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„Bloßes“ Abwerben von Kunden des ehemaligen Arbeitgebers verstößt gegen eine vereinbarte Kundenschutzklausel, nicht aber gegen eine Geheimhaltungsverpflichtung

MARTINACHLESTIL

Im vorliegenden Fall haben die Parteien des Arbeitsvertrags sowohl eine Kundenschutzklausel als auch eine Geheimhaltungsverpflichtung bezüglich Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen vereinbart. Gleichzeitig wurden eine Konventionalstrafe sowie eine Strafe bei Verstoß gegen die Kundenschutzklausel in Höhe des jeweils sechsfachen Durchschnittsentgelts der letzten zwölf Monate festgelegt. Der AN (Bekl) hat bei der ehemaligen AG (Kl) mehrere hundert Kunden betreut. Die Zahl der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses „abgeworbenen“ Kunden blieb relativ gering, ein bei der Kl dadurch eingetretener konkreter Schaden konnte nicht festgestellt werden.

Die Kl macht Ansprüche aufgrund Verstoßes des Bekl gegen die Kundenschutzklausel sowie gegen die Geheimhaltungsverpflichtung geltend. Das Berufungsgericht gab der Kl nur in Hinblick auf die Kundenschutzklausel Recht und mäßigte zudem die vereinbarte Konventionalstrafe. Der OGH bestätigte diese Rechtsansicht.

Eine Kundenschutzklausel (Mandanten- bzw Klientenschutzklausel) ist grundsätzlich eine besondere Art einer Konkurrenzklausel. Der Zweck einer Kundenschutzklausel liegt darin, den Kundenstock des AG zu schützen und soll das Abwerben des bestehenden Kundenkreises verhindern. Sie beschränkt den AN für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit und im umfassenden Einsatz aller während des vorherigen Arbeitsverhältnisses völlig rechtmäßig gewonnenen Informationen und Kenntnisse; es handelt sich daher um eine Konkurrenzklausel nach § 36 AngG bzw § 2c AVRAG und ist nur insoweit wirksam als sie den Zeitraum von einem Jahr nicht übersteigt.

Eine Geheimhaltungsvereinbarung über echte Geschäftsgeheimnisse und Betriebsgeheimnisse ist keine Konkurrenzklausel iSd § 36 AngG und unterliegt nicht deren insb zeitlichen Beschränkungen. Eine derartige Vereinbarung bezweckt nicht nur den Schutz vor Verrat an Dritte, sondern auch den vor der Benützung der Geheimnisse als Mitbewerber. Betriebsgeheimnisse oder 86 Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdringen sollen und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht.

Der OGH folgt der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die bloße Kontaktaufnahme mit Kunden des ehemaligen AG zwar einen Verstoß gegen die Kundenschutzklausel, für sich allein aber noch keinen Verstoß gegen die Geheimhaltungsvereinbarung darstellt. Davon kann erst bei Hinzutreten weiterer Tatbestandselemente, etwa dem Beschaffen von Kundenlisten, auf unlautere Weise gesprochen werden. Zudem stellt die Kundenschutzklausel die speziellere Regelung dar, die wie dargelegt als Konkurrenzklausel auch zusätzlichen Beschränkungen unterliegt.

Bei der Beurteilung, ob die vereinbarte Konventionalstrafe übermäßig, also überhöht, ist, sind vor allem die Verhältnismäßigkeit dieser Strafe, die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse des AN, insb seine Einkommensverhältnisse bzw Vermögensverhältnisse, ferner Art und Ausmaß seines Verschuldens an der Vertragsverletzung sowie die Höhe des durch die Vertragsverletzung dem AG entstandenen Schadens entsprechend zu berücksichtigen. Die Ausübung des Mäßigungsrechts kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen.

Die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass eine doppelte Pönalisierung unbillig ist, ist für den OGH jedenfalls vertretbar. Ebenso, dass bei der Frage des Verschuldens des Bekl danach unterschieden wird, inwieweit der Bekl Kunden aktiv abgeworben hat bzw inwieweit diese von selbst an den Bekl herangetreten sind, um mit ihm oder über seine Vermittlung zu kontrahieren; davon, dass beides gegen die Kundenschutzklausel verstößt, ist das Berufungsgericht ohnehin ausgegangen. Zu berücksichtigen ist weiters, dass vor dem Hintergrund, dass der Bekl mehrere hundert Kunden betreut hat, dabei die Zahl der Kunden, die, noch dazu teilweise ohne aktives Zutun durch den Bekl, von ihm „abgeworben“ wurden, relativ gering ist.

Wenn daher die Vorinstanzen unter Berücksichtigung dieser Umstände des nicht feststellbaren konkreten Schadens und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bekl eine Mäßigung auf ein Drittel der vereinbarten Konventionalstrafe für angemessen erachteten, ist dies nach dem OGH nicht korrekturbedürftig. Die außerordentliche Revision der Kl war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.