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Pensionsversicherung: Geschlechtsspezifisches Antrittsalter für die Alterspension

ROBERTREBHAHN (WIEN)
§ 130 Abs 1 GSVG; Art 7 RL 79/7/ EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit; Art 21 und 23 Grundrechtecharta

Der OGH sieht sich nicht veranlasst, ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zur Frage einzuleiten, ob die österreichische Regelung zur Angleichung des unterschiedlichen Pensionsalters für Frauen und Männer mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Der am 7.3.1950 geborene Kl hat zum 1.4.2012 495 Versicherungsmonate, davon 280 Beitragsmonate nach dem ASVG und 161 Beitragsmonate nach dem GSVG, erworben. Er beantragte am 10.2.2012 bei der bekl Sozialversicherungsanstalt die Gewährung der Alterspension. Die Bekl lehnte diesen Antrag mit Bescheid ab, weil ein Anspruch auf Alterspension erst dann bestehe, wenn der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet habe. Mit seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kl, ihm die Alterspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.3.2012 zuzuerkennen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese E, weil das Regelpensionsalter eines Versicherten das vollendete 65. Lebensjahr sei (§ 130 Abs 1 GSVG). Der Rechtsauffassung des Kl, dass mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1.12.2009, womit die Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC) den gleichen Rang wie die Gründungsverträge selbst erhalten habe, Art 7 Abs 1 lit a der RL 79/7/ EWG nicht mehr gelte und Art 21 Abs 1 GRC dem Art 7 Abs 1 dieser RL derogiere, könne nicht zugestimmt werden. In den Erwägungsgründen der GRC werde nämlich angeführt, dass die Charta die in der Union anerkannten Rechte, Freiheiten und Grundsätze bekräftige und diese Rechte besser sichtbar mache, aber keine neuen Rechte oder Grundsätze schaffe, wofür in gewisser Weise auch Art 51 Abs 2 und Art 52 Abs 2 GRC sprächen. [...]

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rsp des OGH zur Frage, in welchem Verhältnis die GRC (insb deren Art 21 Abs 1 und Art 23) zu Art 7 (insb des Abs 1 lit a) der RL stehe, fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Kl mit dem Antrag, jenes im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise beantragt er, dem EuGH gem Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  • „1.

    Widerspricht Art 7 der Richtlinie 79/7/EWG, insbesondere Abs 1 Buchstabe a, den sich aus Art 21 Abs 1, Art 23 GRC ergebenden Gleichheitsgeboten?

  • 2.

    Wird mit der Anpassung des Regelpensionsantrittsalters von Frauen an jenes der Männer erst ab dem Jahr 2024 mit einem 1992 beschlossenen, 10 Jahre andauernden Etappenplan, sodass die tatsächliche Gleichstellung erst im Jahr 2034 erreicht sein wird, insofern gegen Art 7 Abs 2 der Richtlinie 79/7/EWG verstoßen, als eine derartige Regelung weder gerechtfertigt noch verhältnismäßig ist, wenn nahezu alle anderen Mitgliedstaaten das Pensionsantrittsalter um viele Jahre früher angleichen und der österreichische Verfassungsgerichtshof bereits 1990 das geschlechtsspezifische Pensionsantrittsalter als gleichheitswidrig erkannt hat?

  • 3.

    Ist eine Regelung wie die des § 3 des Bundesverfassungsgesetzes über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten mit der Ausnahmeregelung des Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG vereinbar, wenn seit 1993 entgegen der Vorschrift des Art 7 Abs 2 der Richtlinie 79/7/EWG keine Überprüfung stattgefunden hat, ob die Aufrechterhaltung des unterschiedlichen Pensionsantrittsalters von Frauen und Männern unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung gerechtfertigt ist und der Angleichungszeitpunkt verfassungsrechtlich mit Ende 2033 fixiert ist?“

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Zu I.: Nach stRsp des OGH hat eine Prozesspartei keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die538 Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zu beantragen. Ein solcher Antrag ist zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0058452).

Zu II.: 1. Der Revisionswerber macht geltend: Das BVG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 1992/832 („BVG-Altersgrenzen“), sei eine Ausnahmevorschrift iSd Art 7 Abs 1 lit a und Abs 2 der RL 79/7/EWG. Dieses Verfassungsgesetz sei an Art 21 und Art 23 GRC zu messen, seien doch die Mitgliedstaaten an die Chartagrundrechte gebunden, wenn sie Maßnahmen erlassen, mit denen trotz Ausnützung einer Ausnahmebestimmung ein unionsrechtlich vorgegebenes Ziel verfolgt werde. Jede den Chartagrundrechten entgegenstehende Bestimmung nationalen Rechts sei von den nationalen Behörden unangewendet zu lassen. Das BVG-Altersgrenzen laufe auch der Durchsetzung unionsrechtlichen Sekundärrechts zuwider. Die bloß etappenweise Angleichung des Regelpensionsalters erst ab 2024 sei nämlich weder gerechtfertigt noch verhältnismäßig, sodass sie gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verstoße. Art 21 und Art 23 GRC konkretisierten lediglich den allgemeinen Gleichheitssatz, der nach den Erläuterungen zu Art 20 GRC ein allgemeines Rechtsprinzip sei, das in allen europäischen Verfassungen verankert sei und das der EuGH als ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts angesehen habe. Auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und die dortigen Wertungen sei daher auch in Hinblick auf Art 23 GRC Rücksicht zu nehmen. In 18 Mitgliedstaaten der EU werde bereits 2020 eine Angleichung vollzogen sein. Nur in Polen erfolge die Angleichung später als in Österreich, und zwar 2040. Nach den Wertungen der Mehrheit der Mitgliedstaaten verstoße eine etappenweise Angleichung erst ab 2024 gegen den Gleichheitsgrundsatz. Eine entsprechende Rechtfertigung sei nicht gegeben. Das frühe Pensionsantrittsalter für Frauen führe für diese insofern zu einer Benachteiligung, als hiedurch eine Weiterbeschäftigung über das gesetzliche Antrittsalter aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation faktisch unmöglich werde und die Frauen daher in der Pension aufgrund zu niedriger Einkommen und zu kurzen Versicherungszeiten Männern gegenüber wiederum finanziell schlechter gestellt seien. Auch an der Verhältnismäßigkeit mangle es der erst 2034 erreichten Angleichung. Der österreichische Gesetzgeber hätte spätestens 2005 mit einem Etappenplan beginnen müssen, der spätestens zehn Jahre später ein gleiches Pensionsalter für Männer und Frauen hätte herstellen müssen. Österreich verstoße mit dem Etappenplan des BVG-Altersgrenzen gegen Art 7 Abs 2 der RL 79/7/EWG. Die durch dieses Gesetz geschaffene Verfassungsrechtslage mache es den österreichischen Behörden geradezu unmöglich, die gesetzliche Lage auf ihre Konformität mit der sozialen Entwicklung hin zu überprüfen, weil das Ergebnis der Prüfung verfassungsrechtlich fixiert sei. Umgekehrt sei die verfassungsrechtliche Prognose, gerade Ende 2033 werde die „soziale Entwicklung“ die Geschlechtergleichbehandlung erfordern, durch keinerlei seriöse Annahmen im Tatsächlichen begründet. Österreich sei bislang auch seiner Berichtspflicht nach Art 8 Abs 2 der RL 79/7/EWG nicht nachgekommen und verletze hiedurch Unionsrecht.

