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Pflegebedarf für die Zubereitung von Mahlzeiten – erforderliche Feststellungen

SARAHBAIER

Die 1963 geborene Kl leidet an multiplen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule sowie an mäßiggradigen Depressionen. Bis 30.9.2017 hatte sie befristet Pflegegeld der Stufe 1 bezogen, eine Weitergewährung wurde von der Bekl mit Bescheid vom 5.12.2017 abgelehnt.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Es gelangte zu einem Pflegebedarf von 54 Stunden im Monat. Ein Pflegebedarf für die Zubereitung von Mahlzeiten wurde nicht angenommen, da die Kl in der Lage sei, die tägliche Zubereitung von Mahlzeiten selbständig vorzunehmen. Das Berufungsgericht gab der Berufung wegen des geltend gemachten rechtlichen Feststellungsmangels keine Folge.

Der OGH erklärte außerordentliche Revision der Kl für zulässig und auch für berechtigt. Er hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der OGH verwies auf seine stRsp: Die Zubereitung von Mahlzeiten besteht aus einer Summe von Einzelhandlungen. Ununterbrochenes Arbeiten im Stehen ist nicht erforderlich. Zumindest Vorbereitungsarbeiten und das Abwarten der Garzeit können auch in einer sitzenden Körperhaltung erfolgen. Eine zeitliche Aufteilung zwischen Vorbereitungsarbeiten, eigentlichem Kochvorgang und Nacharbeiten ist zumutbar. Regelmäßig ist zu beachten, dass die Zubereitung einer Hauptmahlzeit mit dem Hantieren von heißen (gefüllten) Kochtöpfen einhergeht.

In der Folge betonte der OGH die Aufgaben des Sachverständigen und jene der Gerichte: Ob ein Pflegebedarf für die Zubereitung von Mahlzeiten gegeben ist, hat nicht der Sachverständige zu beurteilen. Dieser hat nur die dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Einzelheiten aufzuzeigen, welche sodann von der Tatsacheninstanz soweit festzustellen sind, dass daraus alle notwendigen rechtlichen Schlussfolgerungen gezogen werden können.

Nach der Rsp löst die bloße Unfähigkeit, zusammenhängend länger als 10 bis 15 Minuten zu stehen, noch keinen Betreuungsbedarf für die Zubereitung von Mahlzeiten aus. So wurde etwa Versicherten, die durchgehend noch 15 Minuten oder 10 bis 15 Minuten mit anschließender 10-minütiger Sitzpause oder 10 Minuten oder 2 bis 3 Minuten frei und 10 Minuten mit Anhalten stehen konnten, zugemutet, eine angemessene ausgewogene Mahlzeit zuzubereiten. Nach der vom OLG zitierten OGH-Entscheidung vom 23.5.2000, 10 ObS 304/99z, reichte es etwa, dass die Versicherte nur mehr maximal 2 bis 3 Minuten vor dem Herd stehend kochen konnte und anschließend eine „sitzende Pause“ von 5 bis 10 Minuten benötigte, um sich vom Stehen auszuruhen.

In der Revision wurde demgegenüber aber auch auf die Gutachterfibel der Österreichischen Akademie für ärztliche und pflegerische Begutachtung (ÖBAK) hingewiesen, der zufolge die Fähigkeit zur Zubereitung einer ausgewogenen Mahlzeit erst ab einer durchgehenden Stehfähigkeit von 10 Minuten anzunehmen sei. 106

Der OGH betont in seiner Entscheidungsbegründung, dass bei der Frage der Zumutbarkeit der Zubereitung von Mahlzeiten immer auf den Einzelfall abzustellen ist. Zum gegenständlichen Fall führte der OGH aus, dass zwar der Sachverständige festgehalten habe, die Kl sei in der Lage, ca 5 Minuten lang frei zu stehen und einen Topf mit beiden Händen von der Kochstelle zu nehmen; aufgrund ihrer körperlichen Fähigkeiten sei ihr die Zubereitung frischer Mahlzeiten möglich, weil Vorbereitungsarbeiten auch im Sitzen durchgeführt werden könnten. Die Frage der Zubereitung von Mahlzeiten wurde jedoch im erstinstanzlichen Verfahren im Rahmen der mündlichen Streitverhandlung nicht erörtert; Feststellungen dazu, ob und wie lange die Kl in der Lage ist, beim Kochen zu stehen, ob sie Sitzpausen benötigt etc wurden von den Gerichten nicht getroffen.

Die bloße Feststellung des Erstgerichts, für die Zubereitung von Mahlzeiten bestehe kein Pflegebedarf, sei eine vorweggenommene rechtliche Beurteilung, für die die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen fehlen. Das OLG konnte sich laut OGH ebenso wenig auf Tatsachenfeststellungen stützen.

Es verwies lediglich auf die – in der Berufung im Übrigen als widersprüchlich und unschlüssig gerügten – Ausführungen des Sachverständigen, ohne diese in die Feststellungen aufzunehmen.

Die (dennoch) erfolgte Annahme, dass die Kl beim Kochen 5 Minuten frei stehen kann, sind für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ausreichend, weil auch zu berücksichtigen ist, wie lange die an die Stehphase anschließende (offenbar) erforderliche „Sitzpause“ in Anspruch nimmt. Sollte etwa für diese Sitzpause eine sehr lange Zeitspanne erforderlich sein, erscheint es weniger realistisch, die Fähigkeit zur Zubereitung einer ausgewogenen Mahlzeit zu bejahen. Es wird daher nicht nur festzustellen sein, wie lange die Kl „frei“ in der Küche stehen kann, sondern (allenfalls), ob sie darüber hinaus länger stehen kann, wenn sie sich anhält und auch wie lange dauernde „Sitzpausen“ sie benötigt, um sich vom Stehen (oder auch vom Kochvorgang insgesamt) zu erholen, und ob sie entsprechende (mit Kochgut gefüllte) Kochtöpfe beidhändig heben kann.