Reissner/Mair (Hrsg)Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeitsrecht und Sozialrecht 2018 – Aktuelles aus Gesetzgebung und Judikatur des OGH

Linde Verlag, Wien 2019, 270 Seiten, kartoniert, € 52,–

KLARAHINGER (WIEN)

Der mittlerweile zur Tradition gewordenen „Innsbrucker Jahrestagung zum Arbeitsrecht und Sozialrecht“ folgt der von Univ.-Prof. Mag. Dr. Gert-Peter Reissner und Assoz. Prof. Mag. Dr. Andreas Mair herausgegebene Tagungsband, welcher die Ergebnisse der gehaltenen Vorträge in kompakter Form publiziert.

In diesem Buch werden aktuelle Judikatur und spezielle aktuelle Thematiken aus dem Arbeits- und Sozialrecht besprochen. Einer übersichtlichen Struktur folgend werden zuerst die dem Arbeitsrecht zugehörigen Beiträge und in einem zweiten Teil die Themen des Sozialrechts behandelt. Zu Beginn jedes Teils wird dem/der LeserIn ein guter Überblick über aktuelle Entscheidungen des OGH im entsprechenden Bereich gegeben, darauf folgen Beiträge, die sich im Detail mit speziellen Themen auseinandersetzen.

Im arbeitsrechtlichen Teil startet Reissner mit einem Überblick über die aktuelle OGH-Judikatur zum kollektiven Arbeitsrecht, zu Bestandschutzregelungen, zum Verfall und zur Abfertigung. Im Anschluss stellt er dem/der LeserIn noch vier Entscheidungen aus anderen Themengebieten vor. Diese unter Diverses zusammengefassten Entscheidungen betreffen die Frage der Ablehnungsobliegenheit bei sexueller Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG, das Leistungsverweigerungsrecht des AN bei Rückstand an fälligem Entgelt, die Vereinbarung eines variablen Beschäftigungsausmaßes einer Vertragsbediensteten und die Auswirkungen einer 289 Karenz auf das nach Lehrabschluss für die Dauer der Behaltepflicht abgeschlossene Arbeitsverhältnis.

Dieser Einleitung folgend setzt sich Reissner mit den Neuerungen auf Grund der „Arbeiter-Gleichstellungsnovelle“ BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153auseinander. Dieser gut strukturierte Beitrag gibt auch in diesem Gebiet noch nicht so Bewanderten einen guten Überblick über die praxisrelevanten Änderungen in Bezug auf Entgeltfortzahlung und Kündigungsrecht. Dabei bleibt es jedoch nicht nur bei einer Darstellung der für PraktikerInnen relevanten Thematiken. Es werden auch die verbleibenden Unterschiede, welche durch die Neuregelung nicht behoben werden konnten, aufgezeigt und auf weiterbestehende Probleme hingewiesen. Zu diesen gehört die unbefriedigende Tatsache, dass Entlassungs- und Austrittsgründe für ArbeiterInnen und Angestellte weiterhin nicht einheitlich geregelt sind. Für ArbeiterInnen gelten weiterhin die Bestimmungen nach §§ 82 f GewO 1859. Der von Reissner geforderte einheitliche Katalog wäre wünschenswert, zumal auch die generalklauselartige Regelung im AngG nicht ideal ist.

Anschließend bringt MMag.a Dr.in Birgit Schrattbauer dem/der LeserIn aktuelle Rechtsprobleme im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung näher. Im Ergebnis stellt sie fest, dass nach wie vor im Regelfall nur eine finanzielle Gleichstellung der Leiharbeitskräfte auf Ebene des kollektivvertraglichen Mindestlohnes nach § 10 Abs 1 AÜG erforderlich ist. Sie vertritt jedoch entgegen der OGH-Rsp die plausible Meinung, dass kollektivvertragliche Entgeltansprüche in den Überlassungslohn einzubeziehen sind, auch wenn es sich um einmalige oder aperiodisch anfallende Ansprüche handelt und der Mindestlohn nach dem Beschäftiger-KollV durch Referenzzuschläge zu erhöhen ist. Ein weiterer herausgearbeiteter Aspekt betrifft das Verhältnis des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes und des § 10 Abs 1 AÜG. § 10 Abs 1 AÜG ist betreffend der Regelung des Überlassungsentgelts abschließend. Über den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz können keine darüber hinaus gehenden Entgeltansprüche begründet werden.

Im von Mag. Dr. Thomas Radner verfassten Teil geht es um aktuelle Entwicklungen im Recht der Dienstreise. Diese detaillierte Abhandlung deckt das Thema umfassend ab. Herauszuheben ist die E des EuGH in der Rs Tyco und dessen Auswirkung auf die Qualifizierung der Wegzeiten von AußendienstmitarbeiterInnen ohne festem Dienstort. Die Auswirkung der E auf die österreichische Rechtslage wird, wie auch im Beitrag erläutert, in der Lehre unterschiedlich gesehen. Die Argumentation Radners, nach der die bis zur Entscheidung in Österreich einhellige Meinung, dass bei AußendienstmitarbeiterInnen ohne festem Dienstort die Fahrzeiten zwischen dem Wohnort und dem ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück zum Wohnort keine Arbeitszeit darstellen, nun nicht mehr tragbar sei, ist durchaus plausibel.