Hiezu wurde erwogen:

2.1. Zuletzt hat der erkennende Senat in der E 10 ObS 35/12p, SSV-NF 26/29 [...] seine Auffassung bekräftigt, dass das BVG-Altersgrenzen dem Recht der EU nicht widerspricht, ist hiebei aber auf Art 21 Abs 1 und Art 23 Abs 1 GRC nicht ausdrücklich eingegangen. An dieser Auffassung ist festzuhalten:

2.2. [...]

2.3. Nach den Art 21 und Art 23 GRC sind zum einen Diskriminierungen wegen des Geschlechts verboten und zum anderen ist die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen zu gewährleisten. Art 23 Abs 1 GRC, der daher auch im Bereich der sozialen Sicherheit gilt, macht die nicht einklagbaren Förderungspflichten des Art 8 AEUV und des Art 3 EUV zu rechtlich verbindlichen Pflichten des Uniongesetzgebers. Er muss die Ungleichheiten beseitigen. Hiebei kann er auch schrittweise vorgehen, sofern dies sachlich gerechtfertigt ist (vgl EuGH 1.3.2011, C-236/09, Test-Achats, Rn 20 f; Husmann, Reformbedarf in der Richtlinie 79/7/EWG, ZESAR 2014, 70 [78]).

2.4. Die GRC gilt für die Union – begrenzt durch das Subsidiaritätsprinzip und ihre Kompetenzen – umfassend (Art 51 Abs 1 1. Halbsatz GRC). [...] Die Mitgliedstaaten sind an die GRC gebunden, wenn sie sekundäres Unionsrecht anwenden, insb Verordnungen und Richtlinien vollziehen und umsetzen [...].

3.1. Schon vor Inkrafttreten der GRC ist durch die Rsp des EuGH und durch sekundäres Unionsrecht ein umfassendes Antidiskriminierungsrecht der Union entstanden (vgl Bieback in

Fuchs
, Europäisches Sozialrecht6 Vorbem zu Art 19, 157 AEUV Rz 1 ff). Im Bereich der allgemeinen sozialen Sicherheit wurde die RL 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1979 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit geschaffen. Gem Art 3 Abs 1 lit a der RL findet sie ua auf die gesetzlichen Systeme Anwendung, die Schutz gegen das Risiko des Alters bieten. Art 4 der RL verbietet jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insb bei der Berechnung der Leistungen.

Art 7 der RL 79/7 sieht vor:

„(1) Diese Richtlinie steht nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, Folgendes von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen:a) die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen; ...(2) Die Mitgliedstaaten überprüfen in regelmäßigen Abständen die aufgrund des Absatzes 1 ausgeschlossenen Bereiche, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten.“ [...]539

Das Unionsrecht verpflichtet daher die Mitgliedstaaten, wie sich auch schon aus der Bezeichnung der RL ergibt, lediglich zu einer schrittweisen Verwirklichung der Geschlechtergleichbehandlung auf dem Gebiet des Sozialrechts. Bei der Festsetzung des Anfallsalters für die Alterspension steht es den Mitgliedstaaten frei, zwischen Männern und Frauen unterscheidende Regelungen noch für eine bestimmte Zeit – also nicht unbefristet wie in der die Gültigkeit von Art 5 Abs 2 der RL 2004/113/EG des Rates vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen betreffenden E des EuGH vom 1.3.2011, C-236/09, Test-Achats– aufrechtzuerhalten. Nach Art 7 Abs 2 der RL 79/7 sind die Mitgliedstaaten nämlich verpflichtet, die vom Gleichbehandlungsgebot ausgeschlossenen Bereiche in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung gerechtfertigt ist, die betreffende Ausnahme aufrechtzuerhalten. Eine feste zeitliche Begrenzung für die Beibehaltung der Ausnahme ist allerdings nicht vorgesehen.

3.2.1. Bislang stellte der EuGH die Ausnahmeregelung nicht in Frage. Er verwies darauf, dass zwar die Begründungserwägungen der RL die Gründe für die Ausnahmen nicht angeben, der Art der vorgesehenen Ausnahmen aber zu entnehmen ist, dass der (damals) Gemeinschaftsgesetzgeber die Mitgliedstaaten ermächtigen wollte, die Bevorzugung von Frauen im Zusammenhang mit dem Ruhestand vorübergehend aufrechtzuerhalten, und ihnen damit ermöglichen wollte, die Rentensysteme in dieser Frage schrittweise zu ändern, ohne das komplexe finanzielle Gleichgewicht dieser Systeme zu erschüttern, dessen Bedeutung er nicht verkennen konnte (EuGH 7.7.1992, C-9/91, Equal Opportunities Commission, Slg 1992, I-4297, Rn 15; 27.4.2006, C-423/04, Richards, Slg 2006, I-3585, Rn 35). So nahm der EuGH in seinem – bereits nach dem Inkrafttreten der GRC mit 1.12.2009 ergangenen – Urteil vom 18.11.2010 in der Rs Kleist (C-356/09) ausdrücklich darauf Bezug, dass Österreich von dieser in Art 7 Abs 1 lit a der RL vorgesehenen Möglichkeit der Festsetzung eines für Männer und Frauen unterschiedlichen Pensionsalters Gebrauch gemacht hat, um die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung der Frauen auszugleichen. Weiters wies der Gerichtshof in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach seiner Rsp die in der genannten Bestimmung enthaltene Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesichts der grundlegenden Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in dem Sinne eng auszulegen ist, dass sie nur für die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters- oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen der sozialen Sicherheit gelten kann (Rn 38 f).

