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Verwendung des Begriffes „Stressresistenz“ im Stellenangebot erfordert keine Ermittlungen des Arbeitsmarktservice zur Zumutbarkeit der Beschäftigung

BIRGITSDOUTZ

Das Arbeitsmarktservice (AMS) hat mit dem in Revision gezogenen Bescheid ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum 23.7.2018 bis 16.9.2018 die Notstandshilfe gem § 38 iVm § 10 AlVG verloren hat, da er sich auf eine zumutbare Beschäftigung als Bürogehilfe nicht beworben hat. Die dagegen eingebrachte Beschwerde begründete der Beschwerdeführer damit, dass es sich bei der ihm zugewiesenen Stelle als Bürogehilfe um eine nicht zumutbare Beschäftigung gehandelt habe, da diese Stressresistenz erfordere und ihm aufgrund seines Gesundheitszustandes Tätigkeiten bei überdurchschnittlichem, besonderem bis ständigem Zeitdruck nicht zumutbar wären und verwies dazu auf ein bereits vorliegendes arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten vom 22.5.2017.

Das AMS hat die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 15.10.2018 nur insofern abgeändert, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 24.7. bis 17.9.2018 verloren hat. Begründend führte das AMS aus, dass für den Beschwerdeführer ein Arbeiten unter einfachem durchschnittlichem Zeitdruck möglich sei. Da es sich bei der verfahrensgegenständlichen Stelle um einen Job als Bürogehilfe in einem familiär-kollegial geführten Betrieb gehandelt habe, wäre daher ein überdurchschnittlicher bis ständiger Zeitdruck nicht gegeben gewesen. Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, dass das AMS bei der Prüfung der Zumutbarkeit seinen Gesundheitszustand vollkommen unberücksichtigt gelassen habe und verwies dazu nochmals auf das bereits vorliegende arbeitsmedizinische Gutachten vom 22.5.2017. Das AMS habe aufgrund des vorliegenden ärztlichen Gutachtens die körperlichen Anforderungen einer zugewiesenen Beschäftigung mit den (verbliebenen) körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen zu vergleichen und danach zu beurteilen, ob eine zugewiesene Beschäftigung gesundheitlich zugemutet werden könne. Das AMS sei also von Amts wegen verpflichtet, die körperlichen Anforderungen einer Arbeitsmöglichkeit und die individuellen Fähigkeiten des Arbeitslosen zu erheben und beides miteinander zu vergleichen. 165

Das BVwG behob mit Beschluss den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und zur neuerlichen Entscheidung an das AMS zurück. Die Zurückweisung begründete das BVwG damit, dass das AMS die notwendigen Ermittlungen beim potentiellen DG zur Zumutbarkeit der Beschäftigung unterlassen habe. Ermittlungen durch das BVwG würden nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis liegen, weil das AMS ebenso schnell und kostengünstig arbeite. Das BVwG sprach aus, dass eine Revision unzulässig sei. Das AMS brachte gegen den Zurückweisungsbeschluss dennoch eine Revision ein, die durch den VwGH für zulässig erklärt wurde.

Der VwGH hob den Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und verwies auf ein bereits vorliegendes Erk vom 24.11.2016, Ra 2016/08/0139, wonach selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind. In der ausführlich begründeten Beschwerdevorentscheidung finden sich nach Ansicht des VwGH aussagekräftige Feststellungen insb über die üblicherweise und im konkreten Betrieb zu erwartenden Anforderungen an einen Bürogehilfen, welchen der Beschwerdeführer auch gewachsen sei. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass die zugewiesene Beschäftigung evident unzumutbar ist, sodass der Arbeitslose nicht verpflichtet gewesen wäre, die konkret zu erwartenden Arbeitsbedingungen und seine Fähigkeiten bzw Willigkeit, ihnen zu entsprechen, in einem Vorstellungsgespräch zu klären. Zum verwendeten Begriff „Stressresistenz“ führt