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Arbeitskräfteüberlassung und Betriebsübergang

BIRGITSCHRATTBAUER (SALZBURG)
  1. Leih-AN werden von der Eintrittsautomatik des § 3 Abs 1 AVRAG in der Regel nicht erfasst, wenn nicht der Überlasserbetrieb, sondern bloß der Beschäftigerbetrieb übergeht. Anderes gilt nach der Entscheidung des EuGH in der Rs Albron im „atypischen Fall“ einer ständigen konzerninternen Überlassung von AN. Erfolgt die Abstellung (innerhalb oder außerhalb eines Konzerns) hingegen nicht ständig, so wird beim Übergang einer wirtschaftlichen Einheit im Bereich des Beschäftigers die Betriebsübergangs-RL nicht greifen und es bleibt beim üblichen nationalen Verständnis, dass sich ein Betriebsübergang beim Beschäftiger nicht auf die dorthin bloß überlassenen AN auswirkt.

  2. Dass die überlassene Arbeitskraft funktionell und organisatorisch dem Beschäftigerbetrieb zugeordnet und von dessen Personalkostenstelle erfasst war, sind keine für die Arbeitskräfteüberlassung atypischen Umstände. Ebenso wenig führt alleine die zeitlich gesehen lange Tätigkeit der überlassenen Arbeitskraft im Beschäftigerbetrieb (hier: fünf Jahre) ohne Hinzutreten weiterer Umstände zu einer anderen Beurteilung.

  3. Auch aus § 10 Abs 1a AÜG lässt sich nicht ableiten, dass bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als vier Jahren der Übergang des Beschäftigerbetriebs in der Regel auch zu einem gänzlichen Wechsel des vertraglichen AG hin zum Erwerber führe.

1. Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über (Betriebsübergang), so tritt dieser als AG mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein (§ 3 Abs 1 AVRAG).

2. In Rsp und Lehre ist anerkannt, dass AN, die im Betrieb des Veräußerers zwar eingegliedert sind, nicht aber zum Veräußerer, sondern zu einem Dritten in arbeitsvertraglicher Beziehung stehen, bei Übergang des Betriebs des Veräußerers grundsätzlich nicht mit übergehen. Daher werden auch Leih-AN von der Eintrittsautomatik in der Regel nicht erfasst, wenn nicht der Überlasserbetrieb, sondern bloß der Beschäftigerbetrieb übergeht (9 ObA 19/18m [Pkt 2.] mwN = RS0110829 [T3] = JAS 2019, 30 [34] [zust Schindler]; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 3 Rz 40; Holzer/Reissner, AVRAG2 § 3 Erl 10; Gahleitner in Zell-Komm3 § 3 AVRAG Rz 38 ua).

3.1. In der Rs Albron (EuGH 21.10.2010, C-242/09) hat der EuGH entschieden, dass bei einem Betriebs- (teil-)übergang iSd BetriebsübergangsRL 2001/23/EG eines einem Konzern angehörenden Unternehmens auf ein Unternehmen, das diesem Konzern nicht angehört, als „Veräußerer“ iS von Art 2 Abs 1 lit a dieser RL auch [als] ein Konzernunternehmen betrachtet werden kann, zu dem die AN ständig abgestellt waren, ohne mit diesem durch einen Arbeitsvertrag verbunden gewesen zu sein, obwohl es in diesem Konzern ein Unternehmen gab, an das die betreffenden AN durch einen Arbeitsvertrag gebunden waren (Rn 32).

3.2. Der Senat hat bereits mit ausführlicher Begründung und Darlegung des Meinungsstands im Schrifttum betont, dass der Entscheidung in der Rs Albron ein „atypischer Fall“ einer ständigen konzerninternen Überlassung von AN zu Grunde lag. Erfolgt die Abstellung (innerhalb oder außerhalb eines Konzerns) hingegen nicht ständig, so wird beim Übergang einer wirtschaftlichen Einheit im Bereich des Beschäftigers die BetriebsübergangsRL nach Auffassung des EuGH nicht greifen. Insoweit muss es dann beim üblichen nationalen Verständnis bleiben, dass sich ein Betriebsübergang beim Beschäftiger nicht auf die dorthin bloß überlassenen Arbeitskräfte auswirkt (9 ObA 19/18m [Pkt 4.1. ff]).

