaltstabellen und die Berechnung des ihm zustehenden Gehalts berücksichtigt wird. Ja, aber: Ein Buchhalter kann durchaus nicht im selben Wirtschaftssektor erworbene Berufserfahrung einbringen, die dazu führt, dass er seine Arbeit bei den Bundesbahnen besser verrichten kann (siehe Vinzenz, ZESAR 2018, 388 ff). 59

2
Übergangsregel

Der GA hätte § 53a BBG allerdings aus einem anderen Grund die Unionsrechtskonformität verweigert. Die altersunabhängige Nichtanrechnung von nicht facheinschlägigen Vordienstzeiten führt zwar zu einer Rückstufung der vom diskriminierenden System Bevorzugten, ihr auf Basis dieses Systems ermitteltes Gehalt bleibt allerdings aufgrund der Schutz- oder Wahrungsklausel des Abs 6 leg cit gesichert. Diese ist Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung, da sie nur das tatsächlich erhaltene, nicht jedoch das bei diskriminierungsfreier Einstufung zustehende Entgelt schützt. Auf Rechtfertigungsebene kann Besitzstandswahrung der vom alten System Begünstigten eingewendet werden. Dieses Ziel wurde im Unionsrecht insb in der Rs Specht (EuGH19.6.2014, C-501/12) als zwingender Grund des Allgemeininteresses gewertet. Hier wurde im Gegensatz zu der Rs Starjakob die Änderung einer Anrechnungs- bzw Vorrückungsregel, die eine ursprüngliche Diskriminierung nur umformulierte und de facto aufrechterhielt, aber aufgrund ihrer temporären Natur als „Übergangsregel“ für gerechtfertigt angesehen.

Solange die ursprünglich diskriminierende Regelung nicht derart perpetuiert wird, dass auch Neueintretende in ihren Genuss kommen, ist eine Übergangsregelung über kurz oder lang immer temporärer Natur in Anbetracht der Tatsache, dass das Erwerbsleben der vom (alten) System Bevorteilten nicht ewig währt. Nachdem der EuGH dies in der Starjakob nicht gelten ließ, muss mit Wolf (Kostenneutrale Sanierung diskriminierender Lohnsysteme? in Kozak, EuGH und Arbeitsrecht 95, 110) der Schluss gezogen werden, dass „Übergangslösungen eine partielle Aufrechterhaltung der Diskriminierung erlauben, [...] wenn es zu einer laufenden Angleichung der Differenzierung [...] kommt“, wobei „der Zeitraum, in dem diese laufende Angleichung erfolgen muss, umso länger sein kann, je geringer die Differenz ist“. Diese laufende Angleichung muss sich im Verhältnis der ursprünglich Benachteiligten zu den ursprünglich Bevorteilten manifestieren und nicht im Vergleich zu Neueintretenden.

Im gegenständlichen Fall bleibt nur das faktisch ausgezahlte Gehalt gewahrt, nicht jedoch die tatsächliche Einstufung. Die bisher vom System Bevorzugten müssen daher länger auf die nächste Vorrückung warten, sodass die Ungleichbehandlung bzw Bevorteilung als nur vorübergehend einzustufen ist. Die von Wachter (Die neue Regelung der Vordienstzeitenanrechnung bei den ÖBB, in Wachter [Hrsg], Altersdiskriminierung. Jahrbuch 16, 243, 252 f) monierte unaufholbare Reduktion der Lebensverdienstsumme betrifft alle AN und allfällige Unterschiede werden mit der Zeit wegfallen.

