Kietaibl/Mosler/Pačić (Hrsg)Gedenkschrift Robert Rebhahn

Manz Verlag, Wien 2019, 678 Seiten, gebunden, € 138,–

OLAFDEINERT (GÖTTINGEN)

Robert Rebhahn ist am 30.1.2018 kurz vor Vollendung seines 64. Lebensjahrs in Wien verstorben. Nicht nur die österreichische (Arbeits-)Rechtswissenschaft, sondern auch die europäische hat damit einen ihrer ganz großen Vertreter verloren. Statt einer Festschrift haben nun seine Schüler Christoph Kietaibl und Harun Paćič gemeinsam mit Rudolf Mosler in seiner Eigenschaft als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht eine Gedenkschrift herausgegeben.

Rebhahn ist sicher den meisten als Wissenschaftler im Arbeits- und Sozialrecht bekannt. Dass er darüber hinaus auch in vielen anderen Bereichen des Rechts wissenschaftlich tätig war, wird schon aus der vorangestellten kurzen Nachzeichnung seines Lebensweges deutlich. Diese Breite ist auch dem angehängten Schriftenverzeichnis Rebhahns zu entnehmen. Ihr entspricht die Denomination seiner ersten ordentlichen Universitätsprofessur an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (1986): Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Privatrecht.

Seine umfassenden Interessen spiegeln sich denn auch in der Breite der seinem Gedenken gewidmeten Beiträge wider. So befasst sich Kerschner etwa mit der „Durchleitungshaftung“ nach § 26 Abs 2 des Wasserrechtsgesetzes (S 203 ff). Handstanger behandelt den Zugang zur Revision zum Verwaltungsgerichtshof (S 103 ff), Mazal das Berufsrecht bei Dialyseverfahren (S 335 ff). Paćič zeichnet „Eine (neue) Skizze des (alten) Naturrechts“ (S 397 ff).

Hattenberger sieht in der besonderen Anforderung des Universitätszugangs für Drittstaatsangehörige, die einen Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung des Ausstellungsstaates benötigen, eine nicht zu rechtfertigende Behinderung des Hochschulzugangs im Widerspruch zum Internationalisierungsauftrag der Universitäten (S 121 ff). Reschschließlich wendet sich der Auslegung von Drittstaatsverträgen nach Art 15a B-VG zu (S 503 ff). Dem nicht in dieser Breite gebildeten Arbeitsrechtler erscheinen Beiträge zum Zivil- und Wirtschaftsrecht vor diesem Hintergrund geradezu vertraut und unexotisch. So entfaltet Kietaibl eine potenziell hohe Relevanz des unionsrechtlich determinierten zivilrechtlichen Diskriminierungsschutzes, konstatiert aber zugleich dessen geringe Bedeutung in der Rechtswirklichkeit (S 215 ff), ein Befund, der übrigens auch für Deutschland zutrifft. Schima befasst sich mit der Außenhaftung gewerberechtlicher Geschäftsführer (S 527 ff), Perner mit der Amtshaftung in der Daseinsvorsorge (S 413 ff), Spitzer mit Kollektivinteressen im Zivilprozess (S 573 ff) und Stolzlechner untersucht die Frage, ob die Verletzung gewerbepolizeirechtlicher Beschränkungen der privatautonomen Heranziehung Dritter schadensersatzrechtlich als Schutznormverletzung anzusehen ist (S 591 ff). Jabornegg (S 137 ff) grenzt Werkverträge von Arbeits- sowie freien Dienstverträgen ab und betont, dass der wahre Parteiwille auch für die Abgrenzung von Werkvertrag und Dienstvertrag maßgeblich sei. Die Gewährleistungstauglichkeit sei kein geeignetes Abgrenzungsmerkmal, sondern im Gegenteil Ergebnis der Verabredung eines Erfolges.

Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu selbstverständlich, dass die arbeits- und sozialrechtlichen Beiträge, die den weitaus größten Anteil der dem Gedenken Rebhahns gewidmeten Aufsätze ausmachen, das Rechtsgebiet in seiner ganzen Breite abdecken, ohne dass hier alles angesprochen werden kann. Von der Rechtsgeschichte (Löschnigg, S 309 ff zum Beginn der Arbeitsrechtswissenschaft in Graz mit Julius Georg Lautner) wird der Bogen über die Neufassung des Anwendungsbereichs des Arbeitszeitrechts (Klein, S 231 ff, und Risak, S 515 ff), Plattformökonomie (Pfalz, S 425 ff), sozialversicherungsrechtliche Auskunftspflicht (Schörghofer/Thomas, S 541 ff) und Mindestsicherung und Notstandshilfe (Pfeil, S 447 ff, Julcher, S 155 ff) bis hin zum Verfahrensrecht gespannt (Neumayr, S 385 ff).