4. Ob ein mit der Rs Albron vergleichbarer Sachverhalt einer ständigen Abstellung eines AN an einen anderen Betrieb vorliegt, der im Falle des (Teil-) Betriebsübergangs dieses Betriebs ausnahmsweise von der Eintrittsautomatik des § 3 Abs 1 AVRAG umfasst ist, hängt naturgemäß von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, deren Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet. Dies ist auch hier nicht anders.

5. Die Kl stand ab 5.3.2007 in einem Angestelltenverhältnis zur Nebenintervenientin. Bis 30.9.2012 war sie in der Rechnungskontrolle dieses Unternehmens beschäftigt. Ab 1.10.2012 wurde sie bei der H GmbH, einer Tochtergesellschaft der Nebenintervenientin, in der Abteilung Abrechnungskontrolle, eingesetzt. Sie war dem Betrieb der H GmbH funktionell und organisatorisch zugeordnet, ausschließlich ihren jeweiligen Vorgesetzten bei der H GmbH gegenüber weisungsgebunden und auch in deren Personalkostenstelle erfasst. Die H GmbH schloss mit der Kl auch Zusatzvereinbarungen (zB Fortbildungsmaßnahmen) ab und stellte ihr im März 2017 ein Zwischenzeugnis aus. Während der gesamten Dauer ihres Dienstverhältnisses zur Nebenintervenientin (5.3.2007 bis 31.3.2018) war sie dort auch sozialversicherungsrechtlich gemeldet.

Die H GmbH war im Jahr 2012 von der Nebenintervenientin ausschließlich zur Bewirtschaftung von Zügen der Ö AG gegründet worden. Diese Bewirtschaftung führte die H GmbH aufgrund eines von der Nebenintervenientin mit der Ö AG abgeschlossenen Vertrags vom 1.4.2012 bis 31.3.2018 durch.

Seit 1.4.2018 wird nun diese Bewirtschaftung von der Bekl durchgeführt, die nach einer öffentlichen Ausschreibung im Jahr 2017 den Zuschlag für diesen Auftrag erhielt. Mit dem Betriebsübergang auf die Bekl übernahm diese 577 Mitarbeiter der H GmbH.

Die Bekl vertritt den Standpunkt, dass das zwischen der Kl und der Nebenintervenientin bestehende Arbeitsvertragsverhältnis nicht von der H GmbH auf die Bekl iSd § 3 AVRAG übergegangen 252 sei, weshalb die Bekl die Kl ab 1.4.2018 auch nicht weiter beschäftigte. Die Nebenintervenientin ihrerseits verweigert unter Berufung auf den Rechtsstandpunkt der Kl ebenfalls deren Weiterbeschäftigung.

6. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren der Kl auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses ab 1.4.2018 sowie auf Zahlung des Entgelts für die Monate April und Mai 2018 ab. Da die Kl rund fünf Jahre vor ihrer Überlassung an die H GmbH direkt bei der Nebenintervenientin tätig gewesen sei, könne hier nicht von einer ständigen Abstellung der Kl zur Bekl gesprochen werden. Da überdies die Bewirtschaftung durch die H GmbH nur eine befristete (mit Ende der Auftragsvergabe bzw Neuausschreibung) gewesen sei, läge auch kein Fall vor, der mit dem der Rs Albron zugrunde gelegenen besonderen Sachverhalt vergleichbar sei.

7.1. Eine korrekturbedürftig[e] Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigen die außerordentlichen Revisionen der Kl und der Nebenintervenientin nicht auf. Ob für die Annahme einer „ständigen“ Abstellung des AN zu einem anderen Unternehmen eine Abstellung an dieses Unternehmen während der gesamten Dauer des Arbeitsvertragsverhältnisses zwischen AN und AG erforderlich ist, kann hier dahingestellt bleiben. Im konkreten Fall führen die vom Berufungsgericht hervorgehobenen Aspekte, nämlich dass die Kl vor ihrer Überlassung an die die [sic] H GmbH rund fünf Jahre direkt bei der Nebenintervenientin tätig und die Bewirtschaftung durch die H GmbH nur eine befristete (mit Ende der Auftragsvergabe bzw Neuausschreibung) war, zur Beurteilung, dass die H GmbH hier nicht schon als „nichtvertraglicher“ AG der Kl und damit als Veräußerer iSd BetriebsübergangsRL angesehen werden kann. Dass die Kl funktionell und organisatorisch der H GmbH zugeordnet und von deren Personalkostenstelle erfasst war, sind – entgegen der Annahme der außerordentlichen Revision der Kl – keine für die Arbeitskräfteüberlassung atypischen Umstände. Alleine die zeitlich gesehen lange Tätigkeit der Kl bei der H GmbH begründet ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch keine andere Beurteilung.

