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Die Grenzen der Schwerarbeit bei Betreuungs- und Pflegeberufen

MAXIMILIANBELL (SALZBURG)
§ 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV
  1. Bei der Beurteilung, ob Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vorliegen, kommt es auf die konkreten berufsbedingten Betreuungstätigkeiten an, die psychisch belastend sind.

  2. Um Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV zu erwerben, muss im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung überwiegend unmittelbare Pflege am Klienten erfolgen.

Der Kl [...] ist seit 1988 bei der Lebenshilfe O* als Behinderten-Fachbetreuer in einer Holzwerkstätte tätig, in der insgesamt etwa 14 Klienten betreut werden. Seit dem Jahr 2003 ist er zwischen 8:00 Uhr und 16:00 Uhr vorwiegend und hauptsächlich für die Betreuung eines Klienten zuständig, dem die Pflegestufe 6 zuerkannt wurde. Nach den bisherigen Feststellungen verwendet dieser Klient (Herr E*) keinen Rollstuhl, er kann nicht alleingelassen werden. Der Kl holt ihn morgens vom Bus ab und begleitet ihn zur Einrichtung. Er setzt ihn für 30 Minuten auf einen Bewegungstrainer (an dem er angegurtet werden muss). Nach einem WC-Gang und dem Wechseln der Einlage folgt eine Jause, die eingegeben werden muss. Getränke sind herzurichten. Danach hält sich Herr E* in der Holzwerkstätte auf und schaut den anderen Klienten bei ihrer Beschäftigung zu. Eine dauernde Anwesenheit iS eines ständigen Danebensitzens ist nicht erforderlich, es muss zu ihm aber immer Sichtkontakt gehalten werden. Zu Mittag begleitet der Kl Herrn E* in den Speisesaal, wo er ihm das Essen eingibt. Nachdem der Kl eine zwanzigminütige Mittagspause hatte, erledigt er mit Herrn E* neuerlich den WC-Gang, wechselt die Einlage und muss ihn dabei – erforderlichenfalls – auch reinigen. Während der Beschäftigungszeiten in der Holzwerkstätte besteht die Tätigkeit des Kl in einer reinen Beaufsichtigung, ebenso während der Zeiträume, in denen sich die Klienten nach dem Mittagessen im Aufenthaltsraum oder im Garten aufhalten. Die mit Herrn E* durchzuführenden physiotherapeutischen Übungen werden nicht vom Kl, sondern von einer Physiotherapeutin vorgenommen. Um 16 Uhr bringt ihn der Kl zum Bus, mit dem er nach Hause zu seiner Mutter gebracht wird, wo er den restlichen Tag und die Nacht verbringt. Der Kl wendet etwa 70 % seiner Arbeitszeit für die Tätigkeit mit Herrn E* auf, die restlichen 30 % für die Betreuung anderer Klienten. (Nur) Etwa eine Stunde seiner täglichen Arbeitszeit verbringt der Kl mit reiner Holzbearbeitung bzw Holzvorbereitung.

Mit Bescheid vom 20.9.2016 lehnte die bekl Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten [...] ab. [...]

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Wenngleich die Tätigkeit des Kl psychisch belastend sei, lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nicht vor. Durch die in § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV beispielsweise angeführten Tätigkeiten in der Hospiz- oder Palliativmedizin habe der Gesetzgeber eine hohe Schranke gesetzt. Maßgeblich sei die hohe psychische Belastung, wie sie typischerweise in diesen medizinischen Bereichen vorkomme. Diese Schranke werde jedoch durch die Tätigkeit des Kl nicht erreicht, weil auch während der Zeiten der Betreuung jenes Klienten, für den er vorwiegend zuständig sei, jeweils längere Zeiträume ohne besondere psychische Belastungen lägen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Rechtlich ging es davon aus, in § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV seien unter den „medizinischen Berufen“ eine bestimmte Gruppe von Pflegekräften herausgegriffen und in die SchwerarbeitsV einbezogen worden. Als „berufsbedingte Pflege“ sei nur die Pflege durch Pflegefachkräfte zu verstehen. Die Tätigkeiten des Kl wären den in § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV genannten Tätigkeiten im Rahmen der dort genannten „medizinischen Berufe“ nicht gleichzuhalten, mögen sie auch mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden sein. Die Tätigkeit als Fachbetreuer in einer Holzwerkstätte der „Lebenshilfe“ sei nicht als Ausübung eines „medizinischen Berufs“ oder als Langzeitpflege anzusehen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass keine Rsp des OGH zu der Frage bestehe, ob die vom Kl ausgeübte Tätigkeit als Fachbetreuer in einer Holzwerkstätte zur Beschäftigung von behinderten Menschen Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV darstelle, obwohl seine Tätigkeit nicht in erster Linie die Betreuung und Kontrolle Behinderter im Zusammenhang mit der Beschäftigungstherapie bei der Durchführung diverser Holzarbeiten umfasse.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und iSd Aufhebungsantrags auch berechtigt, weil rechtliche Feststellungsmängel vorliegen, die eine abschließende Beurteilung, ob Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vorliegt, verhindern.

