Das Schicksal von Aktienoptionsprogrammen bei Betriebsübergängen
Das Schicksal von Aktienoptionsprogrammen bei Betriebsübergängen
Ausgangspunkt für die nachfolgenden Überlegungen sind in der Praxis regelmäßig durchgeführte Unternehmens(-ver-)käufe (Asset Deals). Diese sind nämlich mit dem Übergang des übertragungsgegenständlichen Betriebs auf einen neuen Inhaber und damit einen neuen AG verbunden.* Für Fälle, in denen ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber übergeht (Betriebsübergang), sieht § 3 Abs 1 AVRAG vor, dass der neue Inhaber als AG mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Die von einem Betriebsveräußerer geschlossenen Arbeitsverträge, samt etwa den darin verbrieften Ansprüchen auf Entgelt, gehen auf den Erwerber in der Art über, wie sie sich im Zeitpunkt des Betriebsübergangs befunden haben.*Da es sich sowohl bei der Gewährung von Unternehmensbeteiligungen als auch bei Aktienoptionen grundsätzlich um „Entgelt“ iSd weiten arbeitsrechtlichen Entgeltbegriffes handelt,* wäre es naheliegend, den Übergang von Aktienoptionen gem § 3 Abs 1 AVRAG zu befürworten. Dabei stellt sich dennoch die Frage, ob die bei der übertragenden Gesellschaft im Konkreten implementierten Aktienoptionsprogramme – unabhängig von der Qualifikation als Entgelt – tatsächlich Teil bestehender Arbeitsverhältnisse sind, somit von § 3 Abs 1 AVRAG erfasst sind und im Falle eines Betriebsübergangs gemeinsam mit den begünstigten Personen auf die den relevanten Betrieb übernehmende Gesellschaft übergehen.*Nach der Anwendbarkeitsprüfung des § 3 Abs 1 AVRAG auf Aktienoptionen stellt sich die Folgefrage nach der Möglichkeit der nachträglichen Anpassung/Abänderung von etwaigen im Rahmen des Betriebsübergangs übergehenden Verpflichtungen aus einem Aktienoptionsprogramm.
Übergang von Aktienoptionen gemäß § 3 Abs 1 AVRAG
Aktienoptionsprogramm als Anspruch aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis
Vorstandsmitglieder bzw KapitalvertreterInnen
ArbeitnehmervertreterInnen, leitende Angestellte bzw übrige Belegschaftsmitglieder
Ansprüche aus konzernweiten Aktienoptionsprogrammen
Nachträgliche Änderungen/Anpassungen der Verpflichtungen aus einem Aktienoptionsplan aufgrund des Betriebsübergangs
Ausgangssituation
Allgemeines
Anpassungsanspruch der ArbeitnehmerInnen
Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens
Anpassungsvarianten
Anpassungsanspruch der übernehmenden Gesellschaft
Zusammenfassung der Ergebnisse
An dieser Stelle muss bereits eine wesentliche Einschränkung des relevanten Untersuchungsgegenstands vorgenommen werden, weil der mögliche Adressatenkreis von Aktienoptionsprogrammen 215 äußerst unterschiedlich sein und von Vorstandsmitgliedern über Aufsichtsratsmitglieder bis hin zu leitenden Angestellten bzw übrigen Belegschaftsmitgliedern reichen kann.* Damit wird rasch klar, dass eine allfällige Betriebsübergangsproblematik iSd § 3 Abs 1 AVRAG nicht bei allen begünstigten Personen gleichermaßen auftreten kann, zumal diese Bestimmung lediglich AN erfasst.* Der ANBegriff ist dabei nach der EuGH-Rsp nicht unionsrechtlich, sondern nach nationalem Recht auszulegen.*