7.2. Dieser Beurteilung steht auch die in der außerordentlichen Revision der Kl angesprochene Bestimmung des § 10 Abs 1a AÜG für mehr als vier Jahre andauernde Überlassungen nicht entgegen. § 10 Abs 1a AÜG wurde in Umsetzung der LeiharbeitsRL 2008/104/EG im Rahmen der AÜG-Novelle 2012, BGBl I 2012/98BGBl I 2012/98, in das nationale Recht eingefügt. Sie sieht betreffend der Einbindung in die betriebliche Altersvorsorge eine Gleichstellung überlassener AN, die für mehr als vier Jahre an einen Beschäftiger überlassen werden, mit den Stammarbeitskräften des Beschäftigerbetriebs vor (RV 1903 BlgNR XXIV. GP 3). Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Betriebsübergang iSd § 3 AVRAG anzunehmen ist, hat diese Regelung aber nichts zu tun. Der Beschäftiger gilt zwar für die Dauer der (mehr als vierjährigen) Überlassung als AG iSd BPG (RV 1903 BlgNR XXIV. GP 3). Damit soll jegliche für vergleichbare Stammbeschäftigte geltende Betriebspensionsregelung automatisch und ohne Abänderung auch die entsprechenden überlassenen AN erfassen (vgl Schindler in Zell-Komm3 § 10 AÜG Rz 31/2).

7.3. Die weitere Auffassung von Schindler ( JAS 2019, 30 [42]), bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als vier Jahren führe der Übergang des Beschäftigerbetriebs in der Regel auch zu einem gänzlichen Wechsel des vertraglichen AG hin zum Erwerber, wird vom Senat nicht geteilt. Der EuGH hat seiner E in der Rs Albron nicht nur die lange Dauer der Tätigkeit des AN beim „nichtvertraglichen“ AG zugrunde gelegt, sondern insb auch den weiteren (besonderen) Umstand, dass innerhalb des niederländischen Konzerns Heineken International das gesamte Personal bei einem einzelnen Konzernunternehmen beschäftigt war, dieses als zentraler AG fungierte und das Personal zu den verschiedenen Betriebsgesellschaften des Heineken -Konzerns abstellte. Die Heineken Nederland, deren Aufgabe durch Vertrag an ein anderes Unternehmen namens Albron übertragen wurde, hatte also keinen einzigen eigenen AN. Im vorliegenden Fall hatte die H GmbH aber eine große Zahl eigener Mitarbeiter, die auf die Bekl übergingen.

8. Die Einholung eines neuerlichen Vorabentscheidungsersuchens gem Art 267 AEUV war nicht erforderlich, weil der EuGH bereits in der Rs Albron die Grundsätze für die ausnahmsweise Bejahung des Beschäftigers als nichtvertraglichen AG iSd BetriebsübergangsRL dargelegt hat. Ihre Anwendung auf den konkreten Einzelfall wirft hier keine Fragen auf, die neuerlich an den EuGH heranzutragen wären.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO sind die außerordentlichen Revisionen der Kl und der Nebenintervenientin zurückzuweisen.