3.2.2. In seinem Urteil vom 11.4.2013 in der Rs Soukupova (C-401/11) legte der EuGH dar, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der VO (EG) 1257/1999 des Rates vom 17.5.1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes durch den Europäischen Ausrichtungsund Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) gem Art 51 Abs 1 GRC die in Art 20, Art 21 Abs 1 und Art 23 dieser Charta verankerten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung beachten müssen, sie aber nach der Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 der RL 79/7 bei der Festsetzung des Rentenalters im Bereich der sozialen Sicherheit eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen beibehalten dürfen, diese Ausnahmebestimmung jedoch bei der Anwendung der VO (EG) 1257/1999 nicht herangezogen werden kann. Der Umstand, dass die Tschechische Republik von der ihr unionsrechtlich eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht hat, ein unterschiedliches Renteneintrittsalter für Männer und Frauen im Hinblick auf die Altersrente festzusetzen, wurde in keiner Weise problematisiert.

3.2.3. Aus der bisherigen Rsp des EuGH lassen sich somit, soweit überblickbar, keine Zweifel an der „vorübergehenden“ Zulässigkeit ungleicher Altersgrenzen in gesetzlichen Pensionssystemen ableiten, die den Mitgliedstaaten durch die RL 79/7 zugestanden wurde (vgl 10 ObS 35/12p, SSV-NF 26/29). [...]

4.1. Gem § 1 BVG-Altersgrenzen sind gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der gesetzlichen SV vorsehen, zulässig. Für weibliche Versicherte ist die Altersgrenze jährlich mit 1.1. um sechs Monate zu erhöhen, und zwar für die vorzeitige Alterspension beginnend mit 1.1.2019 bis 2028 (§ 2 BVG-Altersgrenzen) und für die Alterspension beginnend mit 1.1.2024 bis 2033 (§ 3 BVG-Altersgrenzen). Dieses Bundesverfassungsgesetz bezweckt, die bestehende Privilegierung weiblicher Versicherter beim Pensionsantritt so lange aufrecht zu erhalten, wie die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt dies erforderte. Der Bundesverfassungsgesetzgeber beabsichtigte somit eine Angleichung des Pensionsantrittsalters erst in jenem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem gegenwärtig noch vorhandene Schlechterstellungen von Frauen im Arbeitsleben als beseitigt angesehen werden können (10 ObS 35/12p mwN).

4.2. §§ 2 und 3 BVG-Altersgrenzen statuieren ein bundesverfassungsgesetzliches Gebot an den Gesetzgeber, für weibliche Versicherte die Altersgrenze für die vorzeitige und für die „reguläre“ Alterspension innerhalb hiefür vorgesehener Zeiträume in näher bestimmter Weise anzuheben. [...]

5.1. Die Ausnahmebestimmung des Art 7 Abs 1 lit a der RL 79/7 ist gegenwärtig nicht nur für Österreich, sondern noch für zehn andere Mitgliedstaaten von Bedeutung. Auf der Grundlage des Weißbuches der Europäischen Kommission „Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten“ vom 16.2.2012, COM (2012) 55 final, der MISSOC (Mutual Information System on Social Protection in the EU Member States, the EAA and Switzerland)-Analyse 2012/1 „Aspekte des aktiven Alterns im Bereich des Sozialschutzes/der sozialen540 Sicherheit“, Mai 2012, der MISSOC-Analyse 2012/2, November 2012 (beide abrufbar unter ec.europa.eu/missoc und missoc.org) und der Leitfäden der Europäischen Kommission „Ihre Rechte der sozialen Sicherheit“ in Slowenien und in Kroatien, beide aus Juli 2013, ergibt sich folgendes Bild:

5.2. Zurzeit ist das gesetzliche Regelpensionsalter für Frauen in Österreich, Bulgarien, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Litauen, Polen, Rumänien, der Tschechischen Republik und im Vereinigten Königreich geringer als jenes für Männer. 2009 war in 14 Mitgliedstaaten das Regelpensionsalter für Frauen und Männer gleich. Nach schrittweiser Anhebung des Pensionsalters für Frauen bis 2020 wird das Regelpensionsalter in 21 Mitgliedstaaten angeglichen sein. In Litauen wird ein gleiches Regelpensionsalter 2026, in Kroatien 2030, in Österreich 2033, in Polen 2040 und in der Tschechischen Republik nach 2040 erreicht sein. Eine Angleichung ist in Bulgarien und in Rumänien noch nicht vorgesehen. Im oben genannten Weißbuch empfiehlt die Europäische Kommission Österreich bloß Schritte einzuleiten, um die Übergangszeit für die Harmonisierung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen und Männer zu verkürzen.

6.1. Nach Auffassung des OGH verstoßt der präjudizielle § 130 Abs 1 GSVG nicht gegen die in Art 20, Art 21 Abs 1 und Art 23 Abs 1 GRC verankerten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, die Österreich bei der Umsetzung der RL 79/7 gem Art 51 Abs 1 GRC zu beachten hat (vgl EuGH 11.4.2013, C-401/11, Soukupova, Rn 28).

6.2. Nach Art 52 Abs 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

6.3. In stRsp des EuGH, die bei der Anwendung des Art 52 Abs 1 GRC zugrunde zu legen ist, geht der Gerichtshof im Bereich der sozialen Sicherheit für die RL 79/7 bei der Prüfung der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von der Formulierung aus, dass Art 4 Abs 1 der RL einer nationalen Maßnahme entgegensteht, „sofern diese Maßnahme nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Dies ist der Fall, wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel des Mitgliedstaats dienen, um dessen Rechtsvorschriften es geht, und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind“ (EuGH 24.2.1994, C-343/92, Roks ua, Slg 1994, I-571, Rn 33 f; 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Slg 1999, I-623, Rn 68 ff; Bieback in

Fuchs
, Europäisches Sozialrecht6 Art 19 AEUV Rz 48 mwN).

6.4. Nach der im Pkt 3.2.2. dargestellten Rsp geht der EuGH davon aus, dass die durch die Ausnahmebestimmung ermöglichte Ungleichbehandlung während einer Übergangszeit legitimen Zielen der Sozialpolitik dient.

