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Verletzung der Fürsorgepflicht durch nachteilige Mitteilungen an neuen Arbeitgeber des ehemaligen Arbeitnehmers

MARTINACHLESTIL
§ 1163 Abs 1 Satz 3 ABGB; § 39 Abs 1 Satz 2 AngG

Im vorliegenden Fall sandte die Bekl als ehemalige AG ein Schreiben an den Kl (ehemaliger AN), mit dem sie diesen eindringlich auf seine nachvertraglichen Rechtspflichten (Geheimhaltungspflichten) hinwies. Darüber hinaus übermittelte sie dieses Schreiben auch dem Alleingesellschafter jener Gesellschaft, bei der bereits vom Kl ein neues Dienstverhältnis begründet worden war und seine Bestellung zum Geschäftsführer im Raum stand. Nach den getroffenen Feststellungen war das Schreiben der Grund dafür, dass der Kl die angestrebte Position nicht erhalten hat.

Der Kl begehrt nun ua Ersatz für den Schaden, der ihm durch dieses, seiner Ansicht nach rechtswidrige Verhalten des ehemaligen AG erwachsen ist. Das Berufungsgericht gab ihm in der Sache Recht und verneinte ein überwiegendes Interesse der Bekl an der Übermittlung dieses Schreibens an die Muttergesellschaft der neuen AG. Der OGH schloss sich der Ansicht des Berufungsgerichts an.

Den AG trifft gegenüber seinen AN eine Fürsorgepflicht, die sich auch auf deren vermögensrechtliche Interessen erstreckt. Verletzt der AG schuldhaft seine Fürsorgepflicht und entsteht dem AN ein Schaden, so kann dieser Schadenersatzansprüche geltend machen. Die Fürsorgepflicht wirkt auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort und wird auch und gerade im Zusammenhang mit Auskünften gegenüber potentiellen neuen AG bejaht. Aus verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen – insb aus § 1163 Abs 1 Satz 3 ABGB und § 39 Abs 1 Satz 2 AngG, wonach Eintragungen und Anmerkungen in einem (Dienst-)Zeugnis, durch die dem AN die Erlangung einer neuen Stellung erschwert wird, unzulässig sind – lässt sich insgesamt die Wertung des Gesetzgebers ableiten, dass er das Interesse des AN an seinem weiteren Fortkommen als schutzwürdig erachtet.

Das Interesse des ehemaligen AN am Unterbleiben nachteiliger Mitteilungen (Informationen) ist allerdings mit schützenswerten Interessen anderer Beteiligter, insb des potentiellen neuen AG und des früheren AG, unter Umständen aber auch mit jenen anderer Personen oder gar der Allgemeinheit abzuwägen. Der AG ist somit auch im Rahmen der nach- wirkenden (nachvertraglichen) Fürsorgepflicht nicht gehalten, eigene und schützenswerte Interessen zu vernachlässigen, wenn die Interessenabwägung zu Gunsten der Mitteilung ausschlägt. Die Frage, ob der AG in der konkreten Situation durch eine bestimmte Handlung seine Fürsorgepflichten gegenüber einem ehemaligen AN verletzt hat, kann naturgemäß nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht – wie es häufiger der Fall ist – an die ehemalige AG (Bekl) um Informationen über den ausgeschiedenen AN (Kl) herangetreten wurde, sondern vielmehr die Bekl als ehemalige AG von sich aus ein Schreiben an den neuen AG schickte. Nach dem OGH geht es auch hier um die Reichweite der Fürsorgepflicht des ehemaligen AG und damit darum, inwiefern dieser verpflichtet ist, von für den ehemaligen AN nachteiligen Handlungen Abstand zu nehmen. Dabei ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass das Schreiben an die Muttergesellschaft der neuen AG, dem das Schreiben an den Kl vom selben Tag angeschlossen war, objektiv geeignet war, dessen Fortkommen dadurch zu erschweren, dass er die von ihm angestrebte Stelle als Geschäftsführer nicht erlangt. Nach dem OGH ist es vertretbar, wenn das Berufungsgericht kein überwiegendes Interesse der Bekl an der Übermittlung dieses Schreibens an die Muttergesellschaft erkannte; so unterlag der Kl bei Übermittlung dieses Schreibens weder einem Konkurrenzverbot, noch lagen hinreichende Gründe für die Annahme vor, er hätte gegen seine vertragliche Verpflichtung zur Geheimhaltung verstoßen. Die außerordentliche Revision der Bekl war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.81