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Gleichbehandlung Betriebspension

MICHAEL REINER (WIEN)
OGH 27.2.2019 9 ObA 25/18vOLG Wien 28.11.2017 7 Ra 102/16wLG St. Pölten 4.4.2016 6 Cga 65/15t
  1. Eine Betriebspensionszusage, die in Anknüpfung an das unterschiedliche gesetzliche Pensionsalter zwischen Männern und Frauen unterscheidet, ist eine unzulässige unmittelbare Diskriminierung.

  2. Die Rückwirkung einer diskriminierenden Betriebspensionsregelung aus der Zeit nach dem EU-Beitritt (1.1.1995) Österreichs, die den Zugang zu einem Betriebspensionssystem betrifft, ist nicht durch das Barber-Protokoll bzw Art 12 RL 2006/54 beschränkt, selbst wenn die Regelung Anwartschaften aus der Zeit vor dem Urteil Barber zum Gegenstand hat; die Rückwirkung reicht vielmehr bis zum Urteil Defrenne vom 8.4.1976.

Sachverhalt und Vorverfahren

Der [...] 1951 geborene Kl war von [...] 1979 bis [...] 2015 bei der Bekl [...] beschäftigt. Auf ihn ist der KollV betreffend die „Neuregelung der Pensionsrechte (kurz genannt ‚Pensionsreform 1961‘)“, in der Folge PR 61, anzuwenden. Durch diesen KollV sollte eine Übergangsregelung für betriebliche Pensionen im Bankensektor von der Direktzusage zum Pensionskassensystem geschaffen werden. Für Dienstzeiten ab dem 1.1.1997 wurde der Pensionskassen-KollV geschlossen.

Der PR 61 unterscheidet zwischen Altpensionisten, Übergangspensionisten und Besitzstandspensionisten:

Altpensionisten sind Personen, deren Pensionsanspruch vor dem 1.1.1997 entstanden ist.

Übergangspensionisten sind alle Pensionsempfänger, deren Pensionsanspruch nach dem 31.12.1996 entstanden ist und die als DN ein Eintrittsdatum – bei Männern 1.1.1967 oder früher und bei Frauen 1.1.1972 oder früher – aufweisen, sowie Männer/Frauen, die spätestens am 31.12.1996 das 50./45. Lebensjahr vollendeten.

Besitzstandspensionisten sind alle Pensionsempfänger, deren Pensionsanspruch nach dem 31.12.1996 entstanden ist und die als DN ein Eintrittsdatum – bei Männern nach dem 1.1.1967, bei Frauen nach dem 1.1.1972 – aufweisen, ausgenommen Männer/Frauen, die spätestens am 31.12.1996 das 50./45. Lebensjahr vollendeten.

[...] 2015 teilte die Bekl dem Kl mit, dass er Ansprüche auf eine Pensionsleistung habe, die während des Abfertigungszeitraums jedoch ruhe. Diese betrage 435,34 € brutto.

Die Bekl behandelt den Kl [...] als Besitzstandspensionisten. Sein Pensionsanspruch entstand nach dem 31.12.1996. Er ist am 1.3.1979, sohin nach dem 1.1.1967, aber auch nach dem 1.1.1972, bei der Bekl eingetreten. Am 31.12.1996 hatte er das 45. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch das 50. Lebensjahr.

Der Kl begehrt mit der vorliegenden Klage die Feststellung, dass die Bekl ihm nach dem Zeitraum, für den die Betriebspension wegen des Bezugs einer Abfertigung ruht, eine monatlich fällige Betriebspension zu bezahlen habe, die – unter Anwendung der kollektivvertraglichen Regelungen für Übergangspensionen – ebenso zu berechnen sei, wie wenn es sich beim Kl um eine Frau handeln würde. Er bringt dazu vor, dass er von der Bekl als „Besitzstandspensionist“ gem § 1a Abs 4 PR 61 behandelt werde. Weibliche Angestellte seines Geburtsjahrgangs würden jedoch von der Bekl bereits als Übergangspensionistinnen geführt und würden daher eine höhere Betriebspension und auch eine höhere Gesamtleistung erhalten, die sich aus der ASVG-Pension, der Betriebspension und der Pensionskassenleistung zusammensetze. Der Kreis der Besitzstandspensionisten und der Übergangspensionisten werde im KollV nicht geschlechtsneutral umschrieben. Es werde nicht nur beim Lebensalter zwischen Männern und Frauen unterschieden, sondern auch beim Dienstalter. Es liege daher eine sachlich nicht gerechtfertigte, geschlechtsbezogene Diskriminierung des Kl vor. Dabei handle es sich auch um keinen gerechtfertigten Ausgleich für die Benachteiligung von Frauen im Arbeitsleben. Seiner Aufforderung auf Neuberechnung habe die Bekl nicht Folge geleistet. Die monatliche Differenz betrage zu Lasten des Kl mindestens 814,33 € brutto.