Wann der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem ein unterschiedliches Pensionsalter für Frauen und Männer unzulässig ist, weil die Schlechterstellungen von Frauen im Arbeitsleben als beseitigt angesehen werden können, ist auch nach der Rsp des EGMR zu Art 14 EMRK schwierig oder unmöglich festzustellen (vgl EGMRBsw 65.731/01, 65.900/01, Stec ua; 17.2.2011 Bsw 6.268/08, Andrle).

6.5. Vor diesem Hintergrund und unter dem Blickwinkel, dass die Mitgliedstaaten bei der Wahl der zur Verwirklichung ihrer sozial- und beschäftigungspolitischen Ziele geeigneten Maßnahmen über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügen (EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Slg 1999, I-623, Rn 74 mwN), gegenwärtig noch in elf Mitgliedstaaten ein unterschiedliches Pensionsalter besteht, 2020 das Regelpensionsalter (erst) in 21 Mitgliedstaaten angeglichen sein wird, und die unterschiedlichen Endzeitpunkte der laufenden Anpassungsprozesse nach den nationalen Gesetzgebungen zeigen, dass unter den Mitgliedstaaten ein gemeinsamer Standard für die Bemessung der Übergangszeit fehlt, hält es der OGH für gerechtfertigt, dass nach österreichischem Recht die Angleichung derzeit nur vorgesehen ist, der Prozess der Angleichung aber noch nicht begonnen hat. Der erkennende Senat sieht sich daher zu der vom Revisionswerber begehrten Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH nicht veranlasst.

ANMERKUNG
1.
Ausgangslage

Der Beschluss des OGH betrifft mit dem unterschiedlichen Pensionsalter für Frauen und Männer eine zentrale Frage, die wieder zunehmend politisch diskutiert wird. 1990 hat der VfGH, auf Anträge des OGH hin, das unterschiedliche Pensionsalter als gleichheitswidrig erkannt und aufgehoben sowie – nur – einen „allmählichen Abbau der bloß geschlechtsspezifischen Unterscheidung“ verlangt (VfSlg 12.568

= ZAS 1992/8 [Tomandl]; zustimmend Rebhahn, Pensionsalter zwischen Gleichheitssatz und Emanzipation,  ff). Daraufhin wurde das BVG BGBl 1992/832 (BVG-Altersgrenzen) beschlossen, das eine Angleichung bei der Alterspension erst im Zeitraum ab 2024 bis 2033 vorsieht. 2003 hat der VfGH (G 300/02VfSlg 16.923) den „alles andere als eindeutigen“ Wortlaut dieses BVG dahin gedeutet, dass mit § 1 „(einfach)gesetzliche Bestimmungen betreffend das unterschiedliche Pensionsalter von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, wenn auch nicht für geboten, so doch für zulässig erklärt“ werden und dass es dem Bundesverfassungsgesetzgeber in den §§ 2 und 3 des BVG nicht darum ging, „die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG-Altersgrenzen einfachgesetzlich geltenden Altersgrenzen für die vorzeitige (und für die ‚reguläre‘) Alterspension weiblicher Versicherter bundesverfassungsgesetzlich festzuschreiben“.541 Daraus hat Mazal den wohl treffenden Schluss gezogen, dass der Gesetzgeber das Pensionsalter auch früher angleichen kann (Mazal, ZAS 2013/44, 263; eher aA noch OGH 12.11.2002, 10 ObS 205/02y).

Im Unionsrecht verbietet die RL 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Art 4 RL) auch bei der Altersvorsorge (Art 3 RL). Nach Art 7 Abs 1 RL steht diese RL allerdings „nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, Folgendes von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen: a) die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen“.

Vor diesem Hintergrund hat der Kl im vorliegenden Verfahren begehrt, ihm eine Alterspension bereits mit 62 Jahren auszuzahlen, weil das Aufrechterhalten des unterschiedlichen Pensionsalters gegen das Unionsrecht verstoße, insb wenn man Art 21 und 23 der erst 2009 in Kraft getretenen GRC berücksichtige. Art 21 verbietet ua Diskriminierungen wegen des Geschlechts, Art 23 GRC gebietet, „die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen zu gewährleisten“.

Fraglich war daher aufgrund der Klage, ob die österreichische Regelung mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist. Art 21 und 23 GRC sind auf die Rechtsfrage des unterschiedlichen Pensionsalters ohne Zweifel anwendbar, weil die Frage durch die RL 79/7/EWG geregelt ist und die Mitgliedstaaten daher dabei Unionsrecht iSd Art 51 Abs 1 GRC „durchführen“.

Näher lassen sich dazu dann zwei Fragen unterscheiden. Zum einen ist fraglich, ob das unterschiedliche Pensionsalter mit dem Unionsrecht vereinbar ist (dazu jüngst verneinend Kohlbacher, Diskriminierung durch ungleiches Pensionsantrittsalter – wie lange noch?ZESAR 2015, 210-217; Kapuy, UrteilsanmerkungZAS 2015, 222 ff). Diese Frage führt in heftig umstrittene Fragen der Gleichbehandlung der Geschlechter im Arbeitsleben, bei denen zB immer wieder diskutiert wird, inwieweit ein früheres Regelpensionsalter für Frauen als Ausgleich für ein durchschnittlich geringeres Entgelt und/oder für eine typische Doppelbelastung der Frauen zulässig oder geboten sei. Davon deutlich zu unterscheiden ist die Frage, ob der OGH dem EuGH hätte vorlegen sollen. Der OGH hat nicht vorgelegt. Entscheidungsthema des vorliegenden Beschlusses war letztlich nur die Frage, ob der OGH die Frage, wie die Vorgaben des Unionsrechts zum unterschiedlichen Pensionsalter zu verstehen sind, dem EuGH vorlegen sollte. Das Zurückweisen des dahin gehenden Antrages war ohne Zweifel zutreffend, weil weder das Unionsrecht noch das österreichische Recht Prozessparteien ein Recht auf Vorlage einräumt. Handelt es sich, wie beim OGH, um ein letztinstanzliches nationales Gericht, so stellt das Unionsrecht in Art 267 Abs 3 AEUV die Vorlage allerdings nicht in das Belieben dieses Gerichts, es normiert vielmehr uU eine Pflicht zur Vorlage. Die folgenden Ausführungen befassen sich (unter 2. bis 5.) nur mit dieser Frage und nicht auch damit, ob das unterschiedliche Pensionsalter mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

In der Sache war hier also zu klären, ob über die folgende Frage bereits das nationale Gericht oder nur der EuGH befinden soll(te): „Hat das Unionsrecht (Art 7 RL 97/7 iVm Art 21 und 23 GRC) einen Inhalt, der es erlaubt, die Angleichung des Pensionsalters in einem Land, das seit 1995 Mitglied der EU ist, erst ab 2024 und dann erst in einem Zeitraum von zehn Jahren bis 2034 vorzunehmen.