ANMERKUNG
1.
Vorbemerkung

Die Frage der Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf die Beschäftigungsverhältnisse von überlassenen Arbeitskräften des Veräußerers hat die Rsp in jüngerer Vergangenheit schon mehrmals beschäftigt. Ihren Ausgang nahm die Debatte mit der E des EuGH vom 21.10.2010 in der Rs Albron, C-242/09. Darin hat der EuGH festgehalten, dass die Eintrittsautomatik des Art 3 Abs 1 der Betriebsübergangs-RL im Falle des Übergangs des Beschäftigerbetriebs in Ausnahmefällen auch für Leih-AN dieses Betriebes zur Anwendung kommen kann. Im Anlassfall, den der EuGH zu entscheiden hatte, waren sämtliche AN des veräußernden Unternehmens nicht direkt bei diesem, sondern bei einer konzerninternen Personalführungsgesellschaft angestellt; in diesem Fall, so der EuGH, könne auch das Beschäftigerunternehmen als „Veräußerer“ iSv Art 2 Abs 1 lit a der Betriebsübergangs-RL betrachtet werden, obwohl die betroffenen (Leih-) AN arbeitsvertraglich an ein anderes Unternehmen des Konzerns gebunden seien. Die genauen Konturen des Ausnahmetatbestandes treten in der sehr 253 knapp gehaltenen Urteilsbegründung des EuGH freilich nicht gerade deutlich zutage, sodass es durchaus absehbar war, dass sich die nationale Rsp in weiterer Folge in unterschiedlichen Konstellationen mit der Klärung der konkreten Reichweite der ausnahmsweisen Anwendbarkeit der Betriebsübergangsregelungen auf überlassene AN zu befassen haben würde.

Im vorliegenden Fall war es nach der Neuvergabe eines Auftrages unbestritten zu einem Betriebsübergang gekommen. Die neue Auftragnehmerin übernahm zwar die unmittelbar im Betrieb der bisherigen Auftragnehmerin beschäftigten AN, nicht aber jene MitarbeiterInnen, die der Vorgängerin von deren Muttergesellschaft im Wege der Arbeitskräfteüberlassung zur Verfügung gestellt worden waren. Sowohl die Überlasserin als auch die Erwerberin des übergegangenen Betriebes verneinten nach dem Betriebsübergang das Bestehen von Dienstverhältnissen der zuvor in den „Veräußererbetrieb“ überlassenen AN. Im hier rezensierten Fall klagte eine betroffene AN auf Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses zur neuen Auftragnehmerin; im am selben Tag vom OGH entschiedenen Fall zu 9 ObA 32/19z richtete sich die Feststellungsklage einer anderen AN gegen die Überlasserin. Der OGH hat in beiden Fällen den Übergang des Dienstverhältnisses auf die neue Auftragnehmerin verneint.

2.
„Ständige“ Überlassung als zentraler Anknüpfungspunkt

Der OGH billigt in der vorliegenden E die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach mangels „ständiger Abstellung“ der Kl an den Beschäftigerbetrieb kein der Rs Albron vergleichbarer Sachverhalt vorgelegen und somit ein Übergang des Dienstverhältnisses der überlassenen AN auf den Erwerberbetrieb zu verneinen sei. Als zentrales Kriterium rückt damit in den Mittelpunkt, ob die Überlassung als dauernd oder als nur vorübergehend zu qualifizieren ist. Schon in der (im vorliegenden Urteil auch zitierten) E zu 9 ObA 19/18m vom 31.3.2018 (DRdA 2019/21, 236 [Reissner] = JAS 2019, 30 [Schindler] = ZAS 2019/59, 323 [Pfalz]) hat der OGH diesen Aspekt unter Berufung auf das Urteil des EuGH in der Rs Albron als entscheidend angesehen und im Anlassfall den Übergang des Dienstverhältnisses eines AN auf die Erwerberin abgelehnt, welcher im Rahmen eines mehr als 30 Jahre andauernden Dienstverhältnisses unmittelbar vor dem Betriebsübergang für etwa zehn Monate an den übergehenden Betrieb überlassen worden war.

Weitgehend offen blieb nach der Vorentscheidung, woran genau die Unterscheidung zwischen regulärer vorübergehender und „atypischer“ ständiger Überlassung festzumachen ist. Zur Klärung dieser Frage steuert nun zwar das vorliegende Urteil ebenso wie der bereits oben erwähnte Parallelfall (OGH 15.5.2019, 9 ObA 32/19z) weitere Mosaikteile bei, der OGH hält sich jedoch mit allgemeinen, über die Konstellationen der Anlassfälle hinausgehenden Ausführungen auffallend zurück, sodass die Abgrenzung nach wie vor nicht abschließend geklärt ist.