„Versetzung und Arbeitsverfassung“ ist das von Dr.in Jutta Rabl behandelte abschließende Thema des arbeitsrechtlichen Teils des Buchs. Anhand einschlägiger höchstgerichtlicher und zweitinstanzlicher Judikatur bringt Rabl dem/der LeserIn einschlägige Problematiken anschaulich näher. Hier werden Thematiken, wie die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen im Zuge der Versetzung, die Problematiken bei Mischtätigkeiten, Verschlechterungen von Entgeltbedingungen und der Themenkreis der betrieblichen Gründe beleuchtet. Auch Aspekte zur Zustimmung zur Versetzung und vieles mehr wird im Detail beleuchtet. Der Beitrag bietet eine gute Mischung aus Basiswissen und darüber hinausgehender Thematisierung aktueller Spezialprobleme.

Zu Beginn des sozialrechtlichen Abschnitts gibt Mair, der allgemeinen Struktur des Werks folgend, einen Überblick über die aktuelle Judikatur des OGH in Sozialrechtssachen. Unterteilt in die Themen KV, UV, PV, Kinderbetreuungsgeld und Pflegegeld stellt er entscheidende Urteile kurz und prägnant dar. Dem/der LeserIn wird dadurch ein guter Eindruck über die Entwicklungen in den entsprechenden Gebieten vermittelt.

Im ersten spezifischen sozialrechtlichen Beitrag setzt sich Dr. Werner Engers mit den im Sozialrechtsverfahren passierenden Hoppalas auseinander. Sachlich, aber nicht ohne verstecktes Augenzwinkern, wird in diesem Beitrag anhand von Praxisbeispielen und ergangenen Urteilen auf die Spitzfindigkeiten des Prozessrechts und die daraus resultierenden Fehlerpotentiale hingewiesen. Im Speziellen geht es um Problematiken rund um die Klage, die Vertretungsbefugnis, die Senatsbesetzung, den Urkundenbeweis und den Auftrag zur vorläufigen Zahlung. Um ein Beispiel beispielhaft herauszugreifen, ist § 40 Abs 1 Z 2 ASGG näher zu beleuchten. Demnach sind die Funktionäre und AN einer gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen Berufsvereinigung zur qualifizierten Vertretung eines Versicherten befugt, dabei handelt es sich um physische Personen. Es ist daher nicht die Interessenvertretung mit der Vertretung betraut. Darauf ist beim Verfassen einer Klage zu achten. Ist nicht die physische Person, sondern die Interessenvertretung als Vertreter angegeben, so müsste ein Verbesserungsauftrag erfolgen und die Klage richtiggestellt werden. Zum Schluss des Beitrages erheitert der Autor den/die LeserIn noch mit einem amüsanten Rechtssatz, der so vermutlich nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war.

Um die Genehmigung einer Auslandskrankenbehandlung geht es im anschließenden Beitrag von Dr. Gerhard Kohlegger. Dieses etwas trockene, jedoch praxisnahe und vor allem für Betroffene hoch relevante Thema wird detailliert anhand der relevanten Rechtsgrundlagen (Art 20 VO [EG] 883/2004, § 7b SV-EG) und der entsprechenden Judikatur beleuchtet und erklärt. Die Systematik und das Zusammenspiel der relevanten Artikel und Paragrafen wird gut herausgearbeitet und ist leicht nachzuvollziehen.

Im anschließenden Kapitel des Buches geht es um das am 1.7.2017 in Kraft getretene Heimopferrentengesetz, welches von Dr. Christoph Madlener beleuchtet wird. Nach einer umfassenden Erläuterung zu Entstehung, Bedeutung und Inhalt des Gesetzes werden offene Fragen und potenzielle Problematiken herausgearbeitet. Der Autor weist speziell auch auf faktische Herausforderungen und Beweisproblematiken aufgrund des langen Vergangenheitsbetrachtungszeitraums hin. Aufgrund vieler zusammenspielender komplizierter Thematiken, welche potenziell Gutachten erfordern, befürchtet Madlener lange Verfahrensdauern. Inhaltlich ist zu sagen, dass nunmehr Kranken-, Psychiatrie- und Heilanstalten sowie private Einrichtungen in § 1 Heimopferrentengesetz (HOG) miteinbezogen wurden. Dies ist zu begrüßen, auch in diesen Anstalten Kinder oft längere Zeit untergebracht waren und es auch dort zu strukturierter Gewaltausübung kam. Diese schafft 290 Klarheit und macht eine Gesetzesauslegung in diesem Bereich, wie Madler erkennt, überflüssig.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass es sich beim Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeitsrecht und Sozialrecht 2018 um ein gut strukturiertes Werk handelt, welches dem/der LeserIn auf fachlich hohem Niveau einen guten Überblick über derzeit relevante Thematiken aus dem Arbeits- und Sozialrecht bietet.