Nur angemerkt sei, dass in einem neuen Verfahren wohl auch der VfGH vorlegen könnte, wenn ein neuer Kl einen Antrag auf Gesetzesprüfung nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG stellt: Art 21 GRC kann im Anwendungsbereich der GRC gem Art 144 B-VG vor dem VfGH als verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht geltend gemacht werden und bildet einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle, insb nach Art 140 B-VG (VfGH 12.3.2014, B 166/2013). Bei Art 23 GRC liegt dies weniger nahe.

2.
Zur Pflicht zur Vorlage an den EuGH

Art 267 Abs 3 AEUV verpflichtet jedes letztinstanzliche Gericht eines Mitgliedstaates zur Anrufung des EuGH, falls sich in einem Verfahren eine Frage nach der Auslegung der Verträge oder der Auslegung ua von Sekundärrecht stellt. Die Bedeutung dieser Bestimmung ist bis heute nicht völlig geklärt. Ginge man allein vom Wortlaut aus, so wäre der OGH hier ohne Zweifel zur Vorlage verpflichtet gewesen, weil die Frage der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht für die Entscheidung über die Klage entscheidungserheblich war. In diese Richtung hat der EuGH 2013 gesagt: Stellen nationale letztinstanzliche Gerichte „fest, dass das Unionsrecht herangezogen werden muss, um eine Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits zu ermöglichen, sind sie nach Art 267 AEUV verpflichtet, dem Gerichtshof jede sich stellende Auslegungsfrage vorzulegen“ (EuGH 18.7.2013, C-136/12, Consiglio nazionale dei geologi, Rn 27, unter Zitierung – nur – von EuGH 6.10.1982, Rs 283/81, Cilfit, Rn 11 ff). Allerdings wird insb seit dem Urteil Cilfit über die Reichweite der Vorlagepflicht diskutiert (vgl zB SA GA Colomer30.6.2005, C-461/03, Gaston Schul Douane, Tz 44 ff; SA GA Stix-Hackl12.4.2005, C-495/03, Intermodal, Tz 76 ff), weil eine unbesehene Anwendung des weiten Wortlautes praktisch unbrauchbar ist.

Der EuGH hat 2003 gesagt, dass die Pflicht zur Vorlage bestehe, wenn das letztinstanzliche Gericht (konkret der VwGH) „nicht davon ausgehen [durfte], dass sich die Lösung der Rechtsfrage einer gesicherten Rechtsprechung des Gerichtshofes entnehmen oder keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel lasse“ (EuGH 30.9.2003, C 224/01, Köbler, Rn 118). 2005 wurde gesagt: Die Vorlagepflicht besteht, wenn in einem bei letztinstanzlichen Gerichten 542schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts gestellt wird, es sei denn, sie haben festgestellt, dass die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Ob ein solcher Fall gegeben ist, ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu beurteilen“ (EuGH 15.9.2005, C-495/03, Intermodal, Rn 33).

Ohne hier den Umfang der Vorlagepflicht näher zu diskutieren, kann man wohl davon ausgehen, dass die Vorlagepflicht besteht, wenn sich ernsthaft eine „Frage“ zur Auslegung des Unionsrechts stellt, also jedenfalls dann, wenn „vernünftige Auslegungszweifel“ in Bezug auf den Inhalt des Unionsrechts bestehen (vgl SA GA Stix-Hackl12.4.2005, C-495/03, Intermodal, Tz 76 f).

Die Rechtslage in Bezug auf die Vorlagepflicht nach Art 267 Abs 3 AEUV unterscheidet sich also deutlich von der Rechtslage betreffend die Anfechtung eines Gesetzes beim VfGH durch ein österreichisches Gericht gem Art 89 B-VG. Danach muss das Gericht selbst Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes haben und daher die einschlägigen verfassungsrechtlichen Fragen zunächst selbst prüfen (vgl RIS-Justiz RS0053641). Die Vorlagepflicht an den EuGH entfällt hingegen erst, wenn das Gericht – aufgrund von Vorjudikatur des EuGH oder einer klaren Rechtslage im Unionrecht – davon ausgehen kann, dass keine Bedenken in Bezug auf die Vereinbarkeit bestehen. Die Vorlage ist also nicht erst dann geboten, wenn das Gericht selbst Zweifel an der unionsrechtlichen Zulässigkeit der nationalen Regelung hat, oder gar erst, wenn es (wie bei der Anfechtung nach Art 89 B-VG) Bedenken dazu hat.

Konkret war also entscheidend, ob der OGH aufgrund von Vorjudikatur des EuGH oder einer klaren Rechtslage im Unionrecht davon ausgehen konnte, dass es das Unionsrecht erlaubt, die Angleichung des Pensionsalters in einem Land, das seit 1995 Mitglied der EU ist, erst ab 2024 und dann erst in einem Zeitraum von zehn Jahren bis 2034 vorzunehmen.

3.
Hat der EuGH bereits zur Frage Stellung genommen?

Die Vorlage kann entfallen, wenn „die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war“. Wohl darauf nimmt der OGH Bezug, wenn er (unter 6.4.) sagt: „Nach der im Punkt 3.2.2. dargestellten Rechtsprechung geht der EuGH davon aus, dass die durch die Ausnahmebestimmung ermöglichte Ungleichbehandlung während einer Übergangszeit legitimen Zielen der Sozialpolitik dient.“ Zu 3.2. sagt der OGH: „Aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH lassen sich somit, soweit überblickbar, keine Zweifel an der ‚vorübergehenden‘ Zulässigkeit ungleicher Altersgrenzen in gesetzlichen Pensionssystemen ableiten“ und „Bislang stellte der EuGH die Ausnahmeregelung nicht in Frage.“ Das vom OGH Gesagte folgt allerdings nur dann aus den vom OGH zitierten Entscheidungen des EuGH, wenn man die Sätze des OGH wörtlich nimmt.