Die Bekl bestreitet und bringt vor, dass der Kl nach dem PR 61 als Besitzstandspensionist zu qualifizieren sei. Richtig sei, dass der KollV dafür unterschiedliche Kriterien für Männer und Frauen aufstelle, es werde jeweils auf das Geburtsjahr abgestellt. Das gleichfalls unterschiedliche Eintrittsdatum bei Männern und Frauen sei im Fall des Kl nicht von Relevanz. Eine Diskriminierung des Kl liege nicht vor. Die geschlechtliche Differenzierung sei nicht unzulässig. Mit der Übergangsregelung sollten erworbene Anwartschaften, abgestuft nach der Nähe zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter, gesichert werden. Männer und Frauen, die sich zum damaligen Zeitpunkt 15 Jahre oder mehr vom gesetzlichen Pensionsantrittsalter entfernt befunden hätten, seien gleich behandelt worden, ebenso Männer und Frauen, die 15 Jahre oder kürzer bis zur gesetzlichen Pension hätten. Es handle sich daher um eine neutrale Regelung. Auf die Betriebspension sei auch eine fiktive ASVG-Pension gegenzuverrechnen, die unter Ausklammerung individueller Aspekte erfolge. Damit wären Frauen in der Regel schlechter gestellt als Männer, weil bei Männern die fiktive Sozialversicherungspension in der Regel höher sei, als die Frauen tatsächlich gewährte. Es müsse die gesamte Arbeitssituation bzw das gesamte Arbeitsleben von Männern und Frauen in Betracht gezogen werden, wobei es nach wie vor 122 Realität sei, dass Frauen während ihres gesamten Arbeitslebens gegenüber Männern benachteiligt seien. Bei der Bewertung des Erwerbslebens und der erforderlichen Absicherung für den Ruhestand könne man daher nicht von einer vergleichbaren Situation zwischen Männern und Frauen sprechen. Aus dieser Unterschiedlichkeit resultiere auch eine wesentlich geringere Höhe der gesetzlichen Pension bei Frauen. Auch die von der Bekl gewährten Betriebspensionen seien bei Frauen im Durchschnitt halb so hoch wie bei Männern. Frauen könnten ab dem Zeitpunkt, ab dem sie eine gesetzliche Alterspension beziehen könnten, wesentlich leichter gekündigt werden als Männer im gleichen Alter. Dementsprechend bestehe das Erfordernis einer Absicherung durch Betriebspensionen. Dass Frauen in einem früheren Lebensalter als Männer Anspruch auf eine höhere, weil andere Art von Betriebspension haben, stelle unter diesen Aspekten keine geschlechtliche Diskriminierung dar. Wenn in staatlichen Pensionssystemen nach wie vor unterschiedliche Pensionsantrittsalter von Männern und Frauen vorgesehen seien, müsse es möglich sein, dass private Vorsorgesysteme altersmäßige Abstufungen beinhalten, die nicht nur aus Anpassungen an das staatliche System resultieren, sondern auch der unterschiedlichen Erwerbssituation von Männern und Frauen Rechnung tragen. Selbst wenn man von einer nicht neutralen Regelung ausginge, wäre diese nicht diskriminierend, weil sie als positive Maßnahme zu werten sei. [...]

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kl erfülle als Mann lediglich die kollektivvertraglichen Kriterien für die Gewährung einer Besitzstandspension. Wäre er eine Frau, würde er die Voraussetzungen für die Gewährung der – höheren – Übergangspension erfüllen. Er erfahre daher eine weniger günstige Behandlung allein aufgrund seines Geschlechts. Es sei hier von einer vergleichbaren Situation auszugehen, unterschieden werde dabei nur aufgrund des Geschlechts, andere Kriterien seien ohne Relevanz. Dass die unterschiedlichen gesetzlichen Pensionsalter noch europarechtlich und verfassungsrechtlich zulässig seien, bedeute nicht, dass eine Ungleichbehandlung in Ansehung des Arbeitsentgelts gerechtfertigt sei, auch wenn sie auf das unterschiedliche gesetzliche Regelpensionsalter abstelle.

Der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der Bekl gab das Berufungsgericht nicht Folge. Eine unmittelbare Diskriminierung liege dann vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfahren hat oder erfahren würde. Es sei nicht erkennbar, weshalb bei Berechnung der Betriebspensionen nach dem PR 61 keine vergleichbare Situation zwischen Männern und Frauen vorliegen solle. Die Parameter für die zu errechnende fiktive ASVGPension seien für Männer und Frauen gleich, ebenso Einschränkungen der Berücksichtigung von Schul- und Studienzeiten. Da der Kl als Mann aufgrund seines Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfahre, als wenn er eine Frau wäre, liege eine unmittelbare Diskriminierung vor, die nicht rechtfertigbar sei. Die Argumente der Bekl zum verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz überzeugten nicht, da es um die Beurteilung einer jedenfalls unbedenklich langen Übergangsfrist bei der Umstellung des Pensionskassensystems gehe. Der Kl habe Anspruch auf eine diskriminierungsfreie Erfüllung der kollektivvertraglichen Rechtsansprüche. [...] Aus dem PR 61 sei auch nicht erkennbar, dass die an sich geschlechtsdiskriminierende unterschiedliche Einstufung eine positive Maßnahme iSd § 8 GlBG zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern sein solle.

Die Revision an den OGH erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung regelmäßig wegen des größeren Personenkreises der hiervon betroffenen AG und AN erhebliche Bedeutung zukomme.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Bekl mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen in eine Klagsabweisung abzuändern. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Angeregt wird weiters die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH.

Rechtliche Beurteilung

Der Kl beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision der Bekl ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die betriebliche Pension des Kl ist in einem KollV geregelt. Unstrittig steht ihm nach dieser Regelung nur eine Besitzstandspension zu. Die Gerichte haben allerdings Kollektivverträge dahin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, also das Unionsrecht, die Verfassung, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (RIS-Justiz RS0018063 [T5]).

Konkret zu prüfen ist hier ein Verstoß gegen den unmittelbar anzuwendenden Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen nach Art 157 AEUV (ex-Art 141 EG; ex-Art 119 EGV), der die Unwirksamkeit der davon betroffenen innerstaatlichen Gesetze, Kollektivverträge, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträge nach sich zieht (RIS-Justiz RS0117073).

2. Art 157 AEUV sieht – übereinstimmend mit den jeweiligen Vorgängerbestimmungen – vor, dass jeder Mitgliedstaat den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherstellt. [...]