1.1 Die Verordnung der Bundesministerin für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über besonders belastende Berufstätigkeiten (SchwerarbeitsV, BGBl II 2006/104BGBl II 2006/104idF BGBl II 2013/201BGBl II 2013/201) stellt ganz allgemein nicht auf konkrete Berufe ab, sondern auf berufsbedingt belastende Tätigkeiten. Der Grund hiefür liegt in den unterschiedlichen Tätigkeiten innerhalb eines Berufsbildes, die – je nach Anforderungsprofil – mehr oder weniger belastend sind.

[...]

1.3 Nach den Erläuterungen zum Entwurf der SchwerarbeitsV (abgedruckt in Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG, 96. Erg-Lfg, SchwerarbeitsV Anm 10) erfasst § 1 Abs 1 Z 5 des Entwurfs „die hospiz- oder palliativmedizinische Pflege von Schwerstkranken und die Betreuung von Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4245 Abs 2 des Bundespflegegeldgesetzes. Dabei handelt es sich um pflegebedürftige Personen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist. Davon umfasst ist ua auch die Pflege von Demenzerkrankten im geriatrischen Bereich“.

1.4 Anders als bei den weiteren Tatbeständen des § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV wird bei der Schwerarbeit nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV auf die Intensität der psychischen Belastung abgestellt. Als Indikator für die besondere Intensität an psychischer Belastung wird der bei Durchführung der Pflege gegebene unmittelbare Kontakt mit den Patienten und deren besonders schwierige Lebenssituation (Schwerstkranke oder schwer Behinderte) erachtet, was durch den in den Gesetzesmaterialien gegebenen Hinweis auf die Pflege demenzkranker Patienten deutlich wird.

2.1 Nach dem von den Krankenversicherungsträgern in Zusammenarbeit mit dem BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und der PVA erarbeiteten „Schwerarbeitsverordnung Fragen-Antworten- Katalog“ (abgedruckt in ARD 5811/7/2007, 5812/7/2007, 5813/7/2007 und 5814/9/2007) liegt berufsbedingte Pflege vor, wenn die Pflege im Rahmen einer Berufstätigkeit von einer hiezu ausgebildeten Person unmittelbar durchgeführt wird (Frage 36). [...] Nach dem Fragen-Antworten-Katalog liegt Schwerarbeit auch bei der Pflege von Pfleglingen mit unterschiedlichem Pflegeaufwand vor, wenn in der Einrichtung oder auf der betroffenen Station regelmäßig Personen gepflegt werden müssen, die über einen erhöhten Behandlungs- oder Pflegebedarf verfügen (Frage 37). § 1 Abs 1 Z 5 der SchwerarbeitsV soll nach dem Fragen-Antworten- Katalog hingegen dann nicht Anwendung finden, wenn Mitarbeiter in einer Behindertenwerkstätte ua Jugendliche betreuen, die Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 haben, wenn sie diese Personen in erster Linie bei Arbeiten im Zusammenhang mit der Herstellung von Werkstücken betreuen und Arbeiten im Zusammenhang mit Grund- und Körperpflege nur im geringen zeitlichen Ausmaß durchgeführt werden. Es sollen nur jene Personen unter § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV fallen, die tatsächlich und zumindest während der Hälfte der Normalarbeitszeit Pflegetätigkeiten (unmittelbarer Kontakt mit den Pfleglingen) erbringen und jedenfalls über eine entsprechende Befähigung bzw Ausbildung für die Pflege (Grund- und Körperpflege) verfügen (Frage 42).

