Gasteiger/Heilegger/KleinArbeitszeitgesetz

5. Auflage, Verlag des ÖGB Wien 2019, 756 Seiten, gebunden, € 78,–

FLORIAN G.BURGER (INNSBRUCK)

Das hier zu besprechende Hardcover-Buch ist die Neuauflage eines Gesetzeskommentars zum AZG, der zweifellos seit beinahe 50 Jahren ein Standardwerk im Reigen arbeitszeitrechtlicher Literatur ist. Schon 1970 erschien im ÖGB-Verlag eine Kommentierung des damals kürzlich in Kraft getretenen AZG von Gerhard Weißenberg und Josef Cerny. Nachdem der später zum Sozialminister ernannte Weißenberg im Amt früh verstarb, erschien 1980 von Cerny allein das Folgewerk, welches noch bis 1990 unverändert mehrfach nachgedruckt wurde. Dann wurde es still um den Kommentar. Erst 2001 erschien er vollständig überarbeitet im neuen Format. Zur Bewältigung der Arbeitsfülle holte sich Josef Cerny mit Christoph Klein und Bernhard Schwarz zwei weitere Autoren ins Boot, ab der zweiten Auflage 2008 noch zusätzlich Gerda Heilegger. Nachdem mit der dritten Auflage 2011 zunächst Cerny, mit der vierten Auflage 2016 auch Schwarz aus dem AutorInnenteam ausschieden, stieß mit der nun erschienenen fünften Auflage Georg Gasteiger als neuer Kommentator dazu. Damit wird eine Tradition fortgesetzt: alle AutorInnen waren/sind bei der Arbeiterkammer Wien beschäftigt. Und – soviel sei vorweggenommen – dies hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass der Kommentar die Handschrift von PraktikerInnen trägt, die aus ihrer täglichen Arbeit wissen, wo der Schuh drückt.

Doch wie bespricht man die Neuauflage eines etablierten Gesetzeskommentars? Am besten, indem man die legislativen Veränderungen näher in den Blick nimmt. Und dies ganz besonders, wenn die Neuauflage erklärtermaßen (S 27) vor allem durch die Arbeitszeitrechtsnovelle 2018 notwendig wurde. Dies ist verständlich, weil es auch darum geht, bei dieser politisch umstrittenen Novelle Pflöcke in die Rechtsmeinungslandschaft einzuschlagen, an denen sich RechtsanwenderInnen orientieren können.

Bei der Kommentierung der hinzugekommenen nahen Angehörigen im Ausnahmekatalog des § 1 Abs 2 fällt auf, dass hier erfreulicherweise mit deutlich mehr Verweisen auf andere Literaturquellen gearbeitet wurde als im unverändert belassenen Teil des Kommentars. Vermutlich ist hier schon die Handschrift des neuen Autors erkennbar, der in § 1 Rz 80 ff mehrfach von „mE“ spricht, obwohl § 1 mit Gasteiger/Heilegger zwei gleichberechtigte AutorInnen aufweist (dasselbe auch in §§ 6 bis 8 Rz 17a, 25a und 32a von Klein/Gasteiger). Dass diese Verweise manchmal überladen wirken, ist nicht den AutorInnen, sondern dem Layout zuzuschreiben, weil sie als Klammerausdrücke im Fließtext aufgenommen und nicht in einem Fußnotenapparat ausgegliedert sind. Rz 80 enthält gleich ein anschauliches Beispiel klarer Sprache, wenn die einzelnen Voraussetzungen der autonomen AN iSd § 1 Abs 2 Z 8 unmissverständlich aufgezählt und in den nächsten Randzahlen näher beleuchtet werden. Nicht erklärt wird jedoch, warum der Gesetzgeber „leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ ausnimmt, welche im Verständnis der KommentatorInnen (deutlich in Rz 83) jeweils über maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnisse verfügen müssen, wenn dadurch kein Unterschied zwischen leitenden Angestellten und den nicht-leitenden sonstigen AN besteht; der Gesetzgeber hätte dann einfach von „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern“ sprechen können. Freilich, der Wortlaut ist an Art 17 RL 2003/88/EG angelehnt, doch damit ist noch nichts erklärt. Dies wundert eigentlich, weil Gasteiger/Heilegger an dieser Stelle eine ausführliche Wortlautinterpretation vornehmen.