Es folgt jedoch nicht aus diesen Entscheidungen, wenn man damit auch – wie wohl der OGH – die Aussage verbindet, der EuGH habe das unterschiedliche Pensionsalter gebilligt. In der Hauptbelegstelle, dem Urteil Soukupová (EuGH 11.4.2013, C-401/11), ging es nicht um die Zulässigkeit des unterschiedlichen Pensionsalters, sondern um die Ungleichbehandlung bei einer Maßnahme der gemeinsamen Agrarpolitik. GA Jääskinen sagte in seinem Schlussantrag zum Urteil Soukupová (Tz 43 ff) denn auch treffend: „Die Richtlinie 79/7 trägt zur Lösung des Streits nichts bei.“ Das Urteil erwähnt zwar die Befugnis der Mitgliedstaaten nach Art 7 RL 79/7, aber – wie der OGH sagt – ohne dies zu problematisieren. Dies war aber nicht notwendig, weil es darauf gar nicht ankam: Die zu „beurteilende“ (nationale) Regelung war unzulässig, wenn das unterschiedliche Pensionsalter unionsrechtlich erlaubt, aber auch wenn es unzulässig ist. Schon bei einem österreichischen Urteil würde man in einer solchen Lage nicht darauf schließen, das österreichische Gericht habe das bloß Erwähnte gebilligt. Beim EuGH wäre solch ein Schluss noch viel weniger gerechtfertigt, weil er idR nur das zur Beantwortung der Vorlage Erforderliche sagt.

Ganz Ähnliches gilt in Bezug auf das vom OGH erwähnte EuGH-Urteil Kleist (18.11.2010, C-356/09). Es ging um die Vereinbarkeit eines österreichischen KollV, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für Frauen weit früher vorsah als für Männer. Das unterschiedliche Pensionsalter war hier nur insoweit relevant, als es die arbeitsrechtliche Regelung auch dann nicht zulässig machen konnte, wenn es selbst zulässig war. Der EuGH musste auf die Frage zum Pensionsalter daher nicht eingehen – eine Billigung kann daraus nicht folgen. Ebenso ging es im vom OGH erwähnten Urteil Richards (EuGH 27.4.2006, C-423/04, Slg 2006, I-3585) nicht um die Zulässigkeit des unterschiedlichen Pensionsalters, sondern darum, ob es nach Geschlechtsumwandlung Mann zu Frau zulässig ist, das Pensionsalter für Frauen anzuwenden (was verneint wurde).

Würde man aus den genannten Urteilen des EuGH ableiten wollen, er habe deshalb keine Zweifel am unterschiedlichen Pensionsalter geäußert, weil er keine habe, so würde man diese Urteile daher überinterpretieren. Gerade bei Urteilen des EuGH ist die treffende Auslegung der Urteile wichtig, schon weil sich das Unionsrecht zunehmend zur Fallrechtsordnung entwickelt hat (vgl zB Rebhahn, Auslegung und Anwendung des Unionsrechts, in

Fenyves/Kerschner/Vonkilch
[Hrsg], Klang-Kommentar zum ABGB3 [2014] Bd I Nach §§ 6, 7 ABGB Rz 114 ff).

4.
Bestehen vernünftige Auslegungszweifel?

Die Frage der Zulässigkeit eines unterschiedlichen Pensionsalters war daher noch nicht Gegenstand einer Auslegung des EuGH. Das Unterlassen der Vorlage war dann nur zulässig, wenn die Frage543 nach dem Inhalt des Unionsrechts „keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel lasse“, und zwar dahin, dass das Unionsrecht die nationale Regelung erlaube. Der OGH sieht offenbar – außer wegen der Judikatur des EuGH, aus der das Abzuleitende aber wie gesagt nicht folgt – aus folgenden zwei Gründen keinen vernünftigen Zweifel an seiner Einschätzung, dass die verzögerte Anpassung mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Erstens werde auch 2020 das Pensionsalter noch in weiteren sechs Mitgliedstaaten unterschiedlich sein. Zweitens diene das unterschiedliche Pensionsalter einem legitimen Ziel, nämlich „die Schlechterstellungen von Frauen im Arbeitsleben“ auszugleichen, und es sei zur Erreichung dieses Zieles geeignet und erforderlich.

Diese Zeilen sollen wie gesagt nicht beurteilen, ob diese Erwägungen letztlich tragen, sondern nur, ob sie keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht lassen. Dies ist selbst sehr zweifelhaft. Neben der RL selbst, die vielleicht großzügig sein mag (aA schon Schrammel, Gleichbehandlung und Sozialversicherung, ZAS 1999, 33, 37, den der OGH nicht erwähnt), sind nämlich nun auch Art 21 und 23 GRC zu berücksichtigen. Anders als das Berufungsgericht vermeint, ist die Charta selbstverständlich in der Lage und partiell auch dazu bestimmt, neue Rechte oder Grundsätze zu schaffen. Die Judikatur des EuGH zu Diskriminierungsverboten ist bekanntlich eher streng. Insb verlangt er eine kohärente nationale Regelung. Soll das unterschiedliche Pensionsalter nun dazu dienen, Schlechterstellungen von Frauen im Arbeitsleben auszugleichen, so ist insb zu fragen, ob das Pensionsrecht dazu das geeignete Mittel ist. Denkt man an die Differenzen beim Entgelt, die in Österreich laut Statistik besonders hoch sind oder sein sollen, so wird fraglich, ob der Gender Pay Gap nicht weit eher durch ein stärkeres Zurückdrängen des Senioritätsprinzips in den Kollektivverträgen oder durch Maßnahmen gegen unterschiedliche Entlohnung von typischen Frauen- und Männerberufen abgebaut werden könnte und sollte. Denkt man an die Doppelbelastung vieler (aber nicht aller) Frauen durch Beruf und Familie, so wird fraglich, ob der Ausgleich hier weit eher durch spezifische Vergünstigungen beim Antrittsalter für jene Frauen erzielt werden könnte, die tatsächlich eine Doppelbelastung hatten. Der OGH hat schon 1988 und 1990 in seinen Beschlüssen, das unterschiedliche Pensionsalter beim VfGH anzufechten (zB OGH 11.10.1988, 10 ObS 71/88), gesagt: „Von einer bestehende Benachteiligung[en] ausgleichenden Regelung kann daher in diesem Zusammenhang kaum gesprochen werden.“ Der VfGH vom 6.12.1990 sagte in VfSlg 12.568: „Die angefochtenen Regelungen, die allgemein bloß nach dem Geschlecht unterscheiden und Frauen als eine einheitliche Gruppe Männern gegenüberstellen ... sind daher ungeeignet, den aufgezeigten faktischen Besonderheiten Rechnung zu tragen.“ Die daraus jedenfalls abzuleitenden Zweifel an der – nun nach Art 21 und 23 GRC – erforderlichen Eignung des unterschiedlichen Pensionsalters bestehen nach wie vor.