Da Vorstandsmitglieder auf Basis eines freien Dienstvertrags* agieren und KapitalvertreterInnen im Aufsichtsrat bei ihrer Tätigkeit regelmäßig einem Vertragsverhältnis gemischten Typs* unterliegen, geht es bei Personen dieser Begünstigtenkreise sohin jedenfalls nicht um Rechte aus bestehenden Arbeitsverhältnissen.* So können diese beiden Personengruppen im Falle eines Betriebsübergangs schlechthin nicht der Eintrittsautomatik des § 3 Abs 1 AVRAG unterliegen.*
Ist beabsichtigt, Personen dieser Begünstigtenkreise als Teil des übertragungsgegenständlichen Betriebs auf eine übernehmende Gesellschaft übergehen zu lassen, so käme für eine Übertragung der schuldrechtlichen Rechtsverhältnisse* allenfalls die dispositive Regelung des § 38 UGB zur Anwendung, der „Rechtsverhältnisse“ weit versteht,* nur im Anwendungsbereich speziellerer Normen (so etwa § 3 AVRAG) verdrängt wird* und folglich dann einschlägig ist, wenn keine speziellere Norm zur Anwendung gelangen kann.* Das bedeutet, dass eine beabsichtigte Übertragung der durch Aktienoptionsprogrammen begünstigten Vorstandsmitglieder bzw KapitalvertreterInnen im Aufsichtsrat nicht zwingend* zur automatischen Übertragung ihrer Rechtsverhältnisse (samt allfälliger Rechtspositionen aus Aktienoptionsprogrammen) führt. Die nachfolgenden Überlegungen sind aus diesem Grund auf AN-VertreterInnen im Aufsichtsrat und leitende Angestellte bzw übrige Belegschaftsmitglieder beschränkt.*
Sollte bereits im Dienstvertrag* der AN entweder die Gewährung der Aktienoption selbst erfolgen oder vereinbart werden, dass nach Verstreichen einer gewissen Wartezeit/Betriebszugehörigkeit (verbindlich*) erst die Aktienoption zu gewähren ist,* so ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass dieser dienstvertraglich eingeräumte „Verschaffungsanspruch“ der AN als Anspruch aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis anzusehen ist und gem § 3 Abs 1 AVRAG auf einen Erwerber übergeht.*
In der Praxis erfolgt die Einräumung der Aktienoptionen jedoch regelmäßig auf Basis eigenständiger, vom Dienstvertrag (formal) losgelöster Aktienoptionsverträge, wobei die Begünstigten die allgemeinen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammbedingungen gemeinsam mit einem entsprechenden Begleitschreiben erhalten und mittels Kaufauftragsformulare bzw Ausübungserklärungen/Bezugsformulare am Aktienoptionsprogramm teilnehmen.
Der Abschluss der Aktienoptionsverträge ist dabei auf jeden Fall durch das Arbeitsverhältnis motiviert und steht mit diesem in ursächlichem Zusammenhang.* Fraglich ist aber, ob Aktienoptionsverträge lediglich anlässlich des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen werden und von diesem gesondert zu betrachten sind, oder auch untrennbar mit dem Arbeitsverhältnis verbunden sind.* Bei der konkreten Ausgestaltung der Aktienoptionsverträge stoßen jedenfalls zum einen für einen Dienstvertrag typische Interessenlagen* (dh Entgeltfunktion, besonderes Interesse des AG an der fortgesetzten Erbringung der Arbeitsleistungen des AN) sowie für (Aktien-)Optionsverträge „typische Inhalte“* (dh kaufvertragliche Elemente) aufeinander, sodass 216 man bei Aktienoptionsverträgen von „gemischten Verträgen“* besonderer Art sprechen muss.