2.2 Maßgeblich ist somit die berufsbedingte Pflege in unmittelbarem Kontakt mit dem Patienten mit erhöhtem Pflegeaufwand und dessen besonders schwieriger Lebenssituation (Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg] § 4 APG Rz 179; siehe auch Brandstetter/Prohaska, Berufsbedingte Pflege – Schwerarbeit? ÖZPR 2016/98, 164; Milisits, Neueste OGH- und EuGH-Judikatur im Bereich „Sozialversicherung“, ZAS 2009/18, 102 [104]).

3. Zum zeitlichen Ausmaß:

3.1 Auf eine bestimmte zeitliche Dauer der Arbeitszeit wird im Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nicht abgestellt. Daraus wurde abgeleitet, dass auch Teilzeitkräfte nicht ausgeschlossen sein sollen (10 ObS 23/16d, SSV-NF 30/30 = DRdA 2017/4, 37 [De Brito]). Weil Schwerarbeit jedoch auch in Relation von Belastungs- und Erholungsphasen zu betrachten ist, ist von einer Untergrenze im Ausmaß der Hälfte der Normalarbeitszeit auszugehen (siehe auch Milisits, Neueste OGH- und EuGH-Judikatur Bereich „Sozialversicherung“, ZAS 2009, 102 [104]; Fragen-Antworten-Katalog Frage 38).

3.2 Liegt – wie beim Kl – eine Vollzeitbeschäftigung vor, stellt sich die Frage, in welchem zeitlichen Ausmaß die Pflege unmittelbar am Patienten erbracht werden muss, damit von einer iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV maßgeblichen psychischen Belastung gesprochen werden kann. Dazu ergibt sich aus dem Fragen-Antworten-Katalog nur, dass es sich um eine regelmäßige Tätigkeit handeln muss, ohne dass näher ausgeführt wird, was darunter zu verstehen ist (Milisits, Schwerarbeitsverordnung 57).

3.3 In der Rsp wurde bisher auf eine (zeitlich gesehen) überwiegende Pflegetätigkeit unmittelbar am Patienten abgestellt. In der E 10 ObS 149/12b (SSVNF 26/86), die eine leitende Intensiv-(Stations-) schwester auf einer Universitätsklinik für Kinderund Jugendchirurgie betraf, wurde im Hinblick auf die im Vordergrund stehenden Führungsaufgaben (Mitarbeitergespräche, Planungs-, Organisationsund Kontrolltätigkeiten) und die nur 30-50 %-ige Arbeit unmittelbar am Patienten nicht von der Erbringung (zeitlich) überwiegender Pflegetätigkeiten ausgegangen. Unter Verweis auf diese E wurde in der (ebenfalls einen Behinderten-Fachbetreuer betreffenden) E 10 ObS 116/17gfestgehalten, dass die unmittelbare Pflege am Patienten – zeitlich gesehen – überwiegend erbracht werden muss. [...]

3.4 Aus diesen Grundsätzen der Rsp lässt sich für den vorliegenden Fall ableiten, dass der Kl im Rahmen seiner Vollzeitbeschäftigung als Behinderten- Fachbetreuer überwiegend mit der unmittelbaren Pflege von Klienten befasst gewesen sein muss, um Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV zu erwerben (10 ObS 116/17g).

4.1 Zum inhaltlichen Erfordernis dieser Tätigkeiten:

Nach den Erläuterungen zum Entwurf der SchwerarbeitsV erfasst § 1 Abs 1 Z 5 des Entwurfs „die hospiz- oder palliativmedizinische Pflege von Schwerstkranken und die Betreuung von Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 des Bundespflegegeldgesetzes. Aus dem Verweis auf das BPGG ist ableitbar, dass unter dem Begriff der „Betreuung von Pfleglingen“ die in § 1 Abs 1 und 2 der Einstufungsverordnung zum BPGG (EinstV) enthaltene Definition heranzuziehen ist. Nach § 1 Abs 2 EinstV werden als „Betreuung“ alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen definiert, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre, insb also Verrichtungen beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von 246 Medikamenten und der Mobilitätshilfe ieS (§ 1 Abs 2 EinstV zum BPGG). Psychosoziale Betreuung oder Beschäftigungstherapie fällt grundsätzlich nicht unter den (nach dem BPGG) zu berücksichtigenden Betreuungsbedarf (Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld4 [2017] Rz 5.66).