Auch der Zeitfaktor der „verzögerten“ Anpassung bereitet Probleme. Der OGH erwähnt selbst das Urteil Test-Achats aus 2011 zu geschlechtsbezogenen Unterschieden bei Versicherungsprämien. Der EuGH hat die Erlaubnis dazu in der einschlägigen RL 2004/113/EG im Jahr 2011 für ungültig erklärt, weil sie nicht zeitlich befristet war und daher die Gefahr bestand, dass die Ausnahme von der Gleichbehandlung von Frauen und Männern nach dem Unionsrecht unbefristet zulässig ist, und zwar nach Ablauf einer „angemessenen Übergangszeit“ mit Wirkung vom 21.12.2012. Auch die Erlaubnis in der RL 79/7 zum Pensionsantrittsalter ist selbst zeitlich nicht befristet (erst die österreichische Regelung setzt eine Frist für die Angleichung) – und diese RL gilt in Österreich schon seit 1995. Es ist daher alles andere als ausgeschlossen, dass der EuGH eine unionsrechtlich sehr weiche Vorgabe zur Beseitigung einer Diskriminierung, wie sie Art 7 RL 79/7 enthält, im Lichte der neuen Grundrechte ebenfalls für unzulässig hält, insb weil Österreich jahrzehntelang überhaupt keine Schritte in diese Richtung setzt (zwischen 1995 und 2023 liegen fast dreißig Jahre: Die Lage ist in Österreich also deutlich verschieden zu der in jenen anderen sechs vom OGH zur Rechtfertigung erwähnten Ländern, in denen das Pensionsalter [wie in Österreich] auch 2020 noch nicht angeglichen sein wird; diese sind erst 2004 oder 2006 beigetreten). Schließlich ist fraglich, ob Österreich der Überprüfungsklausel in Art 7 Abs 2 RL 79/7 ausreichend Rechnung getragen hat; einschlägige Aktivitäten sind mir nicht bekannt.

Daher bestanden, auch in Anbetracht „der besonderen Schwierigkeiten“ der Auslegung des Unionsrechts im vorliegenden Kontext, vernünftige Zweifel an einem Inhalt des Unionsrechts, der zur Vereinbarkeit der österreichischen Regelung zur verzögerten Angleichung mit dem Unionsrecht führt.

5.
Zu den Folgen der Unvereinbarkeit

Gleichwohl gab es wohl einen guten Grund für die Nichtvorlage. Dieser liegt nicht in der allgemeinen Aufregung, die schon eine Vorlage verursachen würde. Grund ist die Frage, welche Rechtsfolgen es hätte, wenn der EuGH sagte, das Unionsrecht verlange eine schnellere Angleichung des Pensionsalters als Österreich sie vorsieht.

Erinnern wir uns vorerst an die Lage nach der Aufhebung des unterschiedlichen Pensionsalters durch den VfGH. Er hat 1990 das Gesetz mit Fristsetzung aufgehoben und eine bloß allmähliche Angleichung nicht nur erlaubt, sondern auch verlangt. Wesentliche Folge der Fristsetzung war, dass Männer, die vor der Aufhebung wegen Nichterreichens des geringeren Anfallsalters nicht in Pension gehen konnten, nicht Nachzahlung der Pension verlangen konnten – schon wegen der Sanierung der aufgehobenen Regelung bis zum Ende der Aufhebungsfrist.

Im Unionsrecht könnte die Lage ganz anders sein, ob sie es ist, ist jedoch unklar. Der EuGH vertritt allgemein, dass seine neue Auffassung zum Inhalt544

des Unionsrechts auch für die Vergangenheit wirkt, und beschränkt die zeitliche Wirkung eines Urteils nur in ganz seltenen Fällen auf die Zeit nach dem Urteil. Ob die Voraussetzungen für eine Beschränkung (vgl Rebhahn in Klang-Kommentar zum ABGB3 Bd I Nach §§ 6, 7 ABGB Rz 17) hier erfüllt wären, ist zumindest fraglich. Auch wenn dies zutreffen sollte, ist zu beachten, dass der EuGH bei einem Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot in aller Regel verlangt, dass die Diskriminierung auch für die Vergangenheit beseitigt wird, jedenfalls wenn sie nicht anders behoben werden kann (zB EuGH 21.6.2007, C-231/06 ua, Jonkman, Rz 39; EuGH Rs Soukupová, Rz 35). Sollte der EuGH eine Verzögerung der Angleichung des Pensionsalters, wie Österreich sie vorsieht, als unzulässig ansehen, so scheint nach dem bisher Gesagten ein Beseitigen dieser Diskriminierung nur dadurch möglich, dass allen Männern, die bei Erreichen des 60. Lebensjahres bereits die Anwartschaft erfüllt hatten, aber wegen des höheren Antrittsalters nicht in Pension gehen konnten, die entgangene Pension nachgezahlt wird! Frauen desselben Geburtsjahres konnten ja mit 60 in Pension gehen. Dabei würde es der Nachzahlung nicht entgegenstehen, wenn die betroffenen Männer nach Erreichen des 60. Lebensjahres noch gearbeitet haben (weil sie arbeiten mussten). Ein Erwerbseinkommen hindert seit 1991 nicht mehr den Anfall der Alterspension und führt seit 1994/2000 auch nicht mehr zu deren Ruhen. § 86 Abs 3 Z 2 Satz 2 ASVG, demzufolge eine Pension erst mit Antragsstellung anfällt, wird wegen der Diskriminierung nicht anwendbar sein. Auch der Einwand, es stehe nicht fest, dass die Betroffenen vielleicht keinen Pensionsantrag gestellt hätten, schützt daher wohl nicht vor der Nachzahlung. Die (unterstellte) Pflicht zur Nachzahlung kann aus Sicht des Unionsrechts allenfalls durch nationale allgemeine Verjährungsbestimmungen eingeschränkt werden – das österreichische Recht dürfte diese für Pensionen wegen des funktionsähnlichen § 86 Abs 3 Z 2 Satz 2 ASVG aber nicht explizit kennen (vgl auch § 102 Abs 3 ASVG; es kann hier nicht vertieft werden, ob die Verjährungsvorschriften des ABGB wegen § 86 Abs 3 Z 2 Satz 2 ASVG [vgl zB VwGH 11.12.2003, 2003/07/0079] analog angewendet werden können und aus Sicht des Unionsrechts angewendet werden dürften). Die Frage der Nachzahlung wäre auch bei jenen Männern zu stellen, die bei Erreichen des 60. Lebensjahres bereits in Pension waren, aber bei einem Regelpensionsalter von 60 mehr Pension erhalten hätten (insb wegen des Wegfalls von Abschlägen).