Zur Beantwortung der somit unvermeidlichen Frage, welchen gesetzlichen Regelungen gemischte Verträge unterliegen* bzw ob § 3 Abs 1 AVRAG auf Aktienoptionsverträge anwendbar ist, können im Ergebnis mangels genereller gesetzlicher Regeln nur verschiedene „Theorien“ (Absorptionstheorie, Kombinationstheorie, Theorie der analogen Rechtsanwendung) herangezogen werden.* Gleich welcher Theorie man folgt, kommt man mE bei einem Betriebsübergang folglich nicht darum herum, sich bei Aktienoptionsverträgen ebenfalls mit § 3 Abs 1 AVRAG auseinanderzusetzen und die Anwendbarkeit auf Aktienoptionen (bzw Aktienoptionsverträge) aus zwei Gründen zu bejahen:
Einerseits schlichtweg auf Grund der Tatsache, dass § 3 Abs 1 AVRAG als eine Regelung mit besonderem Schutzcharakter Anwendung finden soll,29) damit der Schutzzweck dieser Norm durch die konkrete Wahl eigenständiger Aktienoptionsverträge nicht unterlaufen wird.30) Andererseits hat § 3 Abs 1 AVRAG auch deshalb zur Anwendung zu gelangen, weil die arbeitsrechtliche Vertragskomponente des Optionsvertrags nach dem Willen der Vertragsparteien das entscheidende Gepräge gibt.* Obgleich der OGH dabei die Auffassung vertritt, dass eine klare synallagmatische Beziehung zwischen Aktienoptionen weder zu einer bestimmten Periode der Arbeitszeit noch der Arbeitsleistung besteht,* kann nicht abgestritten werden, dass es sich beim Anspruch auf Gewährung des Rechts auf den (verbilligten) Bezug von Aktien der AG-Gesellschaft um eine den AN geschuldete Leistung des AG handelt, die er doch zumindest als Gegenleistung für geleistete und zukünftige Betriebstreue übernimmt.*
Den AN entspringt letztlich aus den Aktienoptionen ein – auf einen Erwerber überzugehender – entgeltwerter Vorteil, welcher sich eindeutig um ein Recht aus dem Arbeitsverhältnis iSd § 3 AVRAG handelt.* Der Aktienoptionsvertrag dient dabei in diesem Zusammenhang lediglich als „Mittel zum Zweck“.* Gerade dann, wenn ein solch unlöslicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsvertrag und einem weiteren Vertrag besteht, der Bestand dieses weiteren Vertrags Teil der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten ist, muss eine Verpflichtung zur Übernahme gem § 3 Abs 1 AVRAG bejaht werden.*
Bei den (in der Praxis häufigen) konzernweiten Aktienoptionsprogrammen* werden die Optionen von dritter Seite, nämlich einer von der Vertrags- AG-Gesellschaft verschiedenen, in der Regel ausländischen börsennotierten Muttergesellschaft* eingeräumt. Auch hier ist wieder zu hinterfragen, ob es sich bei den durch diese Konzerngesellschaft abgeschlossenen Aktienoptionsverträgen um Rechte aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis handelt (und diese gem § 3 Abs 1 AVRAG auf den Erwerber übergehen).*
In Deutschland hat sich zur Frage des Übergangs von durch Konzerngesellschaften gewährten Aktienoptionen bereits eine klare Rsp* entwickelt, die auch in der deutschen Literatur Zustimmung gefunden hat.* Das deutsche BAG ist dabei der Ansicht, dass wenn die/der AN eine Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen nicht mit dem AG, sondern mit einem anderen Konzernunternehmen abschließt, Ansprüche aus dieser Vereinbarung grundsätzlich nur gegenüber dem vertragschließendenden Konzernunternehmen geltend gemacht werden können und diese Ansprüche nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit der Tochtergesellschaft werden.* Von Dritten gewährte Aktienoptionen oder sonstige im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis der/des AN geleistete Zuwendungen seien kein Arbeitsentgelt im arbeitsrechtlichen Sinn; vielmehr sei Arbeitsentgelt lediglich eine Leistung eines geldwerten Vorteils durch den AG im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis, wobei von Dritten gewährte Aktienoptionen letztlich mit Trinkgeldern vergleichbar sind.*
Diese Wertung kann jedoch nicht undifferenziert für österreichische Sachverhalte übernommen werden: In diesem Zusammenhang ist auf 217 die in Österreich unstrittige Ansicht zu verweisen, dass Aktienoptionen zwar nicht zum Kernbereich arbeitsrechtlicher Vergütung zählen,* jedoch als Entgelt anzusehen sind.* Von besonderer Bedeutung ist dabei zudem, dass der OGH bei der Beurteilung von zugesagten Aktienoptionen als Entgelt sogar ein konzernweites Aktienoptionsprogramm vor Augen hatte, zumal es in dem durch ihn zu entscheidenden Sachverhalt um Rechte auf Erwerb von Aktien an der amerikanischen Konzernmutter der Bekl ging.* Aus diesem Grund ist es mA nach nur konsequent, gerade eben keinen Vergleich zwischen von Dritten eingeräumten Aktienoptionen und anderen Leistungen von dritter Seite (etwa Trinkgeldern) zu ziehen. Denn richtigerweise ist davon auszugehen, dass auch, wenn die Optionen von einer (ausländischen) Konzerngesellschaft eingeräumt werden, grundsätzlich ein (von dritter Seite gewährter) entgeltwerter Vorteil aus dem inländischen Dienstverhältnis vorliegt und ein untrennbarer Zusammenhang mit der Tätigkeit für die (inländische) Vertrags-AG-Gesellschaft besteht.* Dies hat letztlich zur Folge, dass die von einer Konzerngesellschaft abgeschlossenen Aktienoptionsverträge ebenfalls Rechte aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis darstellen und gem § 3 Abs 1 AVRAG auf einen Erwerber übergehen.