Bei den von Christoph Klein bearbeiteten §§ 3 bis 4c erkennt man besonders gut die Praxisnähe des Arbeitsrechts-Insiders: Zum einen wird nicht dogmatisch kleinlich jeder Paragraph für sich kommentiert, sondern es werden gerne jene zusammengefasst, die auch thematisch zusammengehören (so etwa hier die Arbeitszeitflexibilisierung). Zum anderen gelingt es dem Autor hier großartig, mit Hilfe von vier Parametern jegliches Arbeitszeitmodell zu beschreiben (§§ 3 bis 4c Rz 9 ff; ähnlich auch Klein in Gärtner/Klein/Lutz, Arbeitszeitmodelle4 [2017] 8 ff). Wer diese vier Parameter verinnerlicht, ist in der Lage, das komplexe Arbeitszeitrecht gedanklich zu durchdringen und für jede Arbeitszeitflexibilisierung festzustellen, ob Normalarbeit oder Überstundenarbeit vorliegt. Die nähere Beschreibung der in §§ 3 bis 4c genannten Flexibilisierungsmaßnahmen anhand dieser Parameter wird durch anschauliche Beispiele ergänzt. Die Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeitgrenze auf zwölf Stunden hat besonders bei der Gleitzeit des § 4b viele Rechtsfragen aufgeworfen, zu denen sich in kurzer Zeit die unterschiedlichsten Meinungen entwickelt haben. Freilich greift Klein diese Fragen auf, etwa zum Schicksal bestehender Betriebsvereinbarungen (Rz 51b), zur kollektivvertraglichen Anführung einer Zehn-Stunden- Grenze (Rz 51c) oder zum ganztägigen Gleiten als Voraussetzung für das neue erweiterte Gleitzeitmodell (Rz 59a). Bei letzterem ist ihm darin zuzustimmen, dass es mit einem einzigen möglichen Gleittag pro Gleitperiode nicht getan sein wird und dass sein Verbrauch nicht von der Zustimmung des AG abhängt.

Die Modifikationen der §§ 7 und 8 durch die AZGNovelle 2018 finden in der zusammengefassten Kommentierung von Klein/Gasteiger zu §§ 6 bis 8 ihren Niederschlag. So werden etwa die Folgen des Wegfalls des § 7 Abs 4 für bereits abgeschlossene Betriebsvereinbarungen ebenso erörtert (Rz 22) wie das neue286 grundlose Ablehnungsrecht (Rz 24a ff), wo wenig überraschend ein pauschaler Vorwegverzicht abgelehnt wird. Alles andere als bloß akademisch ist die Betrachtung des neuen Wahlrechts in § 10 Abs 4 zur Abgeltung von Überstunden, welche die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden bzw Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschreiten, in Bezug auf Pauschalierungsvereinbarungen (§ 10 Rz 27 ff). Bei der Kommentierung des § 9 fällt hingegen auf, dass – anders noch in der Vorauflage – die 17-Wochen- Durchschnittsregelung des Abs 4 überhaupt nicht mehr besprochen wird, obwohl diese durch die legislative Ausdehnung der Höchstarbeitszeitgrenzen an Bedeutung gewinnt; eine passende Kommentierung findet sich nur zum ähnlichen § 7 Abs 1 (§§ 6 bis 8 Rz 17a).

Sonst bestehen nur kleinere formale Unstimmigkeiten: So ist etwa in § 1 Rz 15 der Verweis auf das von Egger bereits 2006 in zweiter Auflage erschienene Buch zu aktualisieren, in § 1 Rz 79 und 91 wird auf „EuArbR/Gallner“ verwiesen, ohne dass diese Abkürzung bei den Kurzzitaten, im Abkürzungs- oder Literaturverzeichnis aufgelöst wird (gemeint ist Franzen/Gallner/Oetker [Hrsg], Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht2 [2018]) und in § 19d Rz 107 müsste seit dem Vertrag von Lissabon statt auf „Art 141 des EU-Vertrages“ auf Art 157 AEUV verwiesen werden.

Dies trübt aber die vielen Vorzüge dieses Gesetzeskommentars in keiner Weise. Die Randzahlen blieben gegenüber der Vorauflage glücklicherweise unverändert, was die Zitierung wesentlich erleichtert. Erfreulich ist auch, dass mit dem gedruckten Buch der Zugang zum e-book – einer PDF-Datei des gesamten Buches in exakt derselben Optik – und zur Online-Datenbank eröffnet wird. Hilfreich sind beide zum einen deshalb, weil man bequem die gesamte Kommentierung mit sich tragen kann, zum anderen aber auch wegen der Textsuche, die freilich weit mehr Möglichkeiten bietet als das Stichwortverzeichnis der Printversion. Insgesamt wird jeder, der im Arbeitszeitrecht arbeitet, an diesem umfassenden, inhaltlich wertvollen und praxisnahen Gesetzeskommentar nicht vorbeikönnen.