Als ein wesentliches Element für die Ablehnung eines Übergangs der Dienstverhältnisse der überlassenen Arbeitskräfte auf die Erwerberin erwies sich in beiden nun entschiedenen Fällen die Tatsache, dass die Tochtergesellschaft, an die die beiden Kl von ihrer vertraglichen AG überlassen worden waren, ausschließlich zur Abwicklung eines von vornherein auf fünf Jahre befristeten Auftrages gegründet worden war. Darin sieht der OGH ganz offensichtlich ein starkes Indiz für den vorübergehenden Charakter der Überlassung, das aber wohl nicht für sich genommen, sondern nur im Verbund mit anderen Indizien als ausschlaggebend anzusehen ist. Im vorliegenden Fall spielte in diesem Sinne eine Rolle, dass die Kl vor der mehr als fünf Jahre andauernden Überlassung für einen etwa ebenso langen Zeitraum unmittelbar für die vertragliche AG tätig war; im Parallelfall 9 ObA 32/19z wurde darüber hinaus die Überlassung zwischendurch für eine dreimonatige Tätigkeit der AN für die Überlasserin unterbrochen.

Vor diesem Hintergrund hielt der OGH es letztlich auch nicht für erforderlich, abschließend zu klären, ob ein „ständiges“ Abstellen nur dann vorliegt, wenn sich die Überlassung auf die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses erstreckt. Die Beantwortung dieser Frage wäre aber deshalb interessant gewesen, weil dabei offenzulegen wäre, welche Aspekte für die Auslegung des Begriffs der „ständigen Abstellung“ nun tatsächlich als relevant anzusehen sind. Diesbezüglich wird in der Literatur unter Verweis auf teleologische Überlegungen überzeugend die Frage in den Mittelpunkt gerückt, ob für die betreffende Überlassung ihrem Konzept nach die Rückkehr in den Überlasserbetrieb bzw ein Wechsel in einen anderen Beschäftigerbetrieb eine realistische Option darstellt oder ob es sich bei objektiver Betrachtung um eine Überlassung ohne Rückkehrmöglichkeit und ohne alternative Einsatzmöglichkeiten handelt (Willemsen, NJW 2011, 1546; ihm folgend Köck, ZAS 2014/11, 61 [66] sowie Reissner, DRdA 2019/21, 236 [240]). Die Betriebsübergangsregelungen sollen AN vor einem Arbeitsplatzverlust (ua) in Folge einer rechtsgeschäftlichen Übertragung des Betriebs schützen. Bei dauerhafter Aufspaltung der AG-Funktion, wenn also der vertragliche AG für die an ein anderes (Konzern-)Unternehmen überlassenen AN weder über geeignete Arbeitsplätze im eigenen Unternehmen/Betrieb noch über Einsatzmöglichkeiten in anderen (Konzern-)Unternehmen verfügt, würde dieser Schutz ins Leere laufen. Die Arbeitsplätze überlassener AN sind in solchen Konstellationen bei einem Betriebsübergang des Beschäftigerbetriebs im selben Ausmaß bedroht wie jene der unmittelbar beschäftigten AN des übergehenden Betriebes. Dies rechtfertigt es, die Arbeitsverhältnisse der überlassenen AN für die Zwecke der Betriebsübergangs-RL so zu behandeln, als hätte der Betriebsübergang vom Überlasser zum Erwerber stattgefunden (Willemsen, NJW 2011, 1546 [1548 f]). 254 Die Frage, ob der/die betreffende AN bereits seit Beginn des Arbeitsverhältnisses an den Beschäftigerbetrieb überlassen worden ist, ist bei dieser Betrachtungsweise nicht relevant (ebenso Reissner, DRdA 2019/21, 236 [240]). Ein von Anfang an fehlender Arbeitsplatz beim vertraglichen AG mag die Beweislage erleichtern; der Nachweis einer dauerhaft aufgespaltenen AG-Stellung wäre aber zB auch bei späterer gänzlicher Ausgliederung von Aufgaben samt MitarbeiterInnen auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft wohl nicht allzu schwierig, sodass ein nachfolgender Betriebsübergang dieser Tochtergesellschaft für die überlassenen AN durchaus die Eintrittsautomatik des § 3 AVRAG auslösen könnte.