In Hinblick auf die nachfolgenden Überlegungen sei folgender kurzer Ausgangssachverhalt in Erinnerung gerufen: Eine Aktiengesellschaft, die ein Aktienoptionsprogramm implementiert hat, veräußert ihren Betrieb – darunter von durch das Programm begünstigte Personengruppen – an eine andere Aktiengesellschaft, die kein solches Programm eingeführt hat.
Nimmt man nun an, dass die Parteien (also der Veräußerer sowie die Begünstigten) bei Abschluss der jeweiligen Aktienoptionsverträge in der Regel selbstverständlich von der fortgesetzten Zugehörigkeit der entsprechenden (Arbeits-)Vertragsverhältnisse zum Veräußerer ausgegangen sind, sie jedoch durch den Betriebsübergang in ihren Erwartungen enttäuscht werden, stellt sich im Allgemeinen die Frage nach möglichen Auswirkungen dieser Umstandsänderungen auf die Aktienoptionsverträge.* Diese Frage nach den Auswirkungen der Umstandsänderungen* hat im Konkreten zwei Aspekte bzw wird der Ruf nach der Möglichkeit einer Änderung der Ansprüche von zwei verschiedenen Seiten laut werden:
Erstens werden die begünstigten AN nach Möglichkeiten einer Anpassung an die neuen Umstände suchen, weil sie – mitsamt ihrer ursprünglich gegen den Veräußerer gerichteten Ansprüche aus dem Aktienoptionsprogramm/ auf Aktien des Veräußerers lautenden Optionen – auf den Erwerber übergegangen sind und in ihrer Erwartungshaltung, den Unternehmenserfolg des Veräußerers mitgestalten und so am gesteigerten Aktienwert partizipieren zu können, durch den Betriebsübergang enttäuscht wurden.
Zweitens wird der Erwerber des Betriebs, der womöglich nicht einmal gelistet ist, entweder keine solcher Ansprüche erfüllen wollen oder mitunter können und so eine Änderung anstreben.
Eingangs sei angemerkt, dass die Möglichkeit der Umformung des Vertragsinhalts nicht im Widerspruch mit der gesetzlich angeordneten Fortsetzungspflicht steht, zumal die in § 3 AVRAG vorgesehene Eintrittsanordnung insb auf die Verhinderung der Fortsetzungsverweigerung abzielt.*
Um aber dem Spannungsverhältnis zwischen dem auf Aktienoptionsverträge anwendbaren Grundsatz pacta sunt servanda* und den aufgrund des Betriebsübergangs geänderten Umständen gerecht zu werden, soll mithilfe der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage geprüft werden, ob bzw welche Lösungen für die oben aufgezeigten, recht unterschiedlichen Interessenlagen gefunden werden können. Dabei besteht jedoch in der österreichischen Lehre kein einheitlicher Lösungsansatz, um Fälle der Geschäftsgrundlage zu lösen* und bietet auch die Rsp kein klares Bild.* Zusammenfassend festgehalten sei hier lediglich, dass zum einen das Irrtumsrecht den Ausgangspunkt der Betrachtungen bildet* und zum anderen Lösungsmodelle herangezogen werden, die auf einfacher oder ergänzender Vertragsauslegung* basieren.* Der Autor orientiert sich an den von Univ.-Prof. Dr. Peter Rummel ausgearbeiteten Thesen.*218
Damit die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage* nun im Konkreten für die aus einem Aktienoptionsprogramm begünstigten AN im Fall eines Betriebsübergangs fruchtbar gemacht werden kann, kommt es im Wesentlichen zunächst darauf an, den hypothetischen Parteiwillen zu ermitteln.* Dabei ist festzustellen, wie die Parteien unter der Maxime redlichen Handelns die Lücke im Aktienoptionsvertrag* geschlossen hätten, wenn sie – im Zeitpunkt des Abschlusses – auch einen Betriebsübergang bedacht hätten.* Wenngleich im Rahmen dieser Prüfung auf die Interessen sowohl der AN als auch des Betriebsveräußerers (als ursprünglichen Vertragspartner des Aktienoptionsvertrags*) Rücksicht zu nehmen ist,* kann ein Ergebnis letztlich nur auf eine objektive Bewertung hinauslaufen, um einen redlichen* Interessenausgleich zu finden.*
