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Kein Recht auf „Voll“beschäftigung eines Orchestermusikers

MARTINACHLESTIL

Die klagende und gefährdete Partei (Kl) ist seit 1996 bei der Bekl als Orchestermusiker angestellt. Seit 1997 gehört er dem Angestellten-BR Orchester an. Am 9.3.2018 wurde der Kl von der Bekl fristlos entlassen und von der Arbeitsleistung suspendiert. Die von der Bekl eingebrachte Klage auf nachträgliche Genehmigung dieser Entlassung, in eventu auf Zustimmung zur Kündigung, wurde abgewiesen.

Der Kl begehrt, die Bekl zur Aufhebung der Dienstfreistellung zu verpflichten und es ihm ab sofort wieder zu ermöglichen, im Unternehmen der Bekl uneingeschränkt, insb ohne Einschränkung der Zutrittsberechtigung, zu arbeiten. Hilfsweise begehrt er, die Bekl zu verpflichten, es ihm ab sofort wieder zu ermöglichen, an den Orchesterproben teilzunehmen. Zugleich beantragt er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wobei der Haupt- und der Eventualsicherungsantrag mit den beiden Klagebegehren ident sind.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze ab. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kl dagegen teilweise Folge: Es bestätigte die Abweisung des Hauptsicherungsantrags und führte aus, dass sich ein Recht des Kl auf Beschäftigung grundsätzlich aus § 18 Abs 1 Theaterarbeitsgesetz (TAG) ableiten lasse, danach jedoch nur Anspruch auf „genügend angemessene Beschäftigungen“ während einer Spielzeit bestehe. Der Hauptsicherungsantrag sei schon deshalb unberechtigt, weil kein Anspruch auf vollständige Beschäftigung bestehe. Hinsichtlich des Eventualantrags hob es den erstinstanzlichen Beschluss wegen fehlender Feststellungen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Gegen die Abweisung des Hauptsicherungsantrags richtet sich nun der Revisionsrekurs des Kl mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung in diesem Umfang zu erlassen. Nach dem OGH ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig. Er führt dazu aus: Ausgehend von der stRsp, die ein allgemeines Recht jedes DN auf „Beschäftigung“, also das tatsächliche Leisten der übernommenen Dienste, nicht anerkennt, hat das Rekursgericht bereits darauf verwiesen, dass allein der Umstand eines aufrechten Arbeitsverhältnisses als Grundlage für die vom Kl geltend gemachten Ansprüche nicht ausreicht.

Ein solches Recht auf Beschäftigung wird für bestimmte Berufe, bei denen das Brachliegen der spezifischen Fähigkeiten zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust und etwa zur Minderung des ärztlich- handwerklichen Niveaus führt, aus der Natur des abgeschlossenen Dienstvertrags abgeleitet bzw – wie im Fall des Kl – aus einer entsprechenden gesetzlichen Regelung.

Nach § 18 TAG ist der/die TheaterunternehmerIn verpflichtet, das Mitglied angemessen zu beschäftigen. Bei Beurteilung der Angemessenheit der Beschäftigung ist auf den Inhalt des Vertrags, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitglieds und die Art der Führung des Betriebs Bedacht zu nehmen. Der Revisionsrekurs geht davon aus, dass diese angemessene Beschäftigung iS von „voller Beschäftigung“ bzw „Beschäftigung wie bisher“ zu verstehen sei und daher der Sicherungsantrag in diesem Umfang nicht hätte abgewiesen werden dürfen.

Nach dem OGH wäre selbst unter Zugrundelegung der Richtigkeit dieser Rechtsauffassung für den Kl jedoch nichts zu gewinnen. Nach § 381 Z 2 EO können zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen einstweilige Verfügungen getroffen werden, wenn diese zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Selbst unter Zugrundelegung des Bestehens eines Anspruchs 158 auf Beschäftigung setzt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung daher auch die Bescheinigung eines unwiederbringlichen Schadens voraus. Dazu hat der Kl jedoch nur vorgebracht, dass ihm durch das Nichterarbeiten von Stücken im Orchesterverband ein Qualitätsverlust in Bezug auf seine musikalische Tätigkeit droht. Dass zur Abwendung dieser Gefahr über die Teilnahme an Orchesterproben hinaus eine weitere „Vollbeschäftigung“, was auch immer darunter zu verstehen ist, erforderlich ist, lässt sich weder dem Vorbringen erster Instanz noch dem Rechtsmittel entnehmen. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.