Jene Kriterien, die der OGH in den beiden nun entschiedenen Fällen als relevant für die Ablehnung des Übergangs der Arbeitsverhältnisse der Kl angesehen hat – Überlassung an eine für einen bestimmten, zeitlich befristeten Auftrag gegründete Tochtergesellschaft, längere Dauer der Tätigkeit zum vertraglichen AG vor der Überlassung, zwischenzeitige Rückkehr in den Überlasserbetrieb –, wären wohl auch als Indizien gegen eine dauerhaft aufgespaltene AG-Funktion zu werten. Ebenso passt ins Bild, dass der OGH die Erfassung der überlassenen Arbeitskräfte durch die Personalkostenstelle des Beschäftigerunternehmens sowie die zeitlich lange Dauer der Überlassungen für sich genommen als nicht ausreichend ansieht, um die Betriebsübergangsregelungen ausnahmsweise auch auf überlassene AN anzuwenden. Im Verbund mit anderen Indizien, die auf eine dauerhafte Aufspaltung der AG-Rolle hinweisen, könnten diese Aspekte aber mE für die Frage des ausnahmsweisen Übergangs der Arbeitsverhältnisse überlassener AN durchaus bedeutsam sein.

3.
Bedeutsamkeit des Vorliegens einer Konzernstruktur?

Noch keine klare Linie des OGH ist in der Frage erkennbar, ob bei einem Betriebsübergang des Beschäftigerbetriebes ein allfälliger Übergang (auch) der Arbeitsverhältnisse überlassener Arbeitskräfte nur dann in Betracht kommt, wenn Überlasser- und Beschäftigerunternehmen in einer Konzernstruktur miteinander verbunden sind, oder ob dies auch außerhalb eines solchen Konzernzusammenhangs denkbar ist. In der E 9 ObA 19/18m vom 21.3.2018 hat der OGH das Vorliegen eines Konzernverhältnisses unter Berufung auf den EuGH als nicht ausschlaggebend angesehen; der achte Senat hat dagegen in der OGH-E vom 29.5.2018, 8 ObA 13/18x, die auf die E des EuGH in der Rs Albron gestützte Revision gegen das einen Übergang verneinende Urteil der Vorinstanzen mit der Begründung zurückgewiesen, dass es im vorliegenden Fall bereits an der – hier offensichtlich als erforderlich angesehenen – Konzernstruktur fehle.

Aus dem Erk des EuGH ist in dieser Frage wenig zu gewinnen. Der EuGH beschränkt sich darauf, für die konkrete Situation einer ständigen Abstellung des AN an ein anderes Konzernunternehmen die Anwendbarkeit der Betriebsübergangsregelungen auf diesen AN bei Übergang des Beschäftigerbetriebs zu bejahen. Daraus lässt sich weder ein sicheres Argument für noch gegen die Erforderlichkeit eines Konzernzusammenhangs ableiten, da der EuGH zu anderen Konstellationen schlicht nicht Stellung beziehen musste (idS bereits Pfalz, ZAS 2019/59, 323 [326]).

Rückt man erneut den Schutzzweck der Betriebsübergangs- RL ins Blickfeld, so kann freilich die kategorische Ausgrenzung von Konstellationen, in denen Überlasser und Beschäftiger nicht demselben Konzern angehören, nicht überzeugen, spielt es doch für das Maß der Gefährdung der betroffenen Arbeitsplätze keine Rolle, ob die Arbeitskraft von einem konzerninternen oder aber von einem externen Unternehmen dauerhaft in einen anderen Betrieb überlassen wird. Es wird zwar vermutlich der Nachweis fehlender anderer Einsatzmöglichkeiten bei externen gewerblichen Überlassern (noch) schwerer zu erbringen sein als in konzerninternen Konstellationen, da erstere im Regelfall mit unterschiedlichen Beschäftigerunternehmen in vertraglicher Beziehung stehen; völlig ausgeschlossen erscheint eine Variante ohne Konzernzusammenhang aus meiner Sicht jedoch nicht. Zu denken ist dabei insb (aber nicht nur) an extreme Formen des Payrolling, in denen der Beschäftiger sogar die Auswahl der (formal beim Überlasser einzustellenden) Leiharbeitskraft übernimmt und sich die tatsächlich ausgeübten AG-Funktionen des Überlassers in der Abwicklung der Lohnauszahlung und der Anmeldung zur SV bzw der Abführung der entsprechenden Beiträge erschöpfen (idS auch Reissner, DRdA 2019/21, 236 [240]; Schindler, JAS 2019, 30 [38]; Pfalz, ZAS 2019/59, 323 [326]).