Im innerstaatlichen Recht findet sich das Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich des Entgelts in § 3 Z 2 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), BGBl I 2004/66BGBl I 2004/66, zuvor schon im Gleichbehandlungsgesetz BGBl 1979/108. Diese Bestimmungen sind unionsrechtskonform bzw richtlinienkonform zu interpretieren.

3. Nach Art 2 Abs 1 lit a der RL 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) bzw seiner Umsetzung in § 5 Abs 1 GlBG liegt eine unmittelbare Diskriminierung dann vor, wenn eine Person aufgrund ihres 123 Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

Danach und nach der Rsp des EuGH muss also eine Situation nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein und muss die Prüfung der Vergleichbarkeit nicht allgemein und abstrakt, sondern spezifisch und konkret für die betreffende Leistung erfolgen (EuGH 12.12.2013, C-267/12, Hay, Rn 33 ua).

[...]

Die Revision der Bekl argumentiert nun, dass trotz der unterschiedlichen Regelung für Frauen und Männer keine Geschlechtsdiskriminierung vorliege, weil jeweils ausgehend vom (unterschiedlichen) gesetzlichen Pensionsantrittsalter Frauen und Männer gleich behandelt würden.

Der EuGH hat am 17.5.1990 in der Rs Barber (C–262/88, Rn 32) klar und deutlich ausgesprochen, dass Art 119 EGV (Vorgängerbestimmung zu Art 141 EG bzw Art 157 AEUV) jede das Entgelt betreffende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ohne Rücksicht darauf verbiete, woraus sich diese Ungleichbehandlung ergibt. Daher verstoße die Festsetzung eines je nach dem Geschlecht unterschiedlichen Rentenalters für die Zahlung von Renten im Rahmen eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gegen Art 119 EGV, selbst wenn dieser Unterschied im Rentenalter von Männern und Frauen der insoweit für das nationale gesetzliche System geltenden Regelung entspricht.

In der Rs Moroni (C-110/91, Rn 19) verwies der EuGH am 14.12.1993 erneut darauf, dass die in einer nationalen Bestimmung vorgesehene Verpflichtung, die Betriebsrente gleichzeitig mit der gesetzlichen Altersrente zu zahlen, nicht den Ausschluss des betrieblichen Systems vom Anwendungsbereich des Art 119 EGV zur Folge habe. Die nationale Bestimmung habe keine Auswirkungen auf den diskriminierenden Charakter der streitigen Kürzung, der sich allein aus den auf Vereinbarung beruhenden Bestimmungen des fraglichen betrieblichen Systems über die Festsetzung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen gesetzlichen Rentenalters ergebe.

Aus den in diesen Entscheidungen dargestellten und in der Folge fortgeschriebenen Grundsätzen ergibt sich, dass ein unterschiedliches gesetzliches Pensionsalter keine Rechtfertigung für einen Verstoß gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts bei Frauen und Männern darstellen kann. Lässt man aber das unterschiedliche gesetzliche Pensionsalter als relevante Bezugsgröße außer Betracht, verbleibt für den vorliegenden Fall eine allein aufgrund des Geschlechts vorgenommene Differenzierung bei den Übergangspensionen für bestimmte Jahrgänge bzw bestimmte Zeiten des Diensteintritts.

Dies steht entgegen der Ansicht der Bekl auch nicht in Widerspruch zur E des EuGH vom 9.11.1993 in der Rs Birds Eye Walls Ltd (C-132/92). Die dort vom AG gewährte Überbrückungsrente war an AN zu zahlen, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand traten, und sollte vor allem den Einkommensverlust ausgleichen, der sich dadurch ergibt, dass das gesetzliche Rentenalter noch nicht erreicht ist. Daher sah es der EuGH als zulässig an, die Höhe der später bezogenen gesetzlichen Rente zu berücksichtigen und die Überbrückungsrente entsprechend zu kürzen, auch wenn dies für die Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen dazu führte, dass eine ehemalige AN eine geringere Überbrückungsrente bezieht als eine männliche Vergleichsperson, wobei dieser Unterschied der Höhe der gesetzlichen Rente entspricht, auf die die Frau mit Vollendung des 60. Lebensjahres aufgrund der bei diesem AG zurückgelegten Beschäftigungszeiten Anspruch hat.

Im vorliegenden Fall stellt sich nicht die Frage einer Überbrückung nach vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Anspruch auf Alterspension. [...]

Auch in der Rs Hlozek (C-19/02), hatte der EuGH am 9.12.2004 die in einem Sozialplan vorgesehene Überbrückungszahlung zu beurteilen, durch die dem drohenden Risiko der Arbeitslosigkeit begegnet werden sollte, das sich mit der Nähe zum gesetzlichen Pensionsalter vergrößert, weshalb eine unterschiedliche Altersgrenze für Frauen und Männer vorgesehen war. Der EuGH ging davon aus, dass Männer, die weiter von dem durch Gesetz für die vorzeitige Alterspension vorgesehenen Alter entfernt waren als Frauen, sich hinsichtlich der Höhe des sie bedrohenden Risikos der Arbeitslosigkeit nicht in der gleichen Situation wie AN gleichen Alters befanden (Rn 48).

Eine vergleichbare Risikoabwägung ist dem PR 61 nicht zu entnehmen und auch nicht zu unterstellen.

4. Aus den Entscheidungen Birds Eye Walls Ltd. und Hlozek will die Bekl generell ableiten, dass durch das zulässige Abstellen auf den Zweck einer AG-Leistung eine Diskriminierung ausgeschlossen sein kann. Die gesamte Arbeitssituation bzw das gesamte Arbeits- und Erwerbsleben von Frauen und Männern habe in die Beurteilung miteinzufließen. [...]