In unserer Fallkonstellation ist zu bedenken, dass zwischen dem Zeitpunkt des Abschlusses des Aktienoptionsvertrags und einer Geltendmachung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf Grund des Betriebsübergangs ein Wechsel des Vertragspartners der AN eingetreten ist, was mitunter die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens beeinflussen könnte. Während es zunächst der Betriebsveräußerer war, der den Aktienoptionsvertrag abgeschlossen und einen entsprechenden Willen gefasst hat, wird die/der AN ihre/seine hier relevanten Ansprüche jedoch wegen des Betriebsübergangs gegenüber dem Betriebserwerber geltend machen, der wiederum naturgemäß überhaupt keinen Willen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hatte. Da es für die Zwecke der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens aber ausschließlich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommt, kommt es im Ergebnis nur auf den hypothetischen Willen des Betriebsveräußerers an und hat sich der Betriebserwerber diesen Willen des Betriebsveräußerers zurechnen zu lassen. Dies entspricht wohl auch am ehesten dem Zweck der Eintrittsautomatik des § 3 Abs 1 AVRAG.*
Die Begünstigten sollen durch die Implementierung von Aktienoptionsprogrammen die Möglichkeit erhalten, an der zukünftigen Entwicklung des Unternehmenserfolgs des AG zu partizipieren. Es soll ein Ansporn geschaffen werden, die eigenen Anstrengungen zu erhöhen, um zum gemeinsamen Wachstum und zur Steigerung des Erfolgs beizutragen. Schließlich wird der Betriebsveräußerer als AG – ohne Berücksichtigung der dem Abschluss des Vertrags nachfolgenden Umstände* – wohl die Absicht gehabt haben, nicht nur geleistete Dienste zu honorieren, sondern ganz allgemein eine flexible, von starren Gehaltsschemata abweichende, Bonifikationsform einzuführen. Im Einklang mit diesen Zwecken ist zudem davon auszugehen, dass (i) sowohl der Betriebsveräußerer als auch AN die genannten Zwecke unabhängig von einem Betriebsübergang im Allgemeinen verfolgt hätten, (ii) sowohl der Betriebsveräußerer als auch (bzw insb) die AN die begünstigenden Wirkungen der Aktienoptionen letztlich mit dem Erfolg des konkreten (hier übertragungsgegenständlichen) Unternehmens/ Betriebs verknüpften sowie (iii) die AN auf eine Übernahme der einzelnen Arbeitsverträge nur inklusive dieser Begünstigungen vertrauten.*
Ein Betriebsübergang führt demgegenüber zu einer personellen Aufspaltung von AG und Gesellschaft, auf deren Aktien die Optionen lauten, weshalb es schlussendlich aber dazu kommt, dass die mit der Gewährung von Aktienoptionen im Kern verfolgten Zwecke gerade eben nicht mehr erreicht werden können,* im Fall eines Betriebsübergangs also ganz offen von einer Zweckverfehlung gesprochen werden kann.* Die Motivation der AN würde ansonsten in die völlig falsche Richtung gelenkt werden, wenn für sie der höhere Aktienkurs des bisherigen AG, möglicherweise eines Konkurrenzunternehmens* des „neuen“ AG,* bedeutsam wäre. Die betroffenen AN geraten durch den Betriebsübergang in einen evidenten Interessenkonflikt, zumal sie einerseits aufgrund des übergegangenen Arbeitsverhältnisses zur Treue gegenüber dem Betriebserwerber verpflichtet sind, andererseits die Höhe der eigenen Vergütung von der Entwicklung des Aktienkurses des „alten“ AG abhängt.