SchrankArbeitszeit – Kommentar

5. Auflage, Linde Verlag, Wien 2018 XLIV, 1.416 Seiten, gebunden, € 198,–

WALTER J.PFEIL (SALZBURG)

Ein derart umfangreiches Werk, das einer doch relativ spröden Materie gewidmet ist und dennoch bereits in fünfter Auflage vorliegt, ist offenkundig sehr erfolgreich und muss daher auch hohe Qualität aufweisen. Das dem (in anderen Verlagen würde man sagen: Groß-)Kommentar zu Grunde liegende Konzept ist in der Tat beeindruckend und einzigartig: Der Band enthält nicht nur eine (über 860 Seiten!) umfassende Kommentierung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) sowie des Arbeitsruhegesetzes (ARG) samt den dazugehörigen Verordnungen, sondern erläutert auch Sondervorschriften, wie das Öffnungszeitengesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KAAZG) oder das Bäckereiarbeiter/innengesetz, ja sogar die arbeitszeitrelevanten Bestimmungen im Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz, Mutterschutz- bzw Väterkarenzgesetz, Theaterarbeitsgesetz oder Universitätsgesetz (UG). Dazu kommen die unmittelbar anwendbaren unionsrechtlichen Regelungen für den Straßenverkehr. Dass die Arbeitszeit-RL 2003/88/EG nicht extra abgedruckt ist, muss daher überraschen, dass sie auch inhaltlich eher nur en-passant Beachtung findet, erweist sich sogar als Manko, auf das noch zurückzukommen ist.

Ansonsten eröffnet die Fülle des behandelten Normenmaterials zunächst einen handbuchartigen Gesamtüberblick der in Österreich geltenden Arbeitszeitvorschriften. Deren Erläuterung macht nicht nur die Unterschiede zwischen den einzelnen Bereichen sichtbar, sondern ist auch um die Herausarbeitung eines gemeinsamen, gleichsam arbeitszeitrechts-immanenten Regelungskerns bemüht, der dann wiederholt in Form einer Übertragung allgemeiner Ansätze auf Sondervorschriften nutzbar gemacht wird. Dass dies vielleicht nicht immer stimmig ist, braucht hier ebenso wenig vertieft werden wie der Umstand, dass anderes Schrifttum bei den Spezialregelungen (wie dem KA-AZG oder dem UG) noch seltener Berücksichtigung gefunden hat als beim AZG selbst.

Diese „Zurückhaltung“ mag freilich zum einen dem ohnedies schon beträchtlichen Umfang des Kommentars geschuldet sein. Zum anderen versteht sich dieser vor allem als Hilfestellung für die Praxis, die an akademischen Diskussionen über dogmatische Feinheiten weniger Interesse haben wird. Diese Hilfestellung wird allerdings dann nicht geleistet werden können, wenn Positionen vertreten werden, die rechtspolitisch vielleicht verständlich sind, sich aber bei näherer Betrachtung als wenig tragfähig erweisen.

Solche kritischen Punkte finden sich vor allem in der Kommentierung der Neuerungen durch BGBl I 2018/53BGBl I 2018/53. Diese werden nicht nur im Vorwort (V) positiv („Reform ... mit den früheren komplizierten Kompromissregelungen ... nicht vergleichbar ..., was ihre Umsetzbarkeit in die Praxis betrifft“), ja fast euphorisch („Noch nie gab es ... so hohe Anlassflexibilität ...“) bewertet. Auch bei der Erläuterung der konkreten Regelungen werden offenkundige Ungereimtheiten im Gesetzestext ignoriert oder die unionsrechtliche Einbettung ausgeblendet. Ein Beispiel für ersteres wäre das (zu) enge Verständnis des Ablehnungsrechts bei Überstunden nach § 7 Abs 6 AZG (vgl § 7 AZG Rz 24 ff; viel überzeugender dagegen etwa Felten, Neue rechtliche Rahmenbedingungen für Überstundenarbeit, wbl 2019, 252 [255 ff]). Die (ebenfalls wohl zu) geringe Beachtung insb der Vorgaben der AZ-RL zeigt sich etwa bei der Kommentierung der missglückten Ausweitung der Ausnahmen für leitende Angestellte und andere AN in § 1 Abs 2 Z 8 AZG (vgl einerseits § 1 AZG Rz 39 ff, andererseits etwa Auer-Mayer, AZG4 [2019] § 1 Rz 32 ff).

Das Gewicht derartiger Einwände ist freilich in mehrfacher Hinsicht zu relativieren. Zunächst sei daran erinnert, dass die vorliegende Kommentierung nur wenige Wochen nach Inkrafttreten der Neuregelung erschienen ist, so dass objektiv kaum Zeit für kritische Reflexion war und die Freude über rechtspolitische Verbesserungen (vgl noch einmal Vorwort, V: „Dies ermöglicht sinnvolles Arbeiten, ohne ständig an die Grenzen der Strafbarkeit zu stoßen“) vielleicht noch überwog. Dazu kommt, dass in der – damals in der Tat ersten umfassenden – Auseinandersetzung mit den geänderten Bestimmungen einiges dogmatisches Neuland beschritten werden musste. Und schließlich hat Franz Schrank gerade in seinem Arbeitszeit- Kommentar (im Übrigen auch in der nun vorliegenden Auflage) immer wieder unter Beweis gestellt, dass er sich nicht nur mit anderen Auffassungen auseinandersetzt, sondern sich von diesen gegebenenfalls auch überzeugen lässt und seine eigene Position entsprechend revidiert.

Keine Notwendigkeit zu grundlegender Revision besteht hingegen im Hinblick auf die formale Gestaltung des Kommentars. Die Erörterung erfolgt nach Gesetzen getrennt in der Reihenfolge der jeweiligen Bestimmungen, wobei jeweils ein Auszug aus den einschlägigen Gesetzesmaterialien vorangestellt ist. Die inhaltlichen Ausführungen setzen dann häufig sehr grundsätzlich, mitunter sogar weit ausholend an und folgen nur bedingt der Systematik der jeweiligen Vorschrift. Die Gliederung orientiert sich vielmehr an Fragestellungen, die dem Autor für die Praxis wichtig erscheinen (und es285 angesichts seiner langjährigen Erfahrung in der Regel auch sind), wobei die rechtspolitische Kritik nicht zu kurz kommt. Diese Vorgehensweise und der doch recht dichte Einsatz von fettgedrucktem Text erleichtern es nicht immer, die zum jeweiligen Sachproblem passenden weiterführenden Überlegungen zu finden. Das umfangreiche und durchdachte Stichwortverzeichnis leistet hier hervorragende Dienste. Von großem praktischen Nutzen sind schließlich die Vereinbarungs- bzw Formularmuster im Anhang (1353 ff).

Insgesamt darf man wohl sagen, dass es sich wieder um eine typische Schrank-Kommentierung (vgl nur meine Rezension zum LSD-BG [2017] in DRdA 2018, 537 f) handelt: Ein Band mit einer fast unglaublichen Fülle an Information, mit einigen Unausgewogenheiten und manchen Schwächen, aber mit viel mehr Vorzügen. Deswegen wird der Kommentar auch weiterhin und völlig zu Recht eines der Standardwerke, für nicht wenige vielleicht sogar das Standardwerk zum Arbeitszeitrecht bleiben.