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Kein Berufsschutz bei einer Tätigkeit als Behindertenbetreuer und einer Ausbildung von 1.530 Stunden

ALEXANDERDE BRITO

Von Juli 1997 bis 2013 war der Kl (mit Unterbrechungen) als Behindertenbetreuer in einer Wohngemeinschaft für erwachsene, geistig und mehrfach behinderte Menschen tätig. Er führte den Haushalt (Kochen, Einkaufen und Wäsche waschen), half bei der Körperpflege und beim Ankleiden, begleitete die Klienten zu Ärzten und zu medizinischen Kontrollen, verabreichte gewisse Medikamente und nahm Dokumentationen vor. Parallel zu dieser Berufstätigkeit absolvierte der Kl zirka eineinhalb Jahre lang an der Lehranstalt für heilpädagogische Berufe der Caritas Wien das Basismodul der Ausbildung zum Behindertenbetreuer. Das Basismodul umfasst 630 Unterrichtsstunden und 800 Pflichtpraxisstunden. Auch nach Abschluss der Ausbildung blieb seine Tätigkeit gleich. Im April 2011 absolvierte er eine Zusatzausbildung „Unterstützung bei Basisversorgungen“ im Ausmaß von 100 Stunden.

Als der Kl nicht mehr in der Lage war, diese Tätigkeit auszuüben, stellte er einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension. Es wurde festgestellt, dass dem Kl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten als Reinigungskraft, Küchenhilfe oder Zustellfahrer mit Klein Lkw möglich sind. Sein Antrag wurde daher abgelehnt. Dagegen erhob der Kl Klage. Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zuspruch der Berufsunfähigkeitspension ab, weil dem Kl kein Berufsschutz zukomme, da er nicht ausreichend qualifiziert gearbeitet habe und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Hilfstätigkeiten ausüben könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Seine Tätigkeiten als Behindertenbetreuer seien keine Angestellten-, sondern Arbeitertätigkeiten, weshalb der Anspruch 104 des Kl auf Berufsunfähigkeitspension inhaltlich nach dem Invaliditätsbegriff zu beurteilen sei. Der Kl habe keinen erlernten Beruf ausgeübt, da die von ihm absolvierten Ausbildungen an Theorie und Praxis im Gesamtausmaß von 1.430 + 100 Stunden, insgesamt somit 1.530 Stunden, nicht ein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau erreichen. Sinngemäß sei die Rsp des OGH zum Berufsschutz einer Altenhelferin, Pflegehelferin und Altenfachbetreuerin heranzuziehen.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl zurück.

Bei erlernten Berufen handelt es sich vor allem um die in der Lehrberufsliste gem § 7 BAG angeführten Lehrberufe. Bei diesen liegt die Dauer der Lehrzeit innerhalb eines zeitlichen Rahmens von zwei bis vier Jahren, in der Regel drei Jahre. Bei Berufstätigkeiten, denen ein standardisiertes Ausbildungsprogramm zugrunde liegt, die aber keine Lehrberufe sind, wird von der Rsp auf eine vergleichbare Dauer und auf eine quantitativ vergleichbare Zahl von Unterrichtseinheiten abgestellt.

Eine zweijährige Ausbildung an einer Fachschule für Altendienste zur Altenhelferin mit 1.920 Stunden Theorie und einem Pflichtpraktikum in der Dauer von 1.296 Arbeitsstunden wurde etwa mit der Ausbildung in einem Lehrberuf als durchaus vergleichbar qualifiziert und davon ausgegangen, dass die im Rahmen dieser Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten qualitativ und quantitativ den Anforderungen eines Lehrberufs entsprechen. Hingegen wurde der Berufsschutz einer Altenfachbetreuerin verneint, die eine Ausbildung in der Dauer von insgesamt knapp 14 Monaten absolviert hatte, die insgesamt nur 1.850 Stunden theoretische und praktische Ausbildung umfasst hat.

Die eineinhalb Jahre dauernde, berufsbegleitende Ausbildung zum Behindertenbetreuer an der Lehranstalt für Heilpädagogische Berufe der Caritas Wien mit 630 Unterrichtsstunden und 800 Pflichtpraxisstunden (somit insgesamt 1.430 Stunden) ist nicht geeignet, ein einem Lehrberuf vergleichbares Niveau zu erreichen, dies auch nicht, wenn weitere 100 Stunden Vermittlung eines pflegerischen Grundwissens berücksichtigt werden. Die Ansicht des Berufungsgerichts die vom Kl absolvierte Ausbildungsdauer von insgesamt 1.530 Stunden (inklusive der Zusatzausbildung „Unterstützung bei der Basisversorgung“) erreiche damit bei weitem nicht das für Fach-SozialbetreuerInnen erforderliche Ausmaß von 2.400 Stunden, teilte der OGH. Ebenso bestätigte er die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass entgegen dem Vorbringen des Kl eine Gleichwertigkeit zwischen den Aufgaben der Fach-SozialbetreuerIn und jenes des Kl nicht bestehe.

Während HeimhelferInnen betreuungsbedürftige Menschen lediglich bei der Haushaltsführung unterstützen und eigenverantwortlich Aufgaben im hauswirtschaftlichen Bereich durchführen, gehen die Tätigkeiten der Fach-SozialbetreuerInnen mit Maßnahmen der Anleitung, Anregung, Beratung, Assistenz, Förderung und erforderlichenfalls der Intervention weit darüber hinaus. Fach-SozialbetreuerInnen müssen über spezifische Kompetenzen in den Bereichen „Soziale Bedürfnisse“ verfügen. Bei Bedarf übernehmen sie eine weitergehende oder gänzlich stellvertretende Durchführung von Verrichtungen. Selbst bei gleichen Tätigkeitsbereichen könnte die Zeit der Berufsausübung im Übrigen nicht zur Ausbildung zählen.