4.
Keine Sonderstellung langfristiger Überlassungen

Jedenfalls verworfen hat der OGH in der vorliegenden E die Ansicht Schindlers ( JAS 2019, 30 [37 f]), dass schon die „atypisch“ lange Dauer einer Überlassung zumindest im Regelfall auf die Anwendbarkeit der Betriebsübergangsregelungen schließen lassen würde. Schindler stützt sich dabei auf eine Rsp des OGH, wonach atypisch lange Überlassungen im AÜG nicht abschließend geregelt seien und eine weitergehende Gleichstellung überlassener AN mit den Stammbeschäftigten des Beschäftigerbetriebs rechtfertigen würden (grundlegend OGH9 ObA 113/03pDRdA 2004/47, 553 [Balla]; vgl zuletzt auch OGH 29.5.2018, 8 ObA 13/18x). Schindler sieht diese Rechtsansicht mit der durch die AÜG-Novelle 2012 (BGBl I 2012/98BGBl I 2012/98) neu eingefügten Regelung des § 10 Abs 1a AÜG, nach der überlassene Arbeitskräfte nach vierjähriger Überlassungsdauer in bestehende Betriebspensionssysteme des Beschäftigerbetriebs einzubeziehen sind, bestätigt und will die für Betriebspensionen maßgebliche Dauer von vier Jahren als zeitlichen Richtwert für die Abgrenzung von „typischen“ und „atypischen“ Überlassungen heranziehen.

Näher liegt es aus meiner Sicht, § 10 Abs 1a AÜG als Beleg für die in der Literatur schon zuvor überwiegend vertretene Gegenmeinung zu werten, 255 dass langfristige Überlassungen grundsätzlich denselben Regelungen unterliegen wie kürzere Einsätze, da sich weder aus dem Gesetz noch aus den Materialien belastbare Hinweise auf eine gesetzliche Unterscheidung zwischen „typischen“ und „atypischen“ Überlassungen ergeben (idS bereits Risak, ecolex 2004, 465; Marhold, ASoK 2008, 162; vgl auch mwN Schrattbauer in Schrattbauer, AÜG [2020] § 10 Rz 27 ff). Die Anordnung einer konkreten Rechtsfolge für langjährige Überlassungen lässt nun mE nicht nur auf die grundsätzliche Akzeptanz langfristiger Einsätze durch den Gesetzgeber schließen. Dieser gibt damit vielmehr auch zu erkennen, dass er Sonderregelungen für Dauerüberlassungen, dort wo er sie für erforderlich erachtet, auch ausdrücklich anordnet und dass im Übrigen von der Geltung der allgemeinen Bestimmungen des AÜG auch für Langzeitüberlassungen auszugehen ist. Das ist sozialpolitisch durchaus zu bedauern – es gäbe sehr gute Gründe, Dauerüberlassungen stärkeren Beschränkungen zu unterwerfen oder zumindest deren Attraktivität zu senken (zur Problematik von Langzeitüberlassungen vgl Schörghofer, Grenzfälle der Arbeitskräfteüberlassung [2014] 19 ff; Schrattbauer, Arbeitskräfteüberlassung [2015] 297 ff). Aus dem Gesetz ableitbar ist eine weitergehende Angleichung der Rechtsstellung langfristig überlassener Arbeitskräfte mit jener von Stammbeschäftigten abseits der bestehenden Regelung zu Betriebspensionen mE aber derzeit nicht.