* Außerdem ändert sich aufgrund des Betriebsübergangs für die AN unzweifelhaft der wirtschaftliche Gehalt der eingeräumten Aktienoptionen, obgleich (bzw gewissermaßen auch gerade weil) die relevanten Verpflichtungen unverändert auf den Betriebserwerber übergehen. Denn durch den Betriebsübergang überträgt gerade jene Gesellschaft, auf deren Aktien die Optionen lauten, uU einen nicht unwesentlichen Vermögensteil auf einen Dritten. Die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der übertragenden Gesellschaft kann 219 jedoch unmittelbar gerade von dem übertragungsgegenständlichen Betrieb abhängen oder zumindest nicht unwesentlich beeinflusst werden können. Durch die Übertragung eines solchen Betriebs wird daher nicht nur die Lage der übertragenden Gesellschaft beeinflusst, sondern in weiterer Folge selbstverständlich auch der wirtschaftliche Gehalt der Optionen, die auf Aktien gerade dieser Gesellschaft lauten.
Für den Fall eines Betriebsübergangs und zur Vermeidung der Vereitelung der verfolgten Zwecke hätten redliche Vertragsparteien daher wohl vereinbart, dass die Ansprüche aus einem Aktienoptionsvertrag auf eine Weise anzupassen sind, die den genannten Zwecken nicht zuwiderläuft. Diese (dem hypothetischen Parteiwillen entsprechende) Anpassung des Aktienoptionsvertrags könnte verschiedentlich gestaltet sein,* wobei sie sich – insb iSd Redlichkeit* und um dem Vorwurf von Pauschalität oder Unsachlichkeit zu entgehen – wohl im Rahmen bereits bestehender gesetzlicher Wertungen, und zwar mE in § 226 Abs 3 AktG bzw § 15 Abs 5 Spaltungsgesetz (SpaltG),* bewegen sollte.
Ausgehend von der gesetzlichen Wertung in § 226 Abs 3 AktG bzw insb § 15 Abs 5 SpaltG bestehen drei Optionen für die Vertragsanpassung, nämlich (i) die Einräumung gleichwertiger (nicht unbedingt gleichartiger*) Rechte, (ii) die Abgeltung der Abänderung der Rechte,* oder (iii) das Rechtsverhältnis überhaupt zu beenden* und die Begünstigten angemessen abzugelten.
Bereits die erste Gestaltungsform muss für die Zwecke der hier relevanten Anpassung der Aktienoptionsverträge beansprucht werden können.* Da wir uns bei der Suche nach einer möglichen Ausgestaltung der Anpassung letztlich immer noch im Bereich der ergänzenden Vertragsauslegung bzw der Feststellung des hypothetischen Parteiwillens bewegen, muss man nämlich konsequenterweise zum Schluss kommen, dass die ursprünglichen Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aktienoptionsvertrags (also AN und Betriebsveräußerer) wohl am ehesten vereinbart hätten, dass im Fall eines Betriebsübergangs auch ein (noch unbekannter*) Betriebserwerber gleichwertige* Rechte (beispielsweise Optionen auf Aktien des Betriebserwerbers oder Erfolgsbeteiligungen*) zur Verfügung zu stellen hat. Nur ein solches Verständnis bzw eine solche Vereinbarung kann im Einklang mit den durch Aktienoptionsprogrammen angestrebten Zielen – insb die beabsichtigte Bindung der AN sowie die Förderung der Identifikation mit dem konkreten Unternehmen (siehe dazu oben) – stehen.*
Das Heranziehen der zweiten in § 226 Abs 3 AktG angebotenen Gestaltungsform, nämlich die Abgeltung der Änderung der Rechte, ist für die hier relevante Fallkonstellation im Lichte der dieser Wahlmöglichkeit zugrundeliegenden Schutzrichtung hingegen wenig hilfreich.*
