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Dreijährige Verjährungsfrist für Klagen betreffend diskriminierungsfreie Anrechnung von Vordienstzeiten

RICHARDHALWAX

Der Kl absolvierte eine Lehrausbildung und war nach Absolvieren des Grundwehrdienstes bis September 2006 bei den Österreichischen Bundesbahnen beschäftigt. Mit 1.10.2006 begründete der Kl ein Vertragsbedienstetenverhältnis zur Bekl. Seit 1.5.2011 steht der Kl als Diplomrechtspfleger in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bekl.

Der Präsident des OLG Graz setzte mit Bescheid vom 5.10.2006 den Vorrückungsstichtag des Kl mit 31.12.1997 fest. Dabei wurden jene Vordienstzeiten berücksichtigt, die der Kl nach Vollendung des 18. Lebensjahres bis zum Anstellungstag erworben hatte. Mit Bescheid des Präsidenten des OLG Graz vom 28.10.2013 wurde der Vorrückungsstichtag des Kl mit Wirksamkeit vom 1.5.2011 unter Voransetzung weiterer Zeiten mit 15.1.1995 neu festgesetzt. Gleichzeitig wurde dem Kl mitgeteilt, dass sich an seiner Besoldung nichts ändere.

Mit Schreiben vom 26.8.2013 lehnte die Finanzprokuratur den Anspruch des Kl auf Gehaltsnachzahlungen ab. In der am 10.10.2013 eingebrachten Klage wurden (zuletzt) Gehaltsdifferenzen für Oktober 2006 bis einschließlich Juni 2015 geltend gemacht. 162

Der Kl brachte vor, seine besoldungsrechtliche Situation hätte sich durch die Stichtagsänderung verbessern müssen. Die mit BGBl I 2010/82BGBl I 2010/82 geänderte Regelung des § 19 Abs 1 zweiter Satz VBG 1948, mit der es zur Verlängerung des ersten Vorrückungszeitraums auf fünf Jahre gekommen sei, habe zur Folge, dass die vom EuGH als unionsrechtswidrig festgestellte Nichtanrechnung der vor Vollendung des 18. Lebensjahres gelegenen Dienstzeiten nur formal beseitigt, im Ergebnis aber ebenso prolongiert werde. Die Verwaltungsbehörde habe bei ihrer Entscheidung den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts missachtet und eine gemeinschaftsrechtswidrige Gesetzeslage angewandt. Der Kl stützte sein Begehren daher auch auf Schadenersatz, für den die Bekl im Wege der Amtshaftung einzustehen hätte.

Das Erstgericht wies die Klage im Umfang eines Teilbegehrens von € 11.934,30 sA, bestehend aus Gehaltsdifferenzen ab 1.5.2011, zurück und das Mehrbegehren ab. Das Berufungsgericht gab dem Rekurs und der Berufung des Kl jeweils teilweise Folge und hob den Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts insoweit auf, als das Klagebegehren auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt wurde. In teilweiser Stattgebung der Berufung sprach das Berufungsgericht dem Kl einen Betrag von € 1.015,60 brutto sA für den Zeitraum von 1.8.2010 bis 30.4.2011 unter Abweisung des Mehrbegehrens zu.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zu den maßgeblichen Rechtsfragen der Besoldungsreform noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Der Kl bekämpfte mit seiner Revision die Rechtsansicht, dass die vor dem 1.8.2010 fälligen Ansprüche verjährt wären. Die Revision der Bekl strebte die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils an.

Der OGH lehnte die Rechtsansicht des Kl ab, dass es der „Sondertatbestand der diskriminierungsfreien Anrechnung von Vordienstzeiten“ zu seiner effektiven Durchsetzung erfordere, für die Klagsansprüche von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist auszugehen. Nach § 18a Abs 1 VBG 1948 verjährt der Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren geltend gemacht wird, nachdem die anspruchsbegründende Leistung erbracht worden oder der anspruchsbegründende Aufwand entstanden ist. Gem § 18a Abs 4 VBG 1948 sind die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung mit der Maßgabe anzuwenden, dass die schriftliche Geltendmachung eines noch nicht verjährten Anspruchs durch den Vertragsbediensteten gegenüber dem DG oder gegenüber der Finanzprokuratur die Verjährung unterbricht. Diese Regelung stellt eine lex specialis zu den Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechts dar, die lediglich hinsichtlich der Hemmung und Unterbrechung sinngemäß anzuwenden sind.

Der Revision der Bekl wurde dagegen nach Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über einen Vorabentscheidungsantrag nach Art 267 AEUV Folge gegeben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Infolge der E des EuGH vom 8.5.2019 in der Rs C-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund, wurde das Besoldungsrecht des Bundes zur Herstellung seiner Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht mit BGBl I 2019/58BGBl I 2019/58 (2. Dienstrechts-Novelle 2019) umfassend novelliert. Für Vertragsbedienstete, deren Vorrückungsstichtag bei der Anrechnung unter Ausschluss der vor dem 18. Geburtstag zurückgelegenen Zeiten festgesetzt wurde und bei denen nach der erstmaligen Festsetzung nicht die vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes BGBl I 2010/82BGBl I 2010/82 vorangestellt und durch Außerachtlassung der mit diesem Bundesgesetz bewirkten Verlängerung des für die erste Vorrückung erforderlichen Zeitraums zur Gänze für die Einstufung wirksam geworden sind, ist nach Maßgabe der §§ 94b ff VBG 1948 („Umsetzung der Richtlinie 2000/78“) eine Neueinstufung nach einem einheitlichen Regelwerk vorgesehen. Diese Regelungen idF der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 wurden mit 1.1.2004 in Kraft gesetzt (§ 100 Abs 89 Z 1 VBG 1948). Sie betreffen ua am Tag der Kundmachung der 2. Dienstrechts- Novelle 2019 (8.7.2019) anhängige einschlägige Verfahren, wobei die Neufestsetzung im Rahmen dieser Verfahren zu erfolgen hat (§ 94b Abs 3 VBG 1948). Das neu festgesetzte Besoldungsdienstalter ist nach Maßgabe des § 94b Abs 6 VBG 1948 auch ausdrücklich rückwirkend für die Bemessung der Bezüge maßgeblich.

Auf eine Änderung der Rechtslage hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Diese Frage ist hier zu bejahen.

Nach § 182a ZPO hat das Gericht das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und darf seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es den Parteien Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Das hat umso mehr bei geänderter Rechtslage zu gelten. Die Parteien müssen Gelegenheit haben, zur neuen Rechtslage ein Vorbringen zu erstatten. Daraus folgte im vorliegenden Fall, dass das Klagebegehren nach Maßgabe der neuen Rechtslage zur Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung des Kl und der Be-163 messung seiner Bezüge zum Gegenstand einer Erörterung vor dem Erstgericht zu machen ist. Der Revision der Bekl wurde daher Folge gegeben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.