4.2 [...] Sollte die Tätigkeit des Kl als in einer Werkstätte eingesetzter Behindertenbetreuer demnach nicht zeitlich überwiegend in Betreuungstätigkeiten iSd § 1 Abs 1 und 2 der EinstV zum BPGG an Klienten mit einem Pflegebedarf entsprechend der Pflegestufe 5 oder darüber bestehen, sondern in der Beaufsichtigung oder Kontrolle behinderter Personen in Zusammenhang mit deren Beschäftigungstherapie, lägen keine Schwerarbeitszeiten nach § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vor.

[...]

6. [...] Die in § 1 Abs 3 der EinstV genannten – auf einzelne Tage bezogenen – Richtwerte können dazu nicht herangezogen werden, weil es sich um vom Gesetzgeber normierte (pauschalierte) Richtwerte für typische Betreuungsleistungen als Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegegeld handelt, während es im vorliegenden Fall darauf ankommt, ob und allenfalls welche konkreten (spezifischen) Betreuungstätigkeiten vorgenommen wurden, die psychisch so belastend sind, dass sie als Schwerarbeit iSd SchwerarbeitsV zu qualifizieren sind.

[...]

ANMERKUNG

Die vorliegende E des OGH ist für die Beurteilung, ob Schwerarbeit iSv § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vorliegt, besonders von Bedeutung, zumal das Höchstgericht zum inhaltlichen Erfordernis der Tätigkeit sowie dem zeitlichen Ausmaß ausführlich Stellung bezogen hat. Darüber hinaus wurde klargestellt, dass Schwerarbeit iSv § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nicht nur von bestimmten medizinischen Pflegefachkräften, sondern – wie im vorliegenden Fall – grundsätzlich auch von einem Fachbetreuer in einer Werkstätte einer spezialisierten Einrichtung erbracht werden kann.

Die Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV wurde seit Inkrafttreten der SchwerarbeitsV mit BGBl II 2006/104BGBl II 2006/104nicht novelliert. Gemäß dem Verordnungstext liegt Schwerarbeit iSv § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV bei berufsbedingter Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz- oder Palliativmedizin, vor. Nach Milisits ist somit Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ein entsprechender Pflegeberuf in einer entsprechenden Institution, wobei der Pflegeaufwand entscheidend ist (Milisits, Schwerarbeitsverordnung [2008] 29). Nach bisheriger Rsp des OGH lag berufsbedingte Pflege dann vor, wenn die Pflege im Rahmen einer Berufstätigkeit von einer dazu ausgebildeten Person unmittelbar durchgeführt wird (vgl OGH 17.12.2012, 10 ObS 149/12b; OGH10 ObS 117/16b ARD 5813/7/2007; idS auch OGH 10.10.2017, 10 ObS 116/17g).

Gemäß den Erläuterungen zum Entwurf der SchwerarbeitsV sind von § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV „die hospiz- oder palliativmedizinische Pflege von Schwerstkranken und die Betreuung von Pfleglingen mit einem Pflegebedarf zumindest der Stufe 5 nach § 4 Abs 2 des Bundespflegegeldgesetzes“ erfasst (abgedruckt in Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG [96. ErgLfg] SchwerarbeitsV Anm 10). Hieraus leitete der OGH in der vorliegenden E ab, dass durch Verweis auf das BPGG der Begriff der „Betreuung von Pfleglingen“ anhand der in § 1 Abs 1 und 2 der Einstufungsverordnung zum BPGG (EinstV) enthaltene Definition auszulegen ist.

Unter „Betreuung“ iSv § 1 Abs 2 EinstV werden insb die Verrichtungen beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von Medikamenten und der Mobilitätshilfe ieS verstanden. MA nach sind in diesem Zusammenhang jedoch die Anleitung und die Beaufsichtigung der unter § 1 Abs 2 EinstV genannten Betreuungsleistungen auch bei Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Ermittlung von Schwerarbeit iSv § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV entsprechend zu berücksichtigen. Dies ergibt sich bereits aus der Textierung von § 4 Abs 1 EinstV, da der Verordnungsgeber die Anleitung sowie die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in § 1 EinstV angeführten Verrichtungen der „Betreuung“ iSv § 1 Abs 2 EinstV gleichsetzte.