Die dritte Gestaltungsmöglichkeit schließlich, die Beendigung des Aktienoptionsvertrags unter gleichzeitiger (angemessener) Abgeltung der Rechte, stellt (neben der Einräumung gleichwertiger Rechte, insb falls diese nicht möglich oder tunlich ist) eine weitere gangbare Anpassungsvariante für die hier interessierenden Sachverhalte dar. Dieses Ergebnis steht auch unzweifelhaft im Einklang mit der Entgeltsicherungsfunktion des § 3 Abs 1 AVRAG.* Die in diesem Zusammenhang letztendlich zu zahlende Höhe der Abgeltung wird klarerweise von einer Bewertung der Optionen* im Einzelfall abhängen. Für die Zwecke 220einer solchen Bewertung muss die Ausübbarkeit/Übertragbarkeit der Aktienoptionen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs unerheblich sein. Solange die AN mit Sicherheit damit rechnen konnten, dass sie die Option nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums – also bei tatsächlicher Betriebstreue – ausüben hätten können, muss unabhängig von der Ausübbarkeit im Zeitpunkt des Betriebsübergangs* davon ausgegangen werden, dass ein vermögenswerter Vorteil vorliegt.* Die Bestimmung einer „angemessenen“ Abfindung und der ihr zugrunde liegenden Bewertungsmethoden sind dabei jedenfalls rechtliche Fragen.* Bei der Höhe der Angemessenheit berücksichtigt werden sollte daher, dass die AN einerseits die Chance auf eine überproportionale Wertsteigerung verlieren, dass aber andererseits auch das Risiko eines wertlosen Verfalls entfällt.*
Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Barabfindung für die Aktienoptionen ist freilich weiter zu beachten, dass es beim börsennotierten Betriebsveräußerer einen Marktpreis für seine Aktien gibt, der bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Dabei kann es bei der Heranziehung des Börsenkurses* nicht auf eine Stichtagsbetrachtung ankommen, sondern ist vielmehr analog zu § 26 Übernahmegesetz (ÜbG)* eine Durchschnittsbetrachtung von sechs Monaten vorzunehmen.* Ungewöhnliche Ereignisse sollten darüber hinaus ebenfalls Berücksichtigung finden,* weshalb bei der Bemessung der Höhe weder auf eine kurzfristig besonders gute noch auf eine besonders schlechte Kursentwicklung* abgestellt werden sollte.* Die Referenzperiode für die Ermittlung des Durchschnittskurses endet in den hier relevanten Fällen nicht mit dem Tag des Abschlusses des Unternehmenskaufvertrags,* sondern mit dem Zeitpunkt des Übergangs der aus dem Aktienoptionsprogramm begünstigten AN bzw des jeweiligen Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber.* Vor dem Hintergrund des § 3 Abs 1 AVRAG kann nur dieser Zeitpunkt – also der Übergang der Arbeitsverhältnisse (= Übergang des Betriebes)* – relevant sein. Bei diesem wird aber im Allgemeinen nicht auf den vertraglich relevanten Zeitpunkt abgestellt, sondern nur auf die tatsächliche Übertragung der Rechte auf Organisationsgestaltung sowie der Verfügungsrechte an den Organisationsmitteln (die tatsächliche Verfügungsgewalt*) auf den Dritten.*
Wie bereits angemerkt wurde, mag auch der Betriebserwerber eine Änderung der Verpflichtungen aus dem Aktienoptionsprogramm unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage anstreben. Bei der Prüfung der Zulässigkeit eines solchen Anspruches ist aber zu bedenken, dass nach hA bloß individuelle Voraussetzungen, die nur die Interessensphäre einer Partei betreffen, in der Regel unbeachtlich sind* bzw ist eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht möglich, falls der behauptete Umstand (Unmöglichkeit der Fortführung des vom Betriebsveräußerer implementierten Aktienoptionsprogramms nach Betriebsübergang bzw konzeptueller Widerspruch zum eigenen Vergütungskonzept) in die eigene Interessensphäre, also in die Sphäre gerade jener Partei fällt, die sich auf die geänderten Verhältnisse berufen will.* ME scheitert eine Berücksichtigung der Umstandsänderung auf Seiten des Betriebserwerbs im Ergebnis an dieser Voraussetzung.
