61

Bewilligung eines Kostenzuschusses für Psychotherapie stellt keinen tauglichen Beweis für das Vorliegen eines Dienstunfalles dar

SOPHIAMARCIAN

Gegenstand des vorliegenden Urteils war eine Klage auf Wiederaufnahme jenes Verfahrens, in dem der Kl von der bekl Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter eine Versehrtenrente aus der gesetzlichen UV mit dem Vorbringen begehrt hatte, er sei am 16.5.2014 überraschend und unberechtigt vom Polizeidienst suspendiert worden, weshalb sich bei ihm eine schwere depressive Symptomatik bis zur Dienstunfähigkeit entwickelt habe; die Suspendierung sei als Dienstunfall zu betrachten.

Das Erstgericht stellte nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens fest, dass beim Kl vorübergehend ein Zustand nach akuter Belastungsreaktion bestanden hatte, dieser jedoch nicht (alleine) auf die Suspendierung zurückzuführen sei, sondern sich aus einer Reihe von Vorfällen und Kränkungen, die der Kl nach dem 16.5.2014 erfahren hatte, entwickelt hat. Demzufolge wurde das Klagebegehren des Versicherten abgewiesen.

Die Wiederaufnahmeklage begründete der Kl damit, er habe nun ein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 1 ZPO, welches seiner Ansicht nach eine andere (günstigere) Entscheidung herbeigeführt hätte. Bei dem neuen Beweismittel handelte es sich um eine Bestätigung seines Antrags auf Kostenzuschuss zur Psychotherapie seitens der Bekl.

Die bekl Unfallversicherungsanstalt bestritt, dass es sich hierbei um einen tauglichen Wiederaufnahmegrund handle, da für die Bewilligung eines Kostenzuschusses aus der KV andere Voraussetzungen als für die Gewährung von Leistungen aus der UV gälten, insb spiele die Kausalität keine Rolle. Des Weiteren hätte eine solche Bewilligung, selbst wenn diese im erstinstanzlichen Verfahren als Beweismittel eingebracht worden wäre, kein anderes Verfahrensergebnis zur Folge gehabt, da vom Erstgericht festgestellt worden sei, dass diverse Ereignisse zur Belastungsreaktion des Kl geführt 114 hätten und die Suspendierung nicht unmittelbar kausal gewesen sei.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Erörterung der Rechtsfrage, ob die vom Kl vorgelegte Urkunde ein taugliches Beweismittel bzw ein tauglicher Wiederaufnahmegrund sei, wies das Erstgericht die Wiederaufnahmeklage mittels Urteil ab. In seiner Begründung folgte das Erstgericht im Wesentlichen der Argumentation der Bekl und betonte, dass das neue Beweismittel keine neuen Aspekte darlegte und daher auch keinen anderen (günstigeren) Verfahrensausgang zur Folge gehabt hätte.

Das OLG korrigierte den Irrtum des Erstgerichts in der Wahl seines Entscheidungsmittels und deutete das Urteil in einen Beschluss um. Gem § 543 ZPO hat die Zurückweisung per Beschluss zu erfolgen, wenn sich in der mündlichen Verhandlung herausstellt, dass der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund unzulässig ist. Das gegen die Entscheidung des Erstgerichts erhobene Rechtsmittel des Kl wurde folglich als verspätet zurückgewiesen; der Revisionsrekurs an den OGH sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Dagegen erhob der Kl einen außerordentlichen Revisionsrekurs an den OGH und begründete sein Rechtsmittel damit, dass die Entscheidung des Erstgerichts nicht in einen Beschluss umzudeuten gewesen wäre und sehr wohl ein tauglicher Wiederaufnahmegrund vorgelegen habe.

