76Staatenimmunität: Keine inländische Gerichtsbarkeit für Klage einer mit hoheitlichen Tätigkeiten betraute Botschaftsangestellten
Staatenimmunität: Keine inländische Gerichtsbarkeit für Klage einer mit hoheitlichen Tätigkeiten betraute Botschaftsangestellten
Art 11 Abs 1 und Abs 2 lit a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit stellt Völkergewohnheitsrecht dar und ist bei Prüfung der Immunität des Staats bei Klagen von AN zu beachten. Es kommt daher – in Abkehr von der bisherigen Judikatur – nicht mehr ausschließlich auf die Natur des Rechtsgeschäfts, die Erbringung von Arbeitsleistungen, sondern auch auf den Zweck der Arbeit, das Vorliegen einer hoheitlichen Tätigkeit an.
Die Kl ist österreichische Staatsbürgerin. Sie war ab 1974 Mitarbeiterin der Botschaft der Bekl in Wien. Das Arbeitsverhältnis wurde mit einem am 17.3.2017 der Kl ausgehändigten Schreiben gekündigt.
Die Kl war für das Commercial Service tätig und mittelbar dem Abteilungsleiter für Handelsangelegenheiten unterstellt, teilweise berichtete sie ihm unmittelbar. Sie war Sachreferentin für die Industriezweige IT-Telekom, Tourismus und Luftfahrt und einige kleinere Abteilungen. Sie musste ihre Entscheidungen im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens mit Vorgesetzten abstimmen. Im Schriftverkehr mit österreichischen Unternehmen schien ihr Name auf, im Schriftverkehr mit der Bekl wurden Schriftstücke vom Botschaftsrat oder dem Geschäftsträger gefertigt.
Zu den Aufgaben der Kl gehörte es ua zu versuchen, Marktbarrieren für US-Unternehmen in Österreich abzubauen. Eine ihrer Hauptagenden war zuletzt die Befassung mit der Aufhebung des Verbots des Direktvertriebs von amerikanischen Kosmetikprodukten in Österreich. Sie war amerikanischen Unternehmen behilflich, ihre Produkte auf den Markt zu bringen, einen Vertriebspartner oder sonstigen Handelspartner zu finden und Produkte zu promoten. Bei zolltechnischen Fragen holte sie Informationen ein und leitete sie weiter.
Das Commercial Service veranstaltet mit österreichischen Partnern wie der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer und österreichischen Banken Veranstaltungen wie Workshops oder Seminare in Österreich.
Als „Kontrollbeamtin für Besucher des Wirtschaftsministeriums für den Ministerialrat, den Ministerialdirektor und für den Botschafter und den Geschäftsträger bei in Österreich abgehaltenen Veranstaltungen“ bereitete sie auf Level eines Botschaftsrats das Programm vor, koordinierte Termine und begleitete Personen zu Terminen, wobei sie notwendige Übersetzungen tätigte, etwa im Zusammenhang mit bilateralen Gesprächen, um Handelsbarrieren abzubauen.
Im Verein „Visit USA Comitee“, der gegründet wurde, um den Tourismus in den USA zu fördern, vertrat die Kl den Botschaftsrat für Handel als Mitglied des Vorstands. Sie entwarf dabei Strategien und Marketingpläne für die Promotion des Tourismus in den USA.
Die Kl focht ihre Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit l (Anm des Bearbeiters: gemeint offensichtlich: lit i) und Z 2 ArbVG an. Sie brachte vor, dass bei Streitigkeiten aus Dienstverträgen mit AN von diplomatischen Missionen die Staatenimmunität nicht zum Tragen komme. Sie sei nicht zur Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten befugt gewesen. Die Kündigung sei sozialwidrig und aufgrund eines verpönten Motivs unwirksam.
