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Keine Hemmung des Urlaubsverfalls bei Karenzierung auf Antrag des Vertragsbediensteten

RICHARDHALWAX

Der Kl war vom 1.11.1998 bis 31.1.2017 Vertragsbediensteter der Bekl. Ab 15.9.2011 war der Kl im Krankenstand. Vom 1.8.2012 bis zur Auflösung war sein Dienstverhältnis über seinen Antrag gem § 28 Abs 1 des Gesetzes über das Dienst- und Gehaltsrecht der Vertragsbediensteten der Landeshauptstadt Graz (G-VBG) unter Entfall der Bezüge karenziert. In dieser Zeit bezog der Kl eine befristete Invaliditätspension. Das Dienstverhältnis wurde über Ansuchen des Kl aufgelöst.

Strittig ist, ob der Kl bei Beendigung des Dienstverhältnisses einen Anspruch auf Ersatzleistung gem § 26 G-VBG für seinen offenen Erholungsurlaub aus den Jahren 2010 bis 2012 hat. Die Bekl wandte den Verfall des Urlaubsanspruchs ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Bekl Folge, wies das Klagebegehren ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Die Regelung des § 25 Abs 8 G-VBG sehe nur für den Fall der Mutterschaftskarenz auch eine Hemmung des Urlaubsverfalls vor. Der OGH wies die außerordentliche Revision der des Kl mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Gem § 22 Abs 10 G-VBG endet das Dienstverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn Dienstverhinderungen (ua) wegen eines Unfalls oder einer Krankheit ein Jahr gedauert haben, mit Ablauf dieser Frist. Für den Kl hätte die letztere Bestimmung bedeutet, dass sein Dienstverhältnis nach einjähriger Dauer des Krankenstands mit Ablauf des 15.9.2012 ex lege geendet hätte, wenn die Bekl nicht in seinem Interesse seinem Antrag auf Karenzierung nach § 28 Abs 1 G-VBG stattgegeben hätte.

Nach § 28 Abs 8 G-VBG verfällt der Anspruch auf Erholungsurlaub, wenn der Vertragsbedienstete den Erholungsurlaub nicht bis zum 31.12. des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat. Ist der Verbrauch bis zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen nicht möglich, so tritt der Verfall erst mit Ablauf des folgenden Kalenderjahres ein. Hat der Vertragsbedienstete eine Karenz nach dem Steiermärkischen Mutterschutz- und Karenzgesetz in Anspruch genommen, dann wird der Verfallstermin um den Zeitraum dieser Karenz hinausgeschoben.

Nach § 26 Abs 5 G-VBG gebührt dem Vertragsbediensteten bei Beendigung des Dienstverhältnisses für nicht verbrauchten Erholungsurlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren eine Ersatzleistung. Für bereits verfallenen Erholungsurlaub gebührt keine Ersatzleistung.

Der OGH hat bereits in seiner E vom 22.10.2009, 8 ObA 24/09a, in Anwendung der mit § 28 Abs 8 G-VBG fast wortidenten Regelung des § 25 Abs 3 Wiener VBO (idF vor LGBl 2009/20) über einen vergleichbaren Fall entschieden. Der OGH bejahte dort einen Verfall dieser Ansprüche. Da der Gesetzgeber für verschiedene Karenzfälle eine ausdrückliche Regelung dafür getroffen habe, wie die Karenzierung den Verfall des offenen Erholungsurlaubs hindere, sei auch davon auszugehen, dass er für den streitgegenständlichen Fall der Karenz eben kein Hinausschieben des Verfallstermins vorsehen wollte. Während der Karenzierung sei ein Urlaubskonsum nicht wegen Arbeitsunfähigkeit der Kl infolge Krankheit, sondern von vornherein mangels Bestehens einer Arbeitspflicht ausgeschlossen gewesen.

Die Revision erblickte einen Widerspruch der Berufungsentscheidung zu Art 7 der RL 2003/88/EG und der dazu ergangenen Rsp des EuGH, insb den Entscheidungen 6.11.2018, C-684/16, Shimizu, und C-619/16, Kreuziger. Ansprüche auf Urlaub in natu- 151 ra bzw auf Urlaubsabgeltung könnten danach nur dann untergehen, wenn der AG den AN tatsächlich in die Lage versetzt habe, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen und ihn über den drohenden Verfall aufgeklärt habe.

Auch zu diesem Einwand hat bereits das Berufungsgericht Stellung genommen und darauf verwiesen, dass der Kl nicht durch eine mangelnde Mitwirkung der Bekl oder eine fehlende Aufklärung über die drohende Verjährung an der Stellung eines Urlaubsantrags gehindert ist, sondern durch die von ihm beantragte und in seinem Interesse gelegene Karenzierung. Welche Schritte die Bekl dennoch unternehmen hätte können, um trotz Fehlens einer Arbeitsverpflichtung einen Erholungsurlaub zu ermöglichen, führt auch die Revision nicht aus.

Der EuGH hat im Urteil 22.11.2011, C-214/10, KHS (Rn 35), entschieden, dass bei arbeitsunfähigen AN in Bezug auf den Übertragungszeitraum, nach dessen Ende der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlöschen kann, in Anbetracht von Art 7 der RL 2003/88/EG zu beurteilen ist, ob dieser Zeitraum vernünftigerweise als Zeitraum eingestuft werden kann, bei dessen Überschreitung der bezahlte Jahresurlaub für den AN keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr hat (damals 15 Monate ausreichend, Rs KHS, Rn 43). Schon nach § 28 Abs 8 G-VBG steht dem Vertragsbediensteten jeweils ein Zeitraum von zwei Jahren für den Verbrauch von je mindestens fünf Wochen Jahresurlaub zur Verfügung. Hier kann laut OGH von einem zu kurzen Übertragungszeitraum im oben dargestellten Sinn nicht gesprochen werden.

Wäre das Dienstverhältnis des Kl bei Antritt der befristeten Invaliditätspension ab 1.8.2012 beendet worden oder hätte es wegen Fortdauer des Krankenstands bis zum 15.9.2012 ex lege geendet, wäre dem Kl mit der Beendigung auch ein Anspruch auf Urlaubsabfindung für den strittigen Zeitraum zugestanden. Es war allein die Folge der auf Antrag und im Interesse des Kl, anstelle der Beendigung vereinbarten bloßen Karenzierung des Dienstverhältnisses, dass weder die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abfindung zu diesem Zeitpunkt vorlagen noch ein Verbrauch des Urlaubs in den Folgejahren möglich war. Aus dem Entgegenkommen des AG, der keine zwingenden dienstlichen Gründe iSd § 28 Abs 1 G-VBG gegen die bloße Karenzierung geltend gemacht hat, kann nicht der Vorwurf abgeleitet werden, dass er den Kl nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub zu verbrauchen (vgl Rs Shimizu).

Es liegt hier vielmehr eine Situation vor, in dem es der Kl selbst war, der durch die von ihm gewünschte Gestaltung seines Rechtsverhältnisses auf die sofortige Entstehung eines Abfindungsanspruchs für den angesammelten Urlaub verzichtet (idS Rs Kreuziger) und damit für den Fall einer länger dauernden Karenzierung den möglichen Verfall von Ansprüchen in Kauf genommen hat.