Der OGH ließ das Rechtsmittel zu, sah es aber als nicht berechtigt an. Zur Zulässigkeit verwies der OGH auf die neuere Rsp, wonach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden ist, wenn sich das Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts – welcher den Rechtsschutz nach einer Klage abschließend verweigert – richtet. Dies wurde auch für den hier vorliegenden Fall bejaht, da eine Berufung vom Gericht zweiter Instanz in einen Rekurs umgedeutet und wegen Verspätung zurückgewiesen worden war. Das Rechtsmittel ist daher (entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts) ungeachtet des Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung als „Vollrekurs“ zulässig.

Zur Berechtigung des Revisionsrekurses führte der OGH jedoch aus, dass nur solche Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmeklage berechtigten, deren Vorbringen und Verwendung im Verfahren eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten; dabei genügt es, dass diese Tatsachen und Beweismittel geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen, sie müssen sich nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken. Das Gericht hat bereits im Vorprüfungsverfahren gem § 538 Abs 1 ZPO abstrakt zu prüfen, ob die geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel keinen Einfluss auf die Entscheidung haben könnten. Ergibt diese abstrakte Prüfung, dass die in der Klage vorgebrachten Tatsachen oder die aus den neuen Beweismitteln abzuleitenden Tatsachen sogar dann, wenn man sie als richtig unterstellt, zu keiner Änderung der früheren Entscheidung führen können, so sind die vorgebrachten Umstände auch abstrakt als Wiederaufnahmegrund untauglich und die Klage mit Beschluss zurückzuweisen. Letztlich handelt es sich bei der Prüfung der Wiederaufnahmeklage um eine Schlüssigkeitsprüfung.

Die Ansicht, der Wiederaufnahmeklage fehle im vorliegenden Fall die Schlüssigkeit, begegnet nach Auffassung des OGH keinen Bedenken: Die Leistungen aus der KV sind unabhängig von der Ursache der Erkrankung auf den Bedarf ausgerichtet („Finalitätsprinzip“). Schon von ihrem Konzept und Zweck her beinhaltet die Bewilligung des Kostenzuschusses daher keine Aussage dazu, welcher konkrete – mit der Berufsausübung in Zusammenhang stehende – Vorfall Ursache für die erforderlichen Psychotherapien war. Sie besagt nur, dass beim Kl nach beruflichen Belastungen eine bestimmte Erkrankung (Störung) aufgetreten ist und ein Anspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (Psychotherapie) zu bejahen ist. Die vom Kl gewünschte Schlussfolgerung, sein Krankheitsbild habe seine Ursache (allein) im Vorfall vom 16.5.2014, lässt sich demnach aus der Bewilligung des Kostenzuschusses nicht gewinnen. Zudem ist in der Bewilligung ausdrücklich von einer „Traumakette“ aufgrund von beruflichen Belastungen die Rede, was die vom Kl gewünschte Zuordnung zu einem einzelnen Ereignis (der Suspendierung am 16.5.2014) ausschließt. Wie schon die Vorinstanzen ausgeführt haben, liegt aufgrund des Begriffs „Traumakette“ vielmehr nahe, dass die in der Bewilligung festgehaltenen psychischen Beschwerden (auch) auf andere Ursachen zurückzuführen sind. Selbst wenn man also das neue Beweismittel zugrunde legen wollte, wäre es im Vorverfahren zu keinem anderen Verfahrensergebnis gekommen. Das Wiederaufnahmebegehren scheitert daher an der absoluten Untauglichkeit des geltend gemachten Wiederaufnahmegrundes.

Selbst wenn die Klage schon im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen gewesen wäre (§ 538 Abs 1 ZPO), ist sie nach stRsp in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen, etwa auch dann, wenn erst bei der mündlichen Verhandlung hervorkommt, dass kein tauglicher Wiederaufnahmegrund gegeben ist. Nach stRsp beeinflusst das Vergreifen in der Entscheidungsform (hier: Abweisung der Wiederaufnahmeklage mit „Urteil“) weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels und verlängert nicht die Rechtsmittelfrist. 115