Die Bekl bestritt und erhob die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit. Sie stützte sich dabei auf ihre staatliche Immunität. Die Kl sei im Bereich der „Wirtschaftsdiplomatie“ tätig gewesen. Dieser Aufgabenbereich sei nicht der Privatwirtschaft zuzurechnen, sondern falle unter den Begriff „hoheitliche Tätigkeit“. Die Bekl genieße daher nach Art 11 Abs 2 lit a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2.12.2004 Immunität. Diese Bestimmung sei als Völkergewohnheitsrecht unabhängig von der Ratifizierung des Übereinkommens wirksam.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Immunität. Es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Kl in einem Bereich eingesetzt worden sei, in dem die Bekl mit Hoheitsgewalt auftrete. 159
Dem Rekurs der Bekl gegen diesen Beschluss gab das Rekursgericht Folge und wies die Klage zurück. Ausländische Staaten könnten sich vor inländischen Gerichten auf ihre Immunität so weit berufen, als es sich um Akte handle, die sie in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommen hätten. In Rechtsstreitigkeiten aus Privatrechtsverhältnissen seien sie dagegen der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen. Die Abgrenzung richte sich nach allgemeinem Völkerrecht. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit sei zwar mangels Erreichens der erforderlichen Anzahl an Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten, werde jedoch als Kodifikation des bestehenden völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts angesehen. Für Arbeitsverträge enthalte Art 11 eine eigene Regelung, die ua danach unterscheide, ob die Tätigkeit des AN dem hoheitlichen oder privatwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen sei. Der Aufgabenbereich der Kl habe zusammengefasst in der Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bekl und Österreich bestanden. Damit sei sie aber mit der Erfüllung einer der amtlichen Kernaufgaben einer diplomatischen Mission iSd Art 3 Abs 1 lit e des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen befasst gewesen. Ihre Tätigkeit sei daher auch hoheitlich gewesen, weshalb die Bekl sich zu Recht auf ihre staatliche Immunität berufen habe.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil die Entscheidung von den früheren Entscheidungen des OGH abweiche und noch keine Rsp zur Frage bestehe, ob das Übereinkommen der Vereinten Nationen als Völkergewohnheitsrecht zugrunde gelegt werden könne.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Kl mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Der Revisionsrekurs wurde vom OGH als zulässig, aber nicht als berechtigt erkannt.
„[…] 2. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Judikatur wiederholt davon ausgegangen ist, dass ein ausländischer Staat, der bei Abschluss eines Vertrags über im Inland zu erbringende Arbeits- oder Werkleistungen als Privatrechtsträger handelt, im Inland aus diesem Vertragsverhältnis belangt werden kann und dabei nicht auf den Zweck der Arbeit, sondern auf die Erbringung der Arbeitsleistungen an sich abzustellen ist (9 ObA 170/89; 9 ObA 244/90; 1 Ob 100/98g). […]
3. Die Beurteilung der Frage, inwieweit Staaten Immunität genießen, hat sich primär am bestehenden Völkerrecht zu orientieren, dabei, sofern keine vertraglichen Normen bestehen, am Völkergewohnheitsrecht. Die Versuche, die Immunität im Völkervertragsrecht zu kodifizieren, haben dazu geführt, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 2.12.2004 das ‚Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit‘ verabschiedet haben. Nach Art 30 des Übereinkommens tritt dieses am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der dreißigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft. Da dies bislang noch nicht erfolgt ist, entfaltet das Übereinkommen – sofern es nicht bestehendes Völkergewohnheitsrecht wiedergibt – keine Bindungswirkung. Richtig ist auch, dass die Beklagte das Übereinkommen nicht ratifiziert hat, Österreich dagegen schon.
4. Zu prüfen ist daher, inwieweit das Übereinkommen, soweit es für den vorliegenden Fall von Relevanz sein kann, Völkergewohnheitsrecht darstellt. Art 11 des Übereinkommens lautet:
‚Arbeitsverträge
(1) Sofern die betreffenden Staaten nichts anderes vereinbart haben, kann sich ein Staat vor einem sonst zuständigen Gericht eines anderen Staates nicht auf Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren berufen, das sich auf einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag bezieht, demzufolge die Arbeit ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet dieses anderen Staats geleistet wird bzw zu leisten ist.
(2) Abs 1 findet keine Anwendung, wenn
a) der Arbeitnehmer eingestellt worden ist, um bestimmte Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt zu erfüllen;
[...]
c) die Einstellung, die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses oder die Wiedereinstellung einer natürlichen Person Gegenstand des Verfahrens ist;
d) die Entlassung oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einer natürlichen Person Gegenstand des Verfahrens ist und das Verfahren nach Feststellung des Staats- oder Regierungschefs oder des Außenministers des Staates, den Sicherheitsinteressen dieses Staats zuwiderliefe [...].‘
Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass Art 11 des Übereinkommens als Völkergewohnheitsrecht anzusehen ist. Die Klägerin wendet dagegen nur ein, dass das Übereinkommen nicht in Kraft getreten sei und die Beklagte sich nicht darauf berufen könne, dass ein Abkommen, das sie nicht selbst unterfertigt habe, aufgrund Völkergewohnheitsrechts Bindungswirkung entfalte. Diese Argumente können jedoch nicht überzeugen, da Völkergewohnheitsrecht gerade nicht aus dem Vorliegen einer vertraglichen Verpflichtung abgeleitet wird, sondern von einer allgemeinen rechtlichen Überzeugung und Handhabung ohne einer solchen Bindung ausgeht.
In den Materialien zur Genehmigung des Übereinkommens durch Österreich wird darauf hingewiesen, dass das Übereinkommen eine Kodifizierung des bestehenden Völkergewohnheitsrechts darstellt (RV 1161 BlgNR 22. GP 1). Unabhängig davon, in-160wieweit die Materialien zur Auslegung des Vertrags herangezogen werden können, zeigt dieser Hinweis, dass der österreichische Gesetzgeber die Bestimmungen des Übereinkommens auch ohne Vorliegen der für das Inkrafttreten erforderlichen Ratifikationen als bindend ansieht.