3
Finanzieller Ausgleich für die Vergangenheit

Dass die Einschränkung auf facheinschlägige Vordienstzeiten und Einführung einer zusätzlichen Gehaltsstufe aus Haushaltserwägungen erfolgen und zu einer (teilweisen) Nivellierung nach unten führen, ist nicht zu beanstanden (vgl EuGH 28.1.2015, C-417/13, Starjakob, Rn 36). Zum einen betreffen die Konsequenzen (insb die Reduktion der Lebensverdienstsumme) der Regelung alle AN. Zum anderen sind sie durch den in stRsp (zuletzt EuGH 8.5.2019, C-396/17, Leitner, Rn 70 mwN) gefestigten „solange“-Halbsatz gesichert, der einen Änderungsvorbehalt zugunsten des nationalen Rechts enthält und damit die Verschlechterung der Rechtsposition der Betroffenen legitimiert. Die rückwirkende Beseitigung einer Altersdiskriminierung muss somit nicht allen AN zum Vorteil gereichen. Eine Ausgleichszahlung bzw ein finanzieller Ausgleich für die Vergangenheit, der bei rechtzeitiger Geltendmachung im Wege der Angleichung an die vom diskriminierenden System Bessergestellten zugestanden wäre, muss nicht gewährt werden, wenn die Sanierung der ursprünglich festgestellten Altersdiskriminierung gelungen ist. Laut VfGH (G 450/2015 ua ÖJZ 2016/155) kommt es weder zu einem Verstoß gegen das Eigentumsrecht nach Art 5 StGG, noch sei der aus dem Gleichheitssatz abzuleitende verfassungsrechtliche Vertrauensschutz tangiert. Eine plakative Stütze für dieses Ergebnis findet man bei Rebhahn/Pfeil/Potacs (Zur – rückwirkenden – Anrechnung von Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres im öffentlichen Dienst, wbl 2014, 1, 11 f), wonach „wohl nicht ernsthaft vertreten werden [kann], dass jede Fehlleistung des Gesetzgebers sofort und automatisch zu einer nicht mehr zu korrigierenden Rechtsposition führt, für welche die Steuerzahler automatisch einstehen müssen“. Genauso wenig könne ihres Erachtens in der rückwirkenden Beseitigung des Nutzens der gerichtlichen E ein (nicht zu rechtfertigender) Eingriff in das Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nach Art 47 GRC bzw Art 6 EMRK gesehen werden. Versuchen, die Durchsetzung aus dem Unionsrecht resultierender Ansprüche durch Antrags- oder Rechtsmittelausschlüsse zu erschweren oder unmöglich zu machen, erteilt der EuGH (wie zB zuletzt in der Rs Leitner, C-396/17, die das Entlohnungssystems der Bundesbediensteten betrifft) aber eine Absage (siehe auch Brenn, Anrechnung von Vordienstzeiten der VB und Beamten in Österreich ist nach wie vor altersdiskriminierend, ÖJZ 2019/82).

4
Conclusio

Die unendliche Geschichte der Vordienstzeitenanrechnung in Österreich hat die Gemüter lange bewegt und den EuGH häufig beschäftigt. Diese scheint schließlich doch ein Ende zu finden. Der Neuregelung der Vordienstzeiten bei den österreichischen Bundesbahnen wurde vom EuGH im März 2018 in der Rs Stollwitzer Unbedenklichkeit attestiert. Der OGH folgt nun dieser Einschätzung und stellt – auch unter Verweis auf den VfGH – klar, dass die Beseitigung einer Altersdiskriminierung nicht allen AN zum Vorteil gereichen muss. Es liegt im Ermessen des AG, nur facheinschlägige Zeiten anzurechnen. Es besteht kein zwingender finanzieller Ausgleich für die Vergangenheit. Die 60 dem Vertrauensschutz dienende Wahrungsklausel ist ebenfalls zulässig.

Auch die aufgrund der E des EuGH vom Mai 2019 in den Rs Leitner und ÖGB (8.5.2019, C-24/17 und C-396/17) notwendig gewordene Reparatur des Entlohnungssystems der Bundesbediensteten passierte bereits im Juli 2019 den Nationalrat (BGBl I 2019/58BGBl I 2019/58). Diese sieht eine voll gehaltswirksame Anrechnung der vor dem 18. Lebensjahr erworbenen Vordienstzeiten für alle Beschäftigten vor und begründet auch einen Nachzahlungsanspruch der vom alten System Benachteiligten. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Thema nun gänzlich ad acta gelegt werden kann.