Allerdings übergeht die Bekl dabei, dass die Regelung abgesehen vom Geschlecht keine Kriterien für eine differenzierte Betrachtung beinhaltet und auch keine Hinweise darauf, welche konkreten Benachteiligungen der Frauen durch die begünstigende Pensionsregelung ausgeglichen werden sollen. Es wird vom Senat nicht verkannt, dass Frauen nach wie vor in vielen Bereichen des Arbeitslebens gegenüber Männern benachteiligt sind und diskriminiert werden. Aber auch die Bekl legt nicht dar, inwiefern die gegenüber gleichaltrigen Männern höhere betriebliche Pensionsleistung im Einzelnen geeignet ist, Diskriminierungen bei Frauen, Gehaltseinbußen von Frauen aufgrund Teilzeitbeschäftigung, Inanspruchnahme von Karenz und Mehrbelastungen und damit insgesamt oftmals geringeren Pensionsleistungen von Frauen zu begegnen (vgl EuGH 29.11.2001, C-366/99, Griesmar, Rn 65 f). Entscheidend ist, ob die Leistung des AG für Frauen und Männer nach identen Kriterien bemessen wird. Die vorliegende, rein auf das Geschlecht abstellende Unterscheidung durch den PR 61 nimmt auf keine allenfalls tatsächlich vorliegenden Unterschiede Rücksicht. Die differenzierende 124 Anknüpfung an das Alter bei Frauen und Männern in der Übergangsregelung führt bei Personen mit völlig identem Karriereverlauf und identem Einkommen allein aufgrund des unterschiedlichen Geschlechts zu unterschiedlichen Pensionsregelungen. Die von der Revision behauptete strukturelle Verbesserung der Arbeitssituation von Frauen wird damit nicht erreicht.

5. Zusammenfassend bedeutet das, dass durch den PR 61 das bis dahin bestehende Pensionssystem, das keine unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern vorsah, geändert und eine Regelung vorgesehen wurde, die hinsichtlich Frauen und Männern nach dem Diensteintritt bzw dem Lebensalter zum 31.12.1996 differenzierte. Damit wurden Personen, die sich in einer vergleichbaren Situation (gleiches Eintrittsdatum, gleiches Lebensalter) befinden, nur aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich behandelt, indem sie einem unterschiedlichen Pensionsregime unterstellt wurden. Nach den zuvor zitierten Entscheidungen des EuGH in den Rs Barber und Moroni stellt das unterschiedliche gesetzliche Pensionsalter kein Kriterium dar, das eine Differenzierung bei betrieblichen Altersvorsorgen rechtfertigt. Damit liegt aber in den vorliegenden unterschiedlichen Regelungen für Frauen und Männer eine unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung.

6. Der Bekl kann auch nicht darin gefolgt werden, dass es sich bei dieser Regelung um eine positive Maßnahme iSd § 8 GlBG handelt. Richtig ist, dass positive Maßnahmen nicht nur in Gesetzen und Verordnungen, sondern auch in Instrumenten der kollektiven Rechtsgestaltung enthalten sein können. Die Revision zeigt jedoch nicht auf, inwieweit eine nach dem Geschlecht differenzierende Betriebspension geeignet ist, die Gleichstellung von Frauen und Männern durch die Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten iSd Art 7 Abs 2 B-VG zu erreichen. [...]

7. Die Bekl macht weiters geltend, dass nach der Judikatur des EuGH kein Recht besteht, für Zeiten vor dem 1.1.1994 eine Gleichbehandlung aufgrund unionsrechtlicher Vorschriften einzufordern. Der Kl habe daher für die Dienstzeiten vom 1.3.1979 bis 31.12.1993 keinen Anspruch auf Gleichbehandlung. [...]

Das Berufungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, dass die anrechenbaren Dienstzeiten der Berechnung des Anspruchs des Kl und damit der Höhe und nicht dem Grund des Anspruchs, auf den sich das Feststellungsbegehren des Kl bezieht, zuzurechnen sei. Dem kann insofern nicht gefolgt werden, als das Feststellungsbegehren nicht nur darauf gerichtet ist, dass der Kl grundsätzlich einen Anspruch auf eine Übergangspension hat, sondern auch darauf, dass diese Übergangspension in einer bestimmten Weise berechnet wird, nämlich so, als ob der Kl eine Frau wäre. Damit zielt es aber auch darauf ab, dass eine Berechnung unter Berücksichtigung sämtlicher Anwartschaftszeiten, die auch bei einer Frau in der Situation des Kl berücksichtigt worden wären, zu erfolgen hat. Insoweit ist daher der Einwand der Bekl auch im Rahmen des vorliegenden Feststellungsbegehrens zu prüfen.

Der EuGH hat in der bereits zitierten Rs Barber dargelegt, dass die Mitgliedstaaten und die Betroffenen bis zu dieser E vom 17.5.1990 annehmen durften, dass Art 119 EGV nicht für Renten gelte, die aufgrund eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt würden und dass Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in diesem Bereich nach wie vor zulässig seien (Rn 43). [...] In der E vom 6.10.1993 (C-109/91, Ten Oever, Rn 19), konkretisierte er, dass die Gleichbehandlung auf dem Gebiet der betrieblichen Renten nur für Leistungen geltend gemacht werden könne, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17.5.1990, dem Tag des Erlasses des Urteils Barber, geschuldet werden.

In dem dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokoll Nr 2 zu Art 119 EGV wurde im Hinblick auf diese Judikatur festgehalten, dass iSd Art 119 EGV Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit nicht als Entgelt gelten, sofern und soweit sie auch auf Beschäftigungszeiten vor dem 17.5.1990 zurückgeführt werden können, außer im Fall von AN oder deren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt eine Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach geltenden einzelstaatlichem Recht anhängig gemacht haben.