Für die Frage der Übertragbarkeit der Betriebsübergangsregelungen auf überlassene AN hat der OGH die These einer weitergehenden Angleichung der Rechtsstellung nach vierjähriger Überlassungsdauer nun klar verworfen. Stellt man in der Frage des Übergangs der Arbeitsverträge überlassener Arbeitskräfte, wie oben vorgeschlagen, auf den Aspekt fehlender alternativer Einsatzmöglichkeiten (im Überlasser- oder in anderen Beschäftigerbetrieben) ab, so ist dies durchaus konsequent, weil von einer mehrjährigen Überlassung nicht ohne weiteres darauf zu schließen ist, dass der Arbeitsvertrag nach dem Übergang des Beschäftigerbetriebs nicht auch in einem anderen betrieblichen Umfeld fortgesetzt werden kann. Die mehrjährige Dauer der Überlassung könnte jedoch – insb wenn sie auch in Relation zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses als besonders lang erscheint – als Indiz für eine iSd der Rsp des EuGH in der Rs Albron „atypische“ Überlassung gewertet werden, das zusammen mit anderen Indizien den Ausschlag für einen ausnahmsweisen Übergang des Arbeitsverhältnisses geben könnte. IdS würde ich auch die Hinweise des OGH auf die in der Rs Albron zusätzlich zur langen Überlassungsdauer relevanten Aspekte verstehen. Dort sprach schon die Tatsache, dass das gesamte Personal der später übergegangenen Betriebsgesellschaft im Wege der Überlassung beschäftigt worden war, sehr eindeutig für das Vorliegen einer dauerhaft gespaltenen AG-Funktion. Gab es dagegen im Beschäftigerbetrieb vor dem Betriebsübergang – wie im vorliegenden Fall – auch regulär beschäftigte MitarbeiterInnen, so wird dieser Nachweis zwar deutlich schwerer zu erbringen sein, gänzlich ausgeschlossen wäre unter Zugrundelegung obiger Überlegungen aber auch hier ein Übergang der Arbeitsverhältnisse der überlassenen AN nicht.

5.
Fazit

Restlos geklärt sind die bislang offenen Fragen zur Rechtsstellung überlassener Arbeitskräfte im Betriebsübergang des Beschäftigerbetriebs auch mit der vorliegenden E des OGH nicht. Relativ klar erscheint jedoch die Fortsetzung der schon zuvor erkennbaren Tendenz, die Ausnahme von der grundsätzlichen Regel der Nichtanwendbarkeit der Betriebsübergangsregelungen auf überlassene Arbeitskräfte möglichst eng zu begrenzen. In den allermeisten Fällen wird es also dabei bleiben, dass der Arbeitsvertrag überlassener AN bei einem Betriebsübergang des Beschäftigerbetriebs nicht auf den Erwerber übergeht.

Klargestellt hat der OGH aber jedenfalls, dass die zeitlich lange Dauer der Überlassung für sich genommen nicht ausreicht, um ausnahmsweise doch einen Übergang der Arbeitsverhältnisse der überlassenen AN auf den „Erwerber“ des Beschäftigerbetriebs auszulösen. Woran genau der OGH die Abgrenzung einer „ständigen Abstellung“ an den Beschäftiger festmachen möchte, ist der Urteilsbegründung nicht zu entnehmen. Die in der Literatur vorgeschlagene Anknüpfung an das Erfordernis einer dauerhaft gespaltenen AG-Funktion würde das Ergebnis aber sehr gut tragen, und auch die Argumente, auf die der OGH sein Urteil maßgeblich stützt, passen an sich stimmig in dieses Konzept. Folgt man diesem Ansatz, so werden in einer Gesamtbetrachtung alle Indizien als relevant anzusehen sein, die darauf hindeuten, dass für die überlassene Arbeitskraft bei objektiver Betrachtung weder im Überlasserbetrieb noch in anderen Beschäftigerbetrieben eine realistische Alternative zur Überlassung in den vom Betriebsübergang betroffenen Betrieb existiert. Eine Verbindung von Überlasser und Beschäftiger in einer Konzernstruktur wäre dagegen keine notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Betriebsübergangsregelungen auf überlassene AN, wenngleich ein „ständiges Abstellen“ im oben skizzierten Sinne bei einer Zusammenarbeit mit einem externen gewerblichen Überlassungsunternehmen wohl nur in seltenen Ausnahmefällen vorliegen wird. 256