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Kein Verlust des Kündigungsschutzes nach dem VäterkarenzG bei irrtümlich falscher Datumsbezeichnung in der Karenzmeldung

GREGORKALTSCHMID

Dass im Zeitraum zwischen dem Ende der Karenz eines Elternteils und dem Beginn der Karenz des anderen Elternteils keine Arbeitsverpflichtung besteht, führt nicht dazu, dass die Karenzen als „im unmittelbaren Anschluss“ iSd § 3 Abs 1 VKG angesehen werden können. „Im unmittelbaren Anschluss“ iS dieser Bestimmung verlangt vielmehr einen Karenzbeginn mit dem auf das Ende der Karenz des anderen Elternteils folgenden Kalendertag.

Gibt der AN eine Erklärung ab, ab 3.9.2018 Väterkarenz in Anspruch nehmen zu wollen, so kann dies im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Karenz der Mutter am 31.8.2018 endete und zwischen diesem Karenzende und dem Beginn der angemeldeten Karenz des Vaters nur zwei Tage, nämlich ein Samstag und ein Sonntag ohne Arbeitsverpflichtung, lagen, von einem redlichen AG und Erklärungsempfänger nur dahin verstanden werden, dass der Vater unabhängig von dem bekanntgegebenen Datum eine Karenz nach dem VKG im unmittelbaren Anschluss an das Karenzende der Mutter beabsichtigte. Die – auf einem jederzeit aufklärbaren Irrtum beruhende – unrichtige Datumsbezeichnung ist für den Anspruch auf Karenz nach § 3 VKG ohne Bedeutung.

SACHVERHALT

Der Kl gab nach der Geburt seines Kindes der bekl AG eine Karenzmeldung von 3.9.2018 bis 3.5.2019 bekannt. Die Kindesmutter hatte Karenz bis 31.8.2018 gemeldet. Zwischen diesem Termin und dem Beginn der angemeldeten Karenz des Kl lagen zwei Tage, nämlich ein Samstag und ein Sonntag. Einen Tag nach der Karenzmitteilung kündigte die Bekl den Kl.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Der Kl begehrt mit der vorliegenden Kl die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses. Die Kündigung durch die Bekl sei rechtsunwirksam, weil der Kündigungsschutz des § 7 VKG gegeben sei. Die Bekl wandte ein, dass die Karenz des Kl nicht unmittelbar an die der Mutter anschließe. Damit seien die Wirkungen des Kündigungsschutzes nach § 7 VKG nicht eingetreten. Die Kündigung sei daher rechtswirksam.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahingehend ab, dass der Kl stattgegeben wurde.

Der OGH ließ die Revision der Kl zu, gab ihr jedoch keine Folge.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„2. Nach § 3 Abs 1 VKG kann die Karenz zweimal geteilt und vom Vater abwechselnd mit der Mutter in Anspruch genommen werden. Ein Karenzteil muss mindestens zwei (vor der Novelle BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116: ‚drei‘) Monate betragen und beginnt zu dem in § 2 Abs 2 oder 3 VKG vorgesehenen Zeitpunkt (diese Fälle liegen hier nicht vor) oder im unmittelbaren Anschluss an eine Karenz der Mutter.

Zu dieser mit BGBl I 1999/153eingeführten Formulierung heißt es in der Regierungsvorlage (RV 1768 BlgNR 20. GP 74): ‚Dem bisherigen Konzept entsprechend müssen die Karenzurlaubsteile unmittelbar aneinander anschließen.‘

§ 3 Abs 1 VKG idF vor der Novelle BGBl I 1999/153 sah vor, dass der Karenzurlaub des Vaters ‚mit dem auf den Ablauf des Karenzurlaubes der Mutter folgenden Tag‘ beginnt.

Den Vorinstanzen ist daher darin zu folgen, dass die in § 3 Abs 1 VKG gewählte Formulierung ‚im unmittelbaren Anschluss‘ so wie die Vorgängerbestimmung als mit dem darauffolgenden Kalendertag zu verstehen ist.

Wenn der Kläger damit argumentiert, dass in anderen Zusammenhängen ‚unmittelbar‘ nur im 95 Sinn eines engen zeitlichen Konnexes, nicht im Sinn eines fugenlosen Anschlusses verstanden wird, lässt sich daraus für den vorliegenden Fall nichts gewinnen, da bei der Beurteilung des Vorliegens eines durchgehenden Arbeitsverhältnisses oder der Pflicht zur Meldung einer Schwangerschaft ein anderer Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen ist. Dagegen gibt es bei der Teilung der Karenz keine Gründe für eine vom Wortlaut und dem historischen Verständnis des Gesetzgebers andere Auslegung der Regelung. Vielmehr entspricht es, von ausdrücklich geregelten Ausnahmen abgesehen (vgl etwa § 4 VKG), dem Konzept des Gesetzes, dass die Karenz nur durchgehend und ohne zeitliche Lücken, wenn auch mit der Möglichkeit des Wechsels der Betreuungsperson, in Anspruch genommen werden kann.