Beide Auffassungen des EuGH, die dieser hypothetischen Überlegung zugrunde liegen, also die zeitliche Rückwirkung seiner Urteile und die Korrektur von Diskriminierungen auch für die Vergangenheit, werden zwar zuweilen kritisiert (die erste häufiger als die zweite), der EuGH hält aber unglücklicherweise unbeirrbar daran fest. Beide Erwägungen gründen im Bestreben des EuGH, die „Effektivität“ des Unionsrechts möglichst weitgehend zu sichern – bislang meist „koste es was es wolle“. Diese Auffassung erschiene auch in diesem Kontext als verfehlt. Ich möchte mir weder die mit den Nachzahlungen nur an Männer verbundenen exorbitanten Kosten noch die dadurch ausgelöste – berechtigte – landesweite Empörung vorstellen, die in der Folge wohl tiefe Ressentiments gegen EuGH und Union auslösen würde. Der österreichische Gesetzgeber sollte jedenfalls zumindest alsbald allgemeine Verjährungsbestimmungen für Leistungen der SV vorsehen, die auch für Pensionen und nachträglich entstehende Pensionsansprüche (unabhängig vom Erfordernis der Antragstellung) eingreifen.

Allerdings ist das eben ausgemalte Desaster-Szenario zu den Rechtsfolgen keineswegs zwingend. Dazu lohnt ein Blick auf die betriebliche Altersvorsorge. Die RL 86/378 hatte den Mitgliedstaaten erlaubt, bei unterschiedlichem Anfallsalter im gesetzlichen System auch bei Betriebsrenten ein unterschiedliches Anfallsalter vorläufig zuzulassen. 1990 hat das Urteil Barber hingegen gesagt, das Entgeltgleichheitsgebot des ex-Art 119 EGV (heute Art 157 AEUV) verbiete bei Betriebspensionen ein unterschiedliches Anfallsalter (EuGH 17.5.1990, C-262/88, Barber, Rz 32, 14). Allerdings hat das Urteil (Rz 40 ff) – auch unter Hinweis auf Art 7 RL 97/7 – seine zeitlichen Wirkungen dahingehend beschränkt, „daß sich niemand auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EWG-Vertrag berufen kann, um mit Wirkung von einem vor Erlaß des vorliegenden Urteils liegenden Zeitpunkt einen Rentenanspruch geltend zu machen“.

Eine ähnliche Vorgangsweise wäre auch hier denkbar, naheliegend und angebracht. Der EuGH hat noch nie gesagt, dass das ungleiche Antrittsalter in der sozialen Altersvorsorge diskriminiert. Aus Art 7 Abs 1 RL 79/7 folgt, dass die Beseitigung des unterschiedlichen Anfallsalters in den Mitgliedstaaten zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen darf, was die Bedeutung einer unionseinheitlichen Auslegung stark verringert. Der Zeitpunkt, ab dem das Nichtangleichen diskriminiert, kann daher je nach Mitgliedsland verschieden sein. Der Unionsgesetzgeber hat durch Art 7 RL 97/7, der seit Jahrzehnten unverändert blieb, selbst ein Verhalten gesetzt, auf das die Mitgliedstaaten jedenfalls insoweit vertrauen dürfen, als es um eine Korrektur einer Diskriminierung für die Vergangenheit geht. Dasselbe trifft in Bezug auf die vom OGH-Beschluss zitierten „weichen“ Stellungnahmen der Kommission zum Thema zu. Ferner hat das Urteil Barber darauf Bedacht genommen, dass eine Rückwirkung „das finanzielle Gleichgewicht zahlreicher an die Stelle des gesetzlichen Systems getretener betrieblicher Versorgungssysteme stören könnte“. Dies gilt entsprechend auch für das gesetzliche System. Schließlich hatte der EuGH bislang in Bezug auf die Auswirkungen einer Rückwirkung eines Urteils noch keinen Fall zu beurteilen, dessen Auswirkungen im Verhältnis zum BIP eines Mitgliedstaates so groß waren wie sie hier wären.

Es spricht also sehr viel dafür, dass der EuGH die (unterstellte) Diskriminierung in zeitlicher Hinsicht erst mit seinem Urteil (oder der Vorlage dazu) verwirklicht sieht oder die Wirkungen seines Urteils zeitlich auf die Zukunft begrenzt. Der EuGH würde hier wohl auch so vorgehen. Ein nationales Gericht,545 das vor der Entscheidung steht, ob es eine Frage mit den hier möglichen Auswirkungen vorlegt, kann sich aber nicht darauf verlassen, dass der EuGH so entscheiden werde. Daher werden manche es als staatspolitisch klüger ansehen, wenn man zuwartet, auch wenn die rechtliche Beurteilung anderes nahelegen kann. Allerdings kann man nicht sicher sein, dass den EuGH keine Vorlage zum unterschiedlichen Pensionsalter erreicht, selbst wenn kein Gericht eines „betroffenen“ Landes vorlegt. Wie jüngst das Urteil Meat (EuGH 18.6.2015, C-596/13) zeigt, können Vorlagen, die eigentlich das Land A betreffen, unverhofft aus B kommen. Das Risiko, dass der EuGH die Verzögerung der Angleichung des Pensionsalters für unzulässig hält, dürfte mit der Abnahme der Zahl an Ländern mit unterschiedlichem Anfallsalter steigen. Der OGH sähe sich im Übrigen erneut mit der Frage nach einer Vorlage konfrontiert, wenn der Kl des gegenständlichen Verfahrens eine Klage auf Staatshaftung nach Unionsrecht einbringt, weil das Unterlassen der Vorlage Unionsrecht verletze. Allerdings stellt der Beschluss des OGH Überlegungen an, die uU schon nach den allgemeinen Kriterien zur unionsrechtlichen Staatshaftung die dafür erforderliche „qualifizierte“ Verletzung von Unionsrecht ausschließen, jedenfalls aber nach den Kriterien zur Haftung für ein nationales Höchstgericht.