Einen breiteren Rahmen nimmt naturgemäß das europäische Arbeitsrecht ein. Tomandl etwa gelangt nach sorgfältiger Analyse zu dem Ergebnis, dass im Falle der Arbeitskräfteüberlassung der Betriebsübergang beim Beschäftiger nicht zur Anwendung von § 3 AVRAG führt. Das soll auch bei Konzernsachverhalten ungeachtet der EuGH-E in Sachen Albron gelten, weil das österreichische Recht zulässigerweise den AN-Begriff anders verstehe als die Betriebsübergangsrichtlinie (S 623 ff). Reissner untersucht den Betriebsübergangsbegriff im Hinblick auf die Übernahme von MitarbeiterInnen (S 489 ff). Er bejaht – entgegen ua Rebhahn – einen Übergang auch im Falle der Ablehnung von Übernahmeangeboten, hält einen solchen hingegen nicht gegen den Willen des Veräußerers für möglich. Beides stützt er letztlich auf Schutzzweckerwägungen. Freilich kann man zum entgegengesetzten Ergebnis gelangen, wenn man die Frage nach der Identität der wirtschaftlichen Einheit stärker in den Vordergrund rückt. Mosler wendet sich der – in ihrer historischen Bedeutung anspruchsvollen – Frage nach dem Menschenbild und sozialen Ideal des europäischen Arbeitsrechts zu (S 349 ff). Er gelangt dabei zu der einsichtigen Schlussfolgerung, dass Individualarbeitsrecht als Schutzrecht der MarktteilnehmerInnen wirke, während kollektive Rechte eher unterbelichtet seien. Vom EuGH würden letztere den unternehmerischen Freiheiten tendenziell untergeordnet. Junker kann an Rebhahns Arbeiten zum AN-Begriff anknüpfen und stellt zwei unterschiedliche Schutzfunktionen des europäischen AN-Begriffs he raus, die unterschiedliche Definitionen zur Folge haben müssten, zum einen im Bereich der Freizügigkeit, zum anderen beim AN-Schutz (S 177 ff). Demgegenüber geht Pfalz tendenziell von einem einheitlichen europäischen AN-Begriff im Rahmen seines Beitrags zu Grundfragen der Plattformarbeit aus (S 425 ff). Im Rahmen eines Beitrags zur neuen Entsenderichtlinie gehen Aubauer und Glowacka insb der Frage nach der Bedeutung der Anwendung des Rechts des Aufnahmestaates bei langzeitiger 72 Entsendung nach (S 1 ff). Das internationale Sozialversicherungsrecht ist entsprechend Gegenstand der Abhandlung Schrammels (S 559 ff).

Anregend ist auch die – nicht auf den Bereich des europäischen Arbeitsrechts beschränkte – Überlegung von Kuras, dass es bislang – letztlich wegen der Einbettung in die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung – noch 28 nationale (europäische) Rechtsdogmatiken gebe, während sich eine (wahrhaft europäische) einheitliche Rechtsdogmatik noch nicht entwickelt habe. Dies zu überwinden sei Grundbedingung für Vorhersehbarkeit und Einheit des Unionsrechts. Er plädiert daher für eine „Universität für das in der Europäischen Union geltende Recht“ (S 287 ff). Breiten Raum nimmt schließlich das Gleichbehandlungsrecht ein (Beiträge etwa von Dullinger, S 33 ff und Thüsing, S 611 ff). Beachtlich ist in dem Zusammenhang der Hinweis Gahleitners, dass bei diskriminierenden Kündigungen AG eine Haftung für „Endlosschäden“ und nicht nur bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit des AG drohen könnte (S 75 ff).

Rebhahn war nicht nur im österreichischen und europäischen Recht zu Hause, sondern auch im deutschen Recht (er hatte einen Lehrstuhl an der Humboldt-Universität zu Berlin von 1996-2003), wie auch in der Arbeitsrechtsvergleichung insgesamt. Vor diesem Hintergrund sind nicht nur die Beiträge aus Deutschland von Waltermann zu Fragen der Digitalisierung (S 635 ff) und Franzen zum Tarifvertragsrecht (S 61 ff) von Interesse, sondern auch Abhandlungen, die Vergleiche zum deutschen Recht ziehen und damit gerade auch im Hinblick auf andere Konzepte im österreichischen Recht ertragreich – für beide Rechtsordnungen – sind, wie dies insb bei den Betrachtungen Feltens zur arbeitskampfrechtlichen Friedenspflicht (S 47 ff, mit beachtlichen Unterschieden zur Sicht des deutschen Rechts) und Marholds Überlegungen zur Möglichkeit eines weiteren Arbeitsvertrages oder Werk- bzw Dienstvertrages neben dem Arbeitsverhältnis (S 321 ff, wo deutlich wird, dass es auf unterschiedlichen Wegen darum geht, zu vermeiden, dass das Schutzrecht zugunsten des AN umgangen wird). Windisch-Graetz möchte Art 15 GRC unter Heranziehung der AN-Freizügigkeit fruchtbar machen, um einen Beschäftigungsanspruch, wie er im deutschen Recht bekannt ist, zu begründen.

Insgesamt versammelt die Gedenkschrift einen denkbar breiten Strauß interessanter Beiträge renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie verschafft einem hochrangigen Rechtswissenschaftler, der viel zu früh verstorben ist, ein würdiges Andenken.