Denn ehe die übernehmende Gesellschaft ein Unternehmen erwirbt, wird sie regelmäßig im Rahmen einer Due Diligence die rechtlichen Angelegenheiten des Zielunternehmens einer umfassenden Prüfung unterziehen, um die rechtlichen Schwachpunkte dieses Unternehmens im Vorfeld zu identifizieren.* Je nach vereinbartem Umfang der Prüfung variieren freilich die Schwerpunkte der Due Diligence; anzunehmen ist jedoch, dass die Prüfung arbeitsrechtlicher Verträge und Unterlagen gerade im Zusammenhang mit dem Erwerb von Unternehmen(-steilen) einer börsennotierten Gesellschaft regelmäßig stattfinden wird bzw sollte.* Dies hat demnach zur Folge, dass der Erwerber im Rahmen seiner Due Diligence auch etwaige Aktienoptionsansprüche der dem relevanten Betrieb zugeordneten AN zu bedenken hat. Deshalb musste ihm zum Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmenskaufvertrags die Existenz der Ansprüche auf die Gewährung von Aktienoptionen bekannt gewesen sein.*221 Er hat sich also entweder bewusst für die Übernahme der Verpflichtungen entschieden oder diese – soweit ihm die Verpflichtungen mangels hinreichender Prüfung nicht bekannt gewesen sein sollten – zumindest sorglos oder sogar bewusst in Kauf genommen (angemessene Verkäufer-Disclosure sei hier ausgenommen). Er hätte im Rahmen der Transaktion zudem prinzipiell die Möglichkeit gehabt, vom Unternehmenskauf Abstand zu nehmen oder aber die „Problematik“ im Rahmen der Vertragsverhandlung mit dem Betriebsveräußerer anzusprechen und einen entsprechenden finanziellen Ausgleich für den ihm entstehenden Aufwand zu verlangen oder anderweitig im Unternehmenskaufvertrag Vorsorge zu treffen.*
Da Vorstandsmitglieder und KapitalvertreterInnen im Aufsichtsrat nicht der Eintrittsautomatik des § 3 Abs 1 AVRAG unterliegen, führt eine beabsichtigte Übertragung der durch Aktienoptionsprogrammen begünstigten Vorstandsmitglieder bzw KapitalvertreterInnen im Aufsichtsrat nicht zwingend zur automatischen Übertragung ihrer Rechtsverhältnisse (samt allfälliger Rechtspositionen aus Aktienoptionsprogrammen).
§ 3 Abs 1 AVRAG erfasst beim Übergang auch die Aktienoptionsrechte der übrigen Begünstigten (unabhängig von der Einräumung in gesonderten Aktienoptionsverträgen).
Optionen, die von einer (ausländischen) Konzerngesellschaft eingeräumt werden, sind als ein (von dritter Seite gewährter) entgeltwerter Vorteil aus dem inländischen Dienstverhältnis zu qualifizieren, wobei ein untrennbarer Zusammenhang mit der Tätigkeit für die (inländische) Vertrags-AG-Gesellschaft besteht. Die von einer Konzerngesellschaft abgeschlossenen Aktienoptionsverträge gehen ebenfalls gem § 3 Abs 1 AVRAG auf einen Erwerber über.
Ausgehend von den zu § 226 Abs 3 AktG bzw insb § 15 Abs 5 SpaltG normierten Wertungen haben die Begünstigten des Aktienoptionsprogramms nach dem Betriebsübergang die Möglichkeit, auf Basis des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (i) die Einräumung etwa von Optionen auf Aktien des Betriebserwerbers oder gleichwertiger Erfolgsbeteiligungen oder (ii) die Beendigung des Aktienoptionsvertrags unter gleichzeitiger angemessener Abgeltung zu verlangen.
Eine Berücksichtigung einer infolge des Betriebsübergangs eintretenden Umstandsänderung kann vom Betriebserwerber nicht geltend gemacht werden.222