[...] Für Mitgliedstaaten, die nach dem 17.5.1990 der Gemeinschaft beigetreten sind und zum 1.1.1994 Vertragsparteien des Abkommens für den Europäischen Wirtschaftsraum waren, wird das Datum „17. Mai 1990“ in Abs 1 Satz 1 durch „1. Jänner 1994“ ersetzt.

In der Folge konkretisierte der EuGH in verschiedenen Entscheidungen den Umfang des Rückwirkungsverbots. [...]

Aus diesen Entscheidungen lässt sich zum einen ableiten, dass die Rückwirkungsbeschränkung, die sich aus der E Barber im Hinblick auf ein unterschiedliches Pensionsanfallsalter bzw aus dem Protokoll Nr 2 zu Art 119 EGV und Art 12 der RL 2006/54/EG für „Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit“ ergibt, dem Schutz des guten Glaubens der Betroffenen (in der Regel des AG) dient, die vernünftigerweise annehmen durften, dass Art 119 EGV nicht für Renten gilt, die aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit bezahlt werden.

Das vorliegende Verfahren ist nun dadurch gekennzeichnet, dass die – wie zuvor ausgeführt – diskriminierende Bestimmung in einem KollV aus dem Jahr 1996 enthalten ist, auch wenn sie Betriebspensionen regelt, die auf frühere Anwartschaften gründen. Damit kann sich die Bekl aber nicht auf einen Schutz ihres guten Glaubens berufen, da es zu diesem nach dem EU-Beitritt Österreichs vom 1.1.1995 liegenden Zeitpunkt schon seit Jahren der ständigen Judikatur des EuGH entsprach, dass das Gleichbehandlungsgebot auch für betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit gilt. Wenn daher die Kollektivvertragsparteien im Jahr 1996 eine diskriminierende Regelung geschaffen haben, ist diese aufgrund des Widerspruchs zum gemeinschafts- 125 bzw unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot unbeachtlich.

Aus den zitierten Entscheidungen ergibt sich aber darüber hinaus, dass die Beschränkungen der Wirkungen des Urteils Barber für den Anspruch auf Anschluss an ein Betriebsrentensystem nicht gilt, vielmehr ist dazu auf den 8.4.1976, dem Tag des Erlasses des Urteils Defrenne (43-75), abzustellen. Im vorliegenden Fall stellt die im PR 61 enthaltene Diskriminierung keine Diskriminierung aufgrund des Anfallsalters bzw der Leistung dar, unstrittig haben Frauen und Männer in gleicher Weise Anwartschaftszeiten erworben und ist der Pensionsanfall vom Ende des Dienstverhältnisses und dem Anspruch auf eine Alterspension nach dem ASVG abhängig. Es handelt sich vielmehr um eine Diskriminierung beim Zugang zu einem bestimmten Pensionssystem (Übergangspension statt Besitzstandspension). [...]

Die Berechnung der Übergangspension des Kl hat daher unter Berücksichtigung auch der Anwartschaften vor 1994 zu erfolgen. [...]

9. Zusammengefasst hat der Kl Anspruch auf Bezahlung der Betriebspension, die ihm bei einer diskriminierungsfreien Regelung zugestanden wäre, dh auf eine Übergangspension, die so zu berechnen ist, als wäre er eine Frau.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

ANMERKUNGEN
1.
Einleitung

Die E betrifft eine Betriebspensionszusage, die in Abhängigkeit des Geschlechts verschiedene Pensionshöhen vorsah. Konkret war der Zugang zu zwei verschiedenen Modellen bzw Pensionshöhen fraglich, der sich nach dem Lebens- und Dienstalter richtete, das wiederum geschlechtsspezifisch definiert war; im vorliegenden Fall war jedoch nur das Lebensalter relevant. Die höhere Pension nach dem Modell 1 (sogenannte ÜbergangspensionistInnen) verlangte für Männer, dass diese zum 31.12.1996 bereits das 50. Lebensjahr vollendet haben und Frauen das 45. Lebensjahr. In beiden Fällen war das gesetzliche Regelpensionsalter 15 Jahre entfernt. Der Kl hatte zu diesem Zeitpunkt zwar sein 45. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht sein 50. Lebensjahr. Daher wurde ihm nur die niedrigere Pension nach dem Modell 2 gewährt. Als Frau hätte er jedoch die höhere Pension nach dem Modell 1 bekommen, die nach Angabe des Kl fast dreimal so hoch wäre. Der AG rechtfertigt sich dadurch, dass damit die (gleiche) Pensionsnähe (für Frauen und Männer jeweils 15 Jahre) zum gesetzlichen Pensionsalter berücksichtigt worden sei. Jedenfalls wird das gesetzliche Regelpensionsalter der Frauen erst ab 2024 schrittweise von 60 auf 65 angehoben. Der OGH hält die Gestaltung der Betriebspensionszusage für unmittelbar diskriminierend und gab dem Kl recht.