Die Rechtsauffassung, dass im Speziellen Art 11 des Übereinkommens Völkergewohnheitsrecht darstellt, wurde auch bereits wiederholt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vertreten. In seinem Urteil vom 23.3.2010 (GK), 15869/02, Cudak/Litauen, in dem ein Verstoß gegen Art 6 EMRK zu beurteilen war, verwies der EGMR darauf, dass Maßnahmen eines Vertragsstaats, die eine allgemein anerkannte Regel des internationalen Rechts der Staatenimmunität widerspiegeln, nicht generell als eine unverhältnismäßige Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht gewertet werden könnten. […]
Im Zuge seiner Prüfung ging der Gerichtshof davon aus, dass das Übereinkommen der Vereinten Nationen, das in Art 11 die Staatenimmunität bezüglich arbeitsrechtlicher Verträge von Angestellten der Botschaften prinzipiell – mit einiger Ausnahmen – ausschließe, mangels ausreichender Ratifikationen zwar noch nicht in Kraft getreten sei. Zugleich stellte er jedoch die gewohnheitsrechtliche Geltung des Art 11 des Übereinkommens fest. Das Abkommen sei daher auch im Verhältnis zu einem Staat, der es noch nicht ratifiziert, ihm aber auch nicht widersprochen habe, anzuwenden.
Diese Rsp setzte der EGMR im Urteil vom 29.6.2011 (GK), 34869/05, Sabeh El Leil/Frankreich
, fort. Er wiederholte, dass Art 11 des Übereinkommens als Völkergewohnheitsrecht auch auf die Staaten anwendbar sei, die das Übereinkommen nicht ratifiziert und ihm nicht widersprochen hätten. Er prüfte weiters das Vorliegen der Ausnahmetatbestände des Art 11, insbesondere, ob der Beschwerdeführer zur Erledigung bestimmter Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt angestellt gewesen sei.
5. Dem EGMR ist darin zu folgen, dass Art 11 des Übereinkommens, soweit es für den vorliegenden Fall von Relevanz ist, als Völkergewohnheitsrecht auch im Hinblick auf Art 6 EMRK zu berücksichtigen und zu prüfen ist. Dies betrifft aber nicht nur die grundsätzliche Zulässigkeit von Klagen aus Arbeitsverhältnissen, sondern verlangt auch, sofern sich der belangte Staat darauf beruft, die Prüfung der davon normierten Ausnahmen, im konkreten Fall die, dass der Arbeitnehmer eingestellt worden ist, um bestimmte Aufgaben in Ausübung von Hoheitsgewalt zu erfüllen.
Dem entspricht, dass auch der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung vom 19.7.2012, C-154/11, Ahmed Mahamdia/Algerien
, davon ausgegangen ist, dass in Anbetracht des Inhalts des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität die Anwendung der Verordnung Nr 144/2001 auf einen Rechtsstreit, in dem ein Arbeitnehmer eine Vergütung begehre und sich gegen die Kündigung seines mit einem Staat geschlossenen Arbeitsvertrags wehre, nicht entgegenstehe, wenn das angerufene Gericht feststelle, dass die von diesem Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnis fallen, oder wenn die Klage nicht mit den Sicherheitsinteressen des Staats kollidieren könne (Rn 56).
Zu Recht ist daher das Rekursgericht davon ausgegangen, dass sich ein Staat auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit in einem Verfahren vor einem anderen Staat berufen kann, wenn der Arbeitnehmer eingestellt wurde, um bestimmte Aufgaben in Ausübung der Hoheitsgewalt zu erfüllen (vgl Art 11 Abs 2 lit a des Übereinkommens).
6. Es ist daher bei Prüfung der Immunität auch maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht hoheitlich sind. Entscheidend ist der Inhalt der ausgeübten Tätigkeit sowie ihr – bestehender oder nicht bestehender – funktionaler Zusammenhang mit dem diplomatischen oder konsularischen Aufgaben des betreffenden Staats. […]
Aufgabe einer diplomatischen Mission ist es nach Art 3 Abs 1 lit d und e des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten, darüber an die Regierung des Entsendestaats zu berichten sowie unter anderem die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Empfangsstaat und Entsendestaat auszubauen. Zudem dürfen diplomatische Missionen auch konsularische Aufgaben wahrnehmen (vgl Art 3 Abs 2). Konsularische Aufgaben bestehen nach Art 5 lit b und c des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl 1969/318, unter anderem darin, die Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat zu fördern, sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im kommerziellen und wirtschaftlichen Leben des Empfangsstaats zu unterrichten, an die Regierung des Entsendestaats darüber zu berichten und interessierten Personen Auskünfte zu erteilen.