Mit der vorliegenden E führte der OGH seine bisherige Rsp zwar fort, wonach nicht jede berufsbedingte Pflegetätigkeit von Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV erfülle, mag sie auch psychisch belastend sein, jedoch wurde nun explizit das inhaltliche Erfordernis der Tätigkeit als Beurteilungsmaßstab herangezogen (vgl OGH 24.2.2015, 10 ObS 2/15i; OGH10 ObS 149/12b SSV-NF 26/86). Durch das Abstellen auf die Inhalte der Tätigkeit einer Betreuungsperson wurde mA nach klargestellt, dass nicht nur AN klassischer medizinischer Berufe Schwerarbeitszeiten iSv § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV erwerben können, sondern auch andere AN-Gruppen, wie hier Fachbetreuer von Tageseinrichtungen. Diese Rechtsansicht ist mA nach konsequent und deckt sich mit der bisherigen Rsp, wonach die SchwerarbeitsV ganz allgemein nicht auf konkrete Berufe abstellt, sondern auf berufsbedingt belastende Tätigkeiten. Begründet wurde dies damit, dass die unterschiedlichen Tätigkeiten innerhalb eines Berufsbildes, entsprechend des jeweiligen Anforderungsprofils, mehr oder weniger belastend sind (vgl OGH 17.12.2012, 10 ObS 149/12b = Milisits, ZAS 2009, 102 [103]; OGH 10.10.2017, 10 ObS 116/17g = Milisits, Schwerarbeitsverordnung 29). Darin findet sich die bereits mehrfach vom OGH zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht wieder, wonach für die Beurteilung, ob ein Schwerarbeitsmonat vorliegt, die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ausschlaggebend ist (vgl OGH 20.12.2016, 10 ObS 117/16b; Bell, DRdA 2017, 400; RIS-Justiz RS0130802 [T2]; 247OGH 19.12.2018, 10 Ob S 89/18p; Bell, DRdA 2019, 527).

Im Hinblick auf das zeitliche Ausmaß, in welchem die Tätigkeit ausgeübt werden muss, wurde nochmals klargestellt, dass auf eine bestimmte zeitliche Dauer der Arbeitszeit im Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV nicht abgestellt wird. Für die Beurteilung, ob eine besondere psychische Belastung vorliegt, kommt es auf das zeitliche Ausmaß der unmittelbaren Pflege am Patienten und damit auf das Verhältnis zum Gesamtbeschäftigungsausmaß (bspw Vollzeittätigkeit) an (vgl OGH 17.12.2012, 10 ObS 149/12b; OGH 10.10.2017, 10 ObS 116/17g). Hieraus entwickelte die Rsp den auch in dieser Entscheidung angewandten Grundsatz, dass die unmittelbare Pflege am Patienten überwiegend erbracht werden muss (OGH10 ObS 149/12b SSV-NF 26/86; OGH 10.10.2017, 10 ObS 116/17g). Bei welchem zeitlichen Ausmaß ein „Überwiegen“ vorliegt, wurde nicht präzisiert. Aufgrund des Verweises auf die Darstellung von Brandstetter/Prohaska ist davon auszugehen, dass der OGH für das Erfüllen des zeitlichen Erfordernisses mindestens die Hälfte der Arbeitszeit Pflege am Patienten mit erhöhtem Pflegeaufwand verlangt (vgl Brandstetter/Prohaska, ÖZPR 2016, 164 [165] = Milisits, ZAS 2009, 104; OGH 17.12.2012, 10 ObS 149/12b; OGH 24.3.2015, 10 ObS 151/14z). In diesem Zusammenhang ist auch auf eine E des LG Linz zu verweisen, bei der einer ua teilzeitbeschäftigten Altenfachbetreuerin auf einer Station mit Palliativpatienten, Demenzkranken und Personen der Pflegestufe 5 die Leistung von Schwerarbeit iSv § 1 Abs 1 Z 5 der SchwerarbeitsV zuerkannt wurde, da diese zu 70 % der Arbeitszeit entsprechende Pflegetätigkeiten erbrachte (vgl Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 4 APG Rz 181 = LG Linz 4.12.2013, 10 Cgs 217/13d; Mayr, ÖZPR 2015, 104).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vorliegende E des OGH zu begrüßen ist, da es zu Klarstellungen im Bereich der inhaltlichen Erfordernisse der Tätigkeiten sowie zum zeitlichen Ausmaß und dem Personenkreis kam, der Schwerarbeitszeiten iSv § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV erwerben kann. Der Argumentationslinie des OGH ist beizupflichten und trägt diese Entscheidung jedenfalls zu einem klareren Verständnis des Verordnungstextes in Bezug auf den Tatbestand von § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV bei.