Die E mag intrasystematisch stimmig sein – befriedigend ist sie deshalb aber noch nicht. Sie reiht sich grundsätzlich in eine alte und lange Judikaturkette ein, wonach der Anfall einer Betriebspension dann nicht an das gesetzliche Pensionsalter anknüpfen darf, wenn dieses zwischen Männer und Frauen unterscheidet (Barnard, EU Employment Law4 [2012] 475 ff). Die vom OGH zitierten Rs Barber (EuGHC-262/88) und Moroni (EuGH 14.12.1993, C-110/91) betreffen diese Situation. Allerdings geht es im vorliegenden Fall nicht um den Zeitpunkt des Anfalls der Betriebspension, sondern um die Pensionshöhe. Freilich sollte die fragliche Gestaltung dazu führen, dass die Pension genau zum Zeitpunkt des Anfalls der ASVG-Pension gleich hoch ist, also zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Frauen haben damit bereits fünf Jahre früher dieselbe Pensionshöhe wie Männer. Die Bekl rechtfertigt diese Ungleichbehandlung gerade damit, dass sie Gleichheit herstellen wollte. Es darf als Folge der E nicht verkannt werden, dass eine gleiche Betriebspensionshöhe für Männer und Frauen zum sechzigsten Lebensjahr dazu führt, dass Frauen im Ergebnis typischerweise eine geringere Betriebspension haben. Dies deshalb, weil Männer typischerweise länger arbeiten und auch nach dem sechzigsten Lebensjahr noch weitere Anwartschaften erwerben – was vor dem Gleichbehandlungsrecht wohl unstrittig zulässig wäre. Männer haben dann nicht nur eine höhere ASVG-Pension, sondern auch eine höhere Betriebspension. Solange Frauen daher nicht länger arbeiten bzw das gesetzliche Pensionsalter angeglichen wird, verstärkt das Gleichbehandlungsrecht genau den Effekt, den es vermutlich beseitigen will: Die Ungleichheit von Frauen und Männern. Die vorliegende E zeigt, dass die Ungleichheit nicht über höhere (Betriebs-)Pensionen für Frauen ausgeglichen oder abgefedert werden darf, sondern grundsätzlich nur über eine Angleichung im Erwerbsleben (der Frauen). Das ist insofern konsequent, weil das Gleichbehandlungsgebot ja auf die Entgeltgleichheit bei der Arbeit abstellt.

Die E erschwert die sinnvolle Gestaltung von Betriebspensionszusagen, die ja regelmäßig die erste Pensionssäule ergänzen sollen. Das verlangen sowohl das BPG (§ 1 Abs 1) als auch etwa die EU-Pensionsfonds-RL 2016/2341 (Art 6 Abs 4 iVm Art 10 Abs 2); genau betrachtet ist die Pensionskassenzusage (sowie die betriebliche Kollektivversicherung) nicht bloß ergänzend, sondern partiell ersetzend, weil für Pensionskassenbeiträge des AG keine Pensionsversicherungsbeiträge anfallen (§ 49 Abs 3 Z 18 lit b ASVG). Auch für das neue pan-europäische Pensionsprodukt (PEPP) ist eine ergänzende Funktion vorgesehen (Art 2 Abs 1 lit a PEPP-VO 2019/1238). Die hier offenbar gewordene Dysfunktionalität im gleichheitsrechtlichen Zusammenspiel der Pensionssäulen ist freilich der ersten Pensionssäule geschuldet. Für diese gelten gleichheitsrechtlich nach wie vor andere Maßstäbe, so dass eine zulässige Gestaltung in der ersten Pensionssäule eine unzulässige Gestaltung in der zweiten Pensionssäule sein kann. Ob die Ungleichbehandlung in der ersten Pensionssäule europarechtlich überhaupt noch haltbar ist, ist zumindest zweifelhaft (zur daraus resultierenden Vorlagepflicht an den EuGH Rebhahn, DRdA 2015/52). Für Staatsbedienstete wurde diese Frage jüngst entschieden 126 in der Rs KOM/Polen (EuGH 5.11.2019, C-192/18, Rn 47 ff), wonach das unterschiedliche Pensionsalter von männlichen und weiblichen Richtern und Staatsanwälten für gleichheitswidrig erachtet wurde. Allerdings war dort Art 157 AEUV bzw die RL 2006/54 anwendbar, was außerhalb des öffentlichen Sektors für die gesetzliche Pension nicht zutrifft; dort greift die RL 79/7/EWG sowie die Grundrechtecharta. Allerdings ist die Rs KOM/Polen für die hier einschlägige Situation – Anwendbarkeit des Art 157 AEUV und der RL 2006/64 – ein weiterer Mosaikstein, der das Ergebnis der vorliegenden E unterstreicht.

2.
Gleichbehandlung und Vergleichbarkeit

Ich möchte für die Besprechung einen Aspekt der E herausgreifen, der inhaltlich sehr kurz gekommen ist, aber bei genauerer Betrachtung verwickelt ist. Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsrechts setzt stets eine Vergleichbarkeit der Situationen voraus, in der sich die zu vergleichenden Personen/Gruppen befinden. Betrachtet man auf diesem Abstraktionsniveau – gleichsam präpositiv, wie Robert Rebhahn gerne zu sagen pflegte – den vorliegenden Fall, scheint keineswegs eine vergleichbare Situation vorzuliegen, wenn und weil die erste Pensionssäule zu berücksichtigen ist. Der OGH kommt jedoch mit (zu) wenig Begründung zu einem anderen Ergebnis, und kann sich dafür wohl auch zu Recht auf den EuGH berufen. Die E ist also kontraintuitiv, wie Robert Rebhahn solche Fälle gerne bezeichnete. Die Frage der Vergleichbarkeit soll in einem ersten Schritt präpositiv durchdacht werden, danach positiv-dogmatisch. Eine alternative Lösung wird nicht präsentiert, sehr wohl aber Aspekte, auf die es ankommt, wenn man eine dogmatisch saubere Lösung haben möchte.