Entsprechend dieser Regelungen ist daher die Förderung der Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat als Kernbereich der konsularischen Tätigkeit anzusehen. […]
7. Die Tätigkeit der Klägerin diente im Wesentlichen der Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und Österreich, indem sie einerseits amerikanische Unternehmen darin beriet und unterstützte, ihre Produkte in Österreich zu vertreiben, andererseits österreichische Firmen für den amerikanischen Markt, etwa zu Messebesuchen, rekrutierte. Zugleich war sie mit Besuchen des Wirtschaftsministeriums, Veranstaltungen der Beklagten in Zusammenarbeit mit wichtigen österreichischen Partnern sowie dem Bemühen um die Aufhebung von Marktrestriktionen befasst.
Diese Tätigkeit betrifft zwar nicht den Kernbereich staatlichen Handelns. Die Aufgaben der Klägerin 161 stehen aber jedenfalls in einem engen funktionalen Zusammenhang mit der diplomatischen sowie konsularischen und damit hoheitlichen Tätigkeit der Beklagten.
[…]
9. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass Art 11 Abs 1 und Abs 2 lit a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit Völkergewohnheitsrecht darstellt und bei Prüfung der Immunität des Staats bei Klagen von Arbeitnehmern zu beachten ist. Es kommt daher – in Abkehr von der bisherigen Judikatur – nicht mehr ausschließlich auf die Natur des Rechtsgeschäfts, die Erbringung von Arbeitsleistungen, sondern auch auf den Zweck der Arbeit, das Vorliegen einer hoheitlichen Tätigkeit an.
Zu Recht ist daher das Rekursgericht davon ausgegangen, dass sich die Beklagte, gestützt auf das in der Ausnahmebestimmung des Art 11 Abs 2 lit a des Übereinkommens der Vereinten Nationen kodifizierte Völkergewohnheitsrecht, auf ihre Immunität berufen kann.“
Mit dieser E vollzieht der OGH eine Wende in seiner bisherigen Entscheidungspraxis, Staatenimmunität dann nicht anzunehmen, wenn ein ausländischer Staat als Privatrechtsträger einen Arbeitsvertrag über eine im Inland zu erbringende Arbeitsleistung abschließt und die arbeitsvertragliche Tätigkeit inhaltlich privates Handeln darstellt. Läuft dieses Handeln auf die Erreichung hoheitlicher Zwecke hinaus – worunter sämtliche konsularischen Tätigkeiten zur Förderung der Beziehungen zwischen den Staaten verstanden werden können – wird es für derart Beschäftigte nicht mehr möglich sein, den Staat als AG im Inland gerichtlich zu belangen.
Bislang judizierte der Gerichtshof, dass ein ausländischer Staat, der bei Abschluss eines Vertrages über im Inland zu erbringende Arbeits- oder Werkleistungen als Privatrechtsträger handelt, im Inland aus diesem Vertragsverhältnis belangt werden kann und dabei nicht auf den Zweck der Arbeit, sondern auf die Erbringung der Arbeitsleistungen an sich abzustellen ist.
Diese Judikaturlinie wurde von der Völkerrechtslehre unter Hinweis auf die Regelungen und Rsp in anderen Staaten kritisiert. Demzufolge wäre es für die Gewährung der Immunität entscheidend, ob der Beschäftigte mit der Wahrung hoheitlicher Funktionen betraut gewesen sei oder nicht. Übe der Beschäftigte hoheitliche Funktionen aus, dürfe sich der Gerichtsstaat nicht in Streitigkeiten aus diesem Verhältnis einmischen.
Im konkreten Fall war die AN nicht unmittelbar mit hoheitlichen Funktionen iSd Vollziehung der Gesetze des ausländischen Staates tätig. Ihre Aufgaben wurden vom OGH als „im Wesentlichen der Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bekl und Österreich dienend“
zusammengefasst. Diese Tätigkeit betraf zwar nicht den Kernbereich staatlichen Handelns, die Aufgaben der AN standen aber jedenfalls in einem engen funktionalen Zusammenhang mit der diplomatischen sowie konsularischen und damit hoheitlichen Tätigkeit des ausländischen Staates.
Liegt nun dieser „hoheitliche Zweck“ von Arbeitsleistung vor, ist nunmehr auch nach Ansicht des OGH von einer hoheitlichen Tätigkeit im Gesamten auszugehen. Die privatrechtliche Natur des Vertragsverhältnisses, die Erbringung von Arbeitsleistung, stellt dies nicht mehr in Frage.
Der mit diesen Aufgaben betrauten Beschäftigtengruppe wird es in Hinkunft nicht mehr möglich sein, den ausländischen Beschäftigerstaat im Inland gerichtlich zu belangen.