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Anspruch auf Pflegegeld zur bulgarischen Pension bei einem Antrag vor dem 1.1.2015

MONIKAWEISSENSTEINER

Die 1939 geborene Kl ist bulgarische Staatsangehörige und lebt in Wien. Sie bezieht eine bulgarische Pension und eine österreichische Ausgleichszulage; sie unterliegt der bulgarischen KV. Sie verfügt über eine Anmeldebescheinigung als Angehörige eines EWR-Bürgers gem § 52 Abs 1 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Ihr Antrag auf Pflegegeld vom 30.10.2014 wurde mit Bescheid vom 28.2.2015 abgelehnt, weil sie der KV in Bulgarien zugehörig sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zuerkennung von Pflegegeld ab, ein Anspruch gem § 3a BPGG komme nur in Betracht, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat kollisionsrechtlich für Pflegeleistungen zuständig sei. Im Fall der Kl sei Bulgarien zuständig, weil für das Pflegegeld als Leistung bei Krankheit Bulgarien zuständig sei. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der außerordentlichen Revision der Kl wurde Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der OGH stellt dazu Folgendes klar: Seit 1.1.2012 haben gem § 3a Abs 1 BPGG auch österreichischen Staatsbürgern gleichgestellte Personen Anspruch auf Bundespflegegeld. Der Kreis der den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellten Personen ist in § 3a Abs 2 BPGG umschrieben. Ua gehören zu diesem Personenkreis Personen, die – wie die Kl – über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht 105gem §§ 51 bis 54a und 57 NAG verfügen. Nach stRsp zu § 3a BPGG wurde mit dieser Regelung auch in Österreich lebenden BezieherInnen einer Pension aus einem anderen EU-Mitgliedstaat Anspruch auf Pflegegeld eingeräumt, auch wenn der andere Mitgliedstaat für Leistungen bei Krankheit zuständig war. Diese Rsp erging im Hinblick auf die Judikatur des EuGH, nach der auch ein an sich nach der VO 883/2004 nicht zuständiger Mitgliedstaat nicht daran gehindert ist, nach nationalem Recht Leistungsansprüche einzuräumen, die dann neben den Zuständigkeiten nach nationalem Recht geltend gemacht werden können. Als Konsequenz auf diese Rsp hat der Gesetzgeber § 3a BPGG novelliert und ab 1.1.2015 die negative Anspruchsvoraussetzung eingefügt, dass der Anspruch auf österreichisches Pflegegeld nur besteht, wenn nicht ein anderer Mitgliedstaat nach der VO 883/2004 für Pflegeleistungen zuständig sei. In § 48f Abs 4 BPGG findet sich eine Übergangsbestimmung dazu: Die neue Rechtslage ist anzuwenden, wenn der Antrag auf Pflegegeld ab dem 1.1.2015 gestellt wird. Diese Übergangsbestimmung ist anzuwenden, unabhängig davon, ob der Versicherungsträger oder das Gericht rechtskräftig über den Antrag entscheidet.

Im vorliegenden Fall ist daher für den Antrag vom 30.10.2014 noch § 3a BPGG idF vor der Novelle BGBl I 2015/12anzuwenden, dh ohne die eingefügte Einschränkung. Nach der dazu ergangenen Judikatur stellt der Bezug der bulgarischen Pension eine ausreichende Anspruchsgrundlage dar. Darauf, ob dies nur dann zu gelten habe, wenn auch tatsächlich vor dem 1.1.2015 bereits ein Pflegebedarf bestanden habe, musste nicht eingegangen werden, weil sich aus den im Akt vorliegenden ärztlichen Gutachten keine Anhaltspunkte für den gegenteiligen Standpunkt ergeben.