2.1.
Präpositive Analyse

Manchmal ist es gut, auch das festzuhalten, was sich einem a prima vista erschließt. Das ist zwar kein Endpunkt einer Analyse, aber wichtig für die Begründungslast in der Argumentation. So bringt die Bekl vor, dass Frauen und Männer wegen des unterschiedlichen gesetzlichen Pensionsantrittsalters in keiner vergleichbaren Situation wären. Nüchtern betrachtet ist das zweifellos richtig: Frauen können früher in Pension gehen und tun dies auch; auch ist ihre Pension – ua deshalb – deutlich geringer als jene von Männern. Das sogenannte gender pension gap ist sowohl in der EU als auch national als wesentliche sozialpolitische Herausforderung anerkannt. In der ersten Pensionssäule bestehen daher massive Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Da (in Österreich) die erste Pensionssäule auch den weit überwiegenden Teil der Alterseinkünfte ausmacht, führt dieser Unterschied ganz generell zu stark unterschiedlichen ökonomischen Lagen von Männern und Frauen im Alter. Die hohe Scheidungsrate führt dazu, dass diese Unterschiede auch manifest werden.

Insofern die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der gesetzlichen Pension auch (verfassungs-)gesetzlich fixiert ist, liegt auch rechtlich betrachtet keine vergleichbare Situation vor. Zweifellos sind die Unterschiede in der gesetzlichen Pension – präpositiv gedacht – höchst relevant für die ergänzenden Sicherungssysteme. Die Ungleichbehandlung bei der Betriebspension steht also in einem klaren Sinnzusammenhang mit der Ungleichbehandlung in der ersten Säule, sie ist somit jedenfalls sachlich und nicht unsachlich. Freilich stets vorausgesetzt, dass die Schlüsse, die in und für die Betriebspension aus der Ungleichheit in der ersten Säule gezogen werden, ebenfalls sachlich sind. Die Ungleichheit in der gesetzlichen Pension „rechtfertigt“ nur solche Maßnahmen, die spezifisch und sachlich auf diese reagieren.

2.2.
Positive Analyse

Für die Anwendbarkeit des Entgeltgleichheitsgebots wird bei den Vergleichspersonen „gleiche oder gleichwertige Arbeit“ gefordert (Art 157 Abs 1 AEUV, Art 4 RL 2006/54). Diese Frage wurde in der vorliegenden E gar nicht erst releviert. Im Modus der unmittelbaren Diskriminierung – um eine solche geht es hier – wird weiters verlangt, dass die Benachteiligung zumindest in einer „vergleichbaren Situation“ stattfinden muss (Art 2 Abs 1 lit a RL 2006/54). Fraglich ist, wie sich der Vergleichsrahmen der „gleichwertigen Arbeit“ zu dem der „vergleichbaren Situation“ verhält. Nach dem Wortlaut ist das Kriterium der „vergleichbaren Situation“ deutlich weiter als das der „gleichwertigen Arbeit“, weil dann potentiell alle Faktoren relevant sind, die für bzw gegen eine Vergleichbarkeit sprechen können.

Man kann aber schon zweifeln, ob das Kriterium der „vergleichbaren Situation“ tatsächlich etwas anderes meint als die „gleichwertige Arbeit“. Das würde uU dazu führen, dass man zwei verschiedene Vergleichbarkeitstests anstellen müsste; das wurde aber bisher – soweit überblickbar – nicht behauptet. Interessanterweise kennt das GlBG nur das Kriterium der „vergleichbaren Situation“ (§ 5 Abs 1); jenes der „gleichwertigen Arbeit“ kommt in § 3 GlBG (Gleichbehandlung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis) nicht vor. Der Grund liegt wohl darin, dass in § 3 sämtliche Diskriminierungsfelder erfasst sind, nicht nur die Entgeltdiskriminierung. Nur bei dieser aber wird im EU-Recht (Art 157 Abs 1 AEUV, Art 4 RL 2006/64) das Kriterium der „gleichwertigen Arbeit“ genannt.

Erwägungsgrund 9 der RL 2006/54 spricht von einer „vergleichbaren Lage“ und fasst darunter jene Faktoren zusammen, die für die Vergleichbarkeit von Arbeit relevant sind (so auch Mohr in Franzen/Gallner/Oetker, EuAR4, RL 2006/54, Art 4 Rn 5). Das Primärrecht kennt überhaupt nur das Kriterium der „gleichwertigen Arbeit“ (Art 157 AEUV). Danach könnte das Kriterium der „vergleichbaren Situation“ nur deklarativ sein, in dem schlicht in einer Kurzformel das Kriterium der „gleichen oder gleichwertigen“ Arbeit übernommen werden soll (in diese Richtung wohl auch Mohr in Franzen/Gallner/Oetker, EuAR4, RL 2006/54, Art 4 Rn 5). Dafür spricht, dass ein unterschiedlicher Inhalt der beiden 127 Kriterien – „gleiche oder gleichwertige Arbeit“ einerseits, „vergleichbare Situation“ andererseits – systematisch wenig einsichtig wäre. Ist der Begriff der „vergleichbaren Situation“ weiter, braucht man den Begriff der „gleichwertigen Arbeit“ nicht mehr (jedenfalls nicht mehr für die unmittelbare Entgeltdiskriminierung). Weiters könnte argumentiert werden, dass bei der unmittelbaren Diskriminierung aufgrund ihres größeren Unrechtsgehalts ein engerer und gleichzeitig strengerer Maßstab gilt als bei der mittelbaren Diskriminierung. Das Kriterium bzw Tatbestandsmerkmal (Benachteiligung bei gleichwertiger Arbeit) ist relativ simpel und offensichtlich für den AG, und daher für diesen – anders als die mittelbare Diskriminierung – gut kontrollierbar. Dies erklärt, warum eine unmittelbare Diskriminierung nach hM keiner Rechtfertigung zugänglich ist (dazu Rebhahn in Schwarze, EUKommentar4, Art 157 Rn 22). Das darf dann auch nicht dadurch ausgehebelt werden, dass – unter Berufung auf das Kriterium der „vergleichbaren Situation“ – ein funktional äquivalenter Test auf Tatbestandsebene etabliert wird. Es sprechen mE also gute Gründe dafür, dass das Kriterium der „vergleichbaren Situation“ nichts anderes meint als jenes der „gleichwertigen Arbeit“.

