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Keine Gleichartigkeit von Kinderbetreuungsgeld und deutschem Betreuungsgeld

SARA NADINEPÖCHEIM

Die Kl beantragte anlässlich der Geburt ihrer Tochter am 30.1.2016 das pauschale Kinderbetreuungsgeld ab der Geburt bis zur höchstmöglichen Bezugsdauer in der Variante 30+6. Sie ist unselbständig in Deutschland beschäftigt und hat von Jänner 2016 bis Jänner 2018 Karenzurlaub mit ihrer AG vereinbart. Der Kindesvater ist in Österreich erwerbstätig. Die Familie ist in Deutschland wohnhaft. Die Kl bezog deutsches Elterngeld als Basiselterngeld vom 1. bis zum 12. Lebensmonat des Kindes in Höhe von insgesamt € 7.982,36. Weiters bezog sie deutsches Betreuungsgeld in Höhe von insgesamt € 3.300,-.

Mit Bescheid sprach die Bekl aus, dass die Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von € 3,36 täglich zu Unrecht bezogen worden sei und widerrief die Zuerkennung der Leistung in Höhe von € 2,12 täglich. Die Ausgleichszahlung gebühre nur in Höhe von täglich € 1,24. Sie verpflichtete die Kl zur Rückzahlung von € 1.094,28 und behielt bereits € 260,40 ein.

In ihrer Klage begehrte die Kl die Feststellung, dass der Bezug der Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld nicht zu Unrecht erfolgt, der Bezug nicht zu widerrufen und sie nicht zur Rückzahlung des Betrags von € 1.094,28 verpflichtet sei. Weiters begehrte sie, die Bekl zur Zahlung des einbehaltenen Betrags in Höhe von € 260,40 zu verpflichten.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die Revision nicht zu, da bereits in der OGH-E vom 20.2.2018, 10 ObS 149/17k, festgestellt worden sei, dass das deutsche Betreuungsgeld und das österreichische Kinderbetreuungsgeld keine gleichartigen Leistungen sind. Auch wenn die zuvor genannte Entscheidung zum Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld ergangen sei, hätten die darin getroffenen Aussagen zur Gleichartigkeit auch für das pauschale Kinderbetreuungsgeld Gültigkeit.

Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Er führte aus, dass die mit 1.3.2017 in Kraft getretene Änderung des § 6 Abs 3 KBGG idF BGBl I 2016/53, die nun eine Anrechnung sämtlicher – und nicht nur gleichartiger – Leistungen vorsieht, nach der Rsp des EuGH (8.5.2014, C-347/12, Wiering) insoweit als unionsrechtswidrig anzusehen ist, als die Bestimmung nicht auf die Vergleichbarkeit der Familienleistungen abstellt. Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist daher bei Errechnung der Ausgleichszahlung (des Unterschiedsbetrags) weiterhin die Vergleichbarkeit von Familienleistungen zu berücksichtigen.

Für die Gleichartigkeit von Familienleistungen ist Voraussetzung, dass sie einander in Funktion und Struktur im Wesentlichen entsprechen. Die Vergleichbarkeit des deutschen Betreuungsgeldes, das im Gegensatz zum österreichischen Kinderbetreuungsgeld von der Nichtinanspruchnahme öffentlich geförderter Betreuungseinrichtungen abhängt und für dessen Inanspruchnahme ein Erwerbseinkommen und dessen Höhe irrelevant sind, wurde bereits in der OGH-E 10 ObS 149/17k verneint. Eine wesentliche Voraussetzung für das Kinderbetreuungsgeld liegt darin, dass bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Einen Ausgleich für den Verzicht auf ein Erwerbseinkommen kann das Betreuungsgeld aufgrund seiner geringen Höhe nicht leisten. Das Kinderbetreuungsgeld ist auch in der Pauschalvariante wesentlich höher und soll in seiner (teilweisen) Einkommensersatzfunktion Eltern ermöglichen, sich unter Verzicht auf eine (Voll‑)Erwerbstätigkeit der Betreuung ihres Kleinkindes zu widmen. Dies gilt laut OGH nicht nur für das einkommensabhängige, sondern auch für das pauschale Kinderbetreuungsgeld, das im Hinblick auf seine Einkommensersatzfunktion beim betreuenden Elternteil ebenfalls als dem deutschen Betreuungsgeld nicht gleichartig anzusehen ist.

Mangels neuer Argumente der Bekl in der Revision bestand somit im Ergebnis keine Veranlassung für ein Abgehen von der in der OGH-E 10 ObS 149/17k vertretenen Rechtsansicht.