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Anspruch einer Zahnärztin auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld trotz mutterschaftsbedingter Berufsunterbrechung gemäß § 44 ZÄG

CHRISTINANEUNDLINGER

Die Kl war zuletzt als selbständig freiberuflich niedergelassene Zahnärztin vom 3.11.2015 bis 4.9.2016 tätig. Vom 5.9.2016 bis 20.9.2017 unterbrach sie ihre berufliche Tätigkeit als Zahnärztin vorübergehend gem § 44 Zahnärztegesetz (ZÄG) aufgrund der Geburt ihres Sohnes V* am 31.10.2016. Ab 21.9.2017 nahm sie ihre Erwerbstätigkeit als Zahnärztin wieder auf. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft lehnte den Antrag auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens ihres Sohnes V* für den Zeitraum 31.10.2016 bis 30.10.2017 ab, weil die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KBGG nicht vorlägen.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrte die Kl die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 31.10.2016 bis 30.10.2017. Sie habe ihre zuvor mehr als sechs Monate andauernde Erwerbstätigkeit nur unterbrochen, aber nicht beendet. Bei dieser mutterschaftsbedingten Unterbrechung handle es sich um einen gem § 24 Abs 2 KBGG gleichgestellten Zeitraum.

Das Erstgericht sprach der Kl im zweiten Rechtsgang das Kinderbetreuungsgeld in Höhe von € 33,- täglich zu, das Berufungsgericht änderte über Berufung der Bekl das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab.

Der OGH gab der Revision der Kl Folge und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Kinderbetreuungsgeldes an das Erstgericht zurück.

Auf die Kl als selbständig freiberufliche Erwerbstätige sind die Bestimmungen des MSchG, auf die § 24 Abs 2 KBGG verweist, nicht anwendbar. Zu beurteilen war daher, ob die die Unterbrechung der zahnärztlichen Tätigkeit regelnde Bestimmung des § 44 ZÄG eine den Bestimmungen des MSchG iSd § 24 Abs 2 KBGG „gleichartige andere österreichische Rechtsvorschrift“ ist.

Es entspricht dem – durch die Gesetzesmaterialien belegten – Willen des Gesetzgebers, dass auch selbständige Erwerbstätige, die sich in einer mutterschutzähnlichen Situation befinden, in den Genuss der Gleichstellungsregelungen des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG gelangen können.

Die Ausübung des zahnärztlichen Berufes ist an die Eintragung in die Zahnärzteliste gebunden, Berufseinstellungen (§ 43 ZÄG) und Berufsunterbrechungen (§ 44 ZÄG) sind der Zahnärztekammer mitzuteilen. Eine Berufsunterbrechung gem § 44 ZÄG liegt vor, wenn Angehörige des zahnärztlichen Berufs ihren Beruf über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht in Österreich ausüben wollen oder können. Gem § 44 Abs 3 ZÄG gilt eine Berufsunterbrechung von mehr als drei Jahren als Berufseinstellung, davon ausgenommen sind insb Unterbrechungen aufgrund von Beschäftigungsverboten nach dem MSchG und von Karenzzeiten nach dem MSchG oder91KBGG (§ 44 Abs 4 Z 1 und 2 ZÄG), sodass in diesen Fällen keine Berufseinstellung vorliegt. Folglich ergibt sich, dass eine selbständig freiberuflich tätige Zahnärztin, die ihre Erwerbstätigkeit während jener Zeiten, in denen die Regelungen des MSchG Beschäftigungsverbote und Karenzen vorsehen, wegen ihrer Mutterschaft unterbrechen will, nur eine Berufsunterbrechung gem § 44 ZÄG melden kann. Dass gerade § 44 ZÄG eine Möglichkeit der Berufsunterbrechung aus dem Grund der Mutterschaft schaffen will, ergibt sich aus den Regelungen des § 44 Abs 4 Z 1 und 2 ZÄG.

Nach § 24 Abs 2 KBGG kommt es wesentlich darauf an, dass die Erwerbstätigkeit „nach gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften“ lediglich vorübergehend unterbrochen ist. Eine solch lediglich vorübergehende Unterbrechung eröffnet (nur) § 44 ZÄG. Der OGH kam daraus folgernd zum Schluss, dass § 44 ZÄG eine „gleichartige andere österreichische Rechtsvorschrift“ iSd § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG darstellt, wenn die Ausübung des zahnärztlichen Berufs aufgrund der Mutterschaft unterbrochen wird und die Unterbrechung die in § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG verwiesenen Zeiträume eines Beschäftigungsverbotes nach dem MSchG oder einer Karenz nach dem MSchG oder VKG umfasst und nicht überschreitet.

Der OGH sah daher in Übereinstimmung mit dem Erstgericht die Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KBGG als erfüllt an. Die Kl übte in den sechs Monaten unmittelbar vor Beginn der Unterbrechung ihrer Tätigkeit gem § 44 ZÄG durchgehend eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit in Österreich als Zahnärztin aus. Der Beginn der Unterbrechung lag acht Wochen vor dem tatsächlichen Geburtstermin, was im Wesentlichen dem Zeitraum des Beschäftigungsverbots vor der Geburt gem § 3 Abs 1 MSchG entspricht. Die nach der Geburt liegenden Zeiten der Unterbrechung überschreiten keinesfalls die Möglichkeiten der Inanspruchnahme einer gesetzlichen Karenz gem § 15 MSchG im Anschluss an das Beschäftigungsverbot nach der Geburt (§ 5 MSchG). Die Kl nahm nach dem Ende der Unterbrechung ihren zahnärztlichen Beruf wieder auf. Ausgehend davon ist das Erwerbstätigkeitserfordernis des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG erfüllt.