Bejaht man dies nicht und unterstellt unterschiedliche Inhalte zwischen den Kriterien „vergleichbare Situation“ und „gleichwertige Arbeit“ wäre immer noch zu fragen, ob für die Fälle der Entgeltgleichheit nicht doch bloß das Kriterium der „gleichwertigen Arbeit“ zum Tragen kommen sollte. Nur bei dieser würde sich ja das Problem der Dopplung der Vergleichbarkeitstests stellen, was wenig einsichtig wäre. Nachdem die Definition der unmittelbaren Diskriminierung (Art 2 Abs 1 lit a RL 2006/54) für alle Diskriminierungsfelder gilt, wäre zu erwägen, das dortige Kriterium im Falle der Entgeltdiskriminierung unangewendet zu lassen. Methodisch könnte das so geschehen, dass das Kriterium der „gleichwertigen Arbeit“ gleichsam als lex specialis aufgefasst wird oder dass das Kriterium der „vergleichbaren Situation“ teleologisch reduziert wird. Freilich bliebe dann immer noch die Frage, warum beim Entgelt und bei den sonstigen Arbeitsbedingungen unterschiedliche Vergleichbarkeitstests gelten sollen.

Welche Relevanz es hat, „gleichwertige Arbeit“ und „vergleichbare Situation“ gleichzusetzen, zeigt sich erst dann, wenn man dazusagt, wie man das Kriterium der „gleichwertigen Arbeit“ versteht. Wird dieses weit verstanden, wäre zwar immer noch etwas dogmatische Komplexität abgerüstet – es gibt nur eines statt zwei Kriterien –, im Ergebnis aber uU wenig Unterschied. So findet etwa zum Teil eine gewisse Weitung des Kriteriums der „gleichwertigen Arbeit“ dadurch statt, dass diese jeweils im Hinblick auf einen bestimmten Entgeltbestandteil geprüft wird. Die Vergleichbarkeitsprüfung wird kontextualisiert: „Gleichwertige Arbeit in welcher Hinsicht“ wird gefragt (Mohr in Franzen/Gallner/Oetker, EuAR4, RL 2006/54, Art 4 Rn 5). Damit wird der Zweck des jeweiligen Entgeltbestandteils relevant, der als solcher durchaus auch auf Aspekte außerhalb des Arbeitsverhältnisses ieS Rücksicht nimmt. Bei Betriebspensionen ist das besonders offensichtlich, weil diese ja gerade dann gebührt, wenn keine Arbeit mehr geleistet wird und die dann bestehende Situation bedenkt. Der OGH widerspricht dem nicht grundsätzlich, sondern meint, dass die betriebliche Pensionsregelung nur nach dem Geschlecht differenziere, keine differenzierende Betrachtung erlaube und auf keine tatsächlich vorliegenden Unterschiede Rücksicht nehme. Das ist so freilich falsch: Die Regelung differenziert nämlich keineswegs nur nach dem Geschlecht, sondern ebenso nach dem Alter, um die Unterschiede im gesetzlichen Pensionsrecht zu erfassen. Auch ist insb (aber nicht nur) aufgrund dieses Unterschieds im gesetzlichen Pensionsalter die Situation im Alter generell stark unterschiedlich zwischen Männern und Frauen. Soweit man daher die Frage nach dem Zweck einer Leistung zulässt, wäre daher zu berücksichtigen, dass die Betriebspensionsregelung geradezu eine Gleichbehandlung angestrebt hat; diese ist aber gerade bei einer Gesamtversorgungszusage, wie sie hier vorliegt, ohne Berücksichtigung der ersten Pensionssäule, nicht sinnvoll möglich.

Relevant ist auch die (vergebliche) Berufung der Bekl auf die Rs Bird Eye Walls Ltd (EuGH 9.11.1993, C-132/92) und Hlozek (EuGH 9.12.2004, 19/02), die jeweils Überbrückungsrenten zum Gegenstand hatten, die an ein – unterschiedliches! – gesetzliches Pensionsalter von Männern und Frauen anknüpften. Der EuGH hielt beide Konstellationen für zulässig. Die Argumentation zur Differenzierung mit den herkömmlichen Betriebspensionsfällen überzeugt wenig. Die Rsp wurde denn auch als Ausnahme in Art 8 Abs 2 RL 2006/54 aufgenommen, der jedoch nicht im GlBG umgesetzt wurde.

3.
Resümee

Die E steht hinsichtlich Vergleichbarkeit der Situation bzw der Arbeit von Männern und Frauen auf wackeligen Beinen. Es wird apodiktisch eine Vergleichbarkeit unterstellt, wo klar ist, dass die Situationen massiv unterschiedlich sind und wo weiter klar ist, dass die Betriebspensionsregelung genau deshalb zwischen Männern und Frauen unterschied. Die E ist gemessen an der Vorjudikatur folgerichtig, aber deshalb noch lange nicht richtig, jedenfalls in der Begründung nicht. Ehrlicher wäre es, das gesetzliche Pensionsalter klar für gleichheitswidrig (oder [noch] gleichheitskonform) zu erklären und aus diesem Grund eine Anknüpfung in der Betriebspension auszuschließen (oder zuzulassen): An rechtswidrige Regelungen kann nicht rechtskonform angeknüpft werden (dazu näher Dullinger in GS Rebhahn [2019] 40), und umgekehrt: An rechtskonforme Regelungen sollte stets angeknüpft werden können. Das ist aus Kohärenzgründen ganz wesentlich in einem Mehrsäulen- Pensionssystem, wie es auch die EU mehr oder weniger explizit propagiert (vgl Weißbuch, Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Renten, KOM[2012] 55 endg). 128