Dass im Zeitraum zwischen dem Ende der Karenz eines Elternteils und dem Beginn der Karenz des anderen Elternteils keine Arbeitsverpflichtung besteht, führt nicht dazu, dass die Karenzen als ‚im unmittelbaren Anschluss‘ im Sinn des § 3 Abs 1 VKG angesehen werden können. ‚Im unmittelbaren Anschluss‘ im Sinn dieser Bestimmung verlangt vielmehr einen Karenzbeginn mit dem auf das Ende der Karenz des anderen Elternteils folgenden Kalendertag.

3. Dem Berufungsgericht ist aber auch dahingehend zu folgen, dass die Erklärung des Klägers, ab 3.9.2018 Väterkarenz in Anspruch nehmen zu wollen, im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Karenz der Mutter am 31.8.2018 endete und zwischen diesem Karenzende und dem Beginn der angemeldeten Karenz des Vaters nur zwei Tage, nämlich ein Samstag und ein Sonntag ohne Arbeitsverpflichtung lagen, von einem redlichen Arbeitgeber und Erklärungsempfänger nur dahin verstanden werden konnte, dass der Vater unabhängig von dem bekanntgegebenen Datum eine Karenz nach dem VKG im unmittelbaren Anschluss an das Karenzende der Mutter beabsichtigt.

Auch im Arbeitsrecht ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung maßgeblich (RS0028642). Die Auslegung der Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war (vgl RS0113932).

Nach diesen Umständen konnte hier kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger eine ‚unmittelbar anschließende‘ Karenz im Sinn des § 3 Abs 1 VKG beabsichtigte und ist die – auf einen jederzeit aufklärbaren Irrtum beruhende – unrichtige Datumsbezeichnung für den Anspruch des Klägers auf Karenz nach § 3 VKG ohne Bedeutung. Damit bestand aber auch Kündigungsschutz nach § 7 VKG, der mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor Antritt der Karenz beginnt.“

ERLÄUTERUNG

Der OGH hatte im gegenständlichen Verfahren im Wesentlichen zwei Rechtsfragen zu entscheiden:

1.: Was bedeutet „unmittelbar“, wenn § 3 Abs 1 VKG vorsieht, dass ein Karenzteil des Vaters im unmittelbaren Anschluss an eine Karenz der Mutter beginnt?

2.: Welche Rechtsfolgen zieht eine formal unrichtig erfolgte Karenzmitteilung nach sich?

zu 1.:

Väter können gem §§ 2–6 VKG Karenz in Anspruch nehmen. Allerdings ist mit Ausnahme eines einmonatigen Überlappungszeitraumes die gleichzeitige Inanspruchnahme einer Karenz beider Elternteile nicht zulässig. Möglich ist aber, die Karenz gem § 3 VKG und § 15a MSchG zwischen Vater und Mutter zu teilen. Bei einer solchen Teilung muss der jeweilige Karenzteil unmittelbar nach dem Ende des Karenzteils des anderen Elternteils beginnen.

Aufgrund des klaren Wortlautes des Gesetzes und auch dem historischen Verständnis des Gesetzgebers entschied der OGH, dass unter „unmittelbar“ der nächste Kalendertag zu verstehen ist.

zu 2.:

Die Karenzmitteilung des Kl war also nicht korrekt. Der Beginn seiner Karenz sollte ja erst drei Tage nach dem Ende der Karenz der Mutter des Kindes sein. Auf eine Karenz mit diesem Beginndatum hatte er also keinen Anspruch. Wenn er auf die gemeldete Karenz aber keinen Anspruch hätte, dann käme ihm auch der Kündigungsschutz des § 7 VKG nicht zugute, weil dieser eine Inanspruchnahme einer Karenz gem §§ 2, 3 bzw 5 VKG voraussetzt.

Der festgestellte Sachverhalt wurde vom OGH dennoch rechtlich so beurteilt, dass der Kl Anspruch auf Väterkarenz hatte – allerdings ab 1.9.2018 und nicht wie gemeldet ab 3.9.2018 – und daher auch der Kündigungsschutz des § 7 VKG galt. Im konkreten Sachverhalt musste nämlich einem objektiven Erklärungsempfänger aufgrund der Meldung klar sein, dass trotz anderslautender Meldung eigentlich ein nahtloser Beginn der Karenz nach dem Ende der Karenz des anderen Elternteils gemeint war. Die formal unrichtige Karenzmeldung hat in diesem Fall also keine negativen Konsequenzen für den Vater gehabt. Die Karenz begann lediglich zwei Tage früher.96