79Keine vorsätzliche Vereitelung bei irrtümlichem Versäumen einer Vorbereitungsmaßnahme zu einem Transitarbeitsverhältnis
Keine vorsätzliche Vereitelung bei irrtümlichem Versäumen einer Vorbereitungsmaßnahme zu einem Transitarbeitsverhältnis
Die Beschwerdeführerin bezog ab 1.10.2007 – mit kurzen Unterbrechungen – Leistungen aus der AlV und zuletzt seit 17.8.2008 Notstandshilfe. Am 5.10.2018 wurde der Beschwerdeführerin ein Vorauswahltermin für 9.10.2018 mit möglichem anschließendem Dienstantritt in einem sozialökonomischen Betrieb nach Absolvierung einer Clearingphase zugewiesen. Die Beschwerdeführerin nahm an diesem Vorauswahltermin aufgrund einer Terminverwechslung – sie war mit familiären Problemen belastet und hatte sich versehentlich eingeprägt, dass der Termin am 10.10.2018 stattfinden würde – nicht teil. Am 10.10.2018 – unmittelbar nach Bekanntwerden der Terminverwechslung – meldete die Beschwerdeführerin dem Arbeitsmarktservice (AMS) ihr Versehen.
Mit Beschwerdevorentscheidung hat das AMS die Beschwerde abgewiesen. Die Abweisung begründete das AMS damit, dass die Beschwerdeführerin durch ihr Nichterscheinen bei der Vorauswahl die Annahme einer Beschäftigung bei einem sozialökonomischen Betrieb vereitelt habe, da ihr infolge kein Transitarbeitsverhältnis angeboten werden konnte. Dass es sich um ein Transitarbeitsverhältnis und somit um ein Dienstverhältnis beim sozialökonomischen Betrieb handelte, sei der Beschwerdeführerin laut AMS im Einladungsschreiben mitgeteilt worden. Gegen die Beschwerdevor-164 entscheidung brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Vorlageantrag ein.
Das BVwG gab der Beschwerde statt. Unter dem Begriff der „Vereitelung“ iSd § 10 Abs 1 AlVG ist nach stRsp des VwGH ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das – bei gege- bener Zumutbarkeit der Beschäftigung – das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses muss nicht nur in der Sphäre des Vermittelten, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben. Die Vereitelung verlangt daher ein vorsätzliches Handeln des Vermittelten, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes hingegen nicht hin. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung zu qualifizieren ist, kommt es demnach zunächst darauf an, ob dieses Verhalten überhaupt für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte iSd obigen Ausführungen vorsätzlich gehandelt hat.
Im vorliegenden Fall beurteilt des BVwG das Verhalten der Beschwerdeführerin zwar als kausal für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung, jedoch könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin bewusst in Kauf genommen habe, dass das angestrebte Dienstverhältnis nicht zustande kommen würde. Die Nichtteilnahme an der Veranstaltung ist laut BVwG nicht auf die Absicht der Beschwerdeführerin – auch nicht iS eines dolus eventualis – zurückzuführen. Da sich die Beschwerdeführerin sofort bei Kenntnis ihres Irrtums beim AMS gemeldet und um Schadensbegrenzung bemüht habe, könne man das Verhalten der Beschwerdeführerin lediglich als fahrlässiges, nicht jedoch als vorsätzlich vereitelndes Handeln beurteilen. Für die grundsätzliche Arbeitsbereitschaft der Beschwerdeführerin spricht nach Ansicht des BVwG auch der Umstand, dass der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall zum ersten Mal der Tatbestand einer Vereitelung zur Last gelegt worden sei, sowie darüber hinaus, dass sie ab 13.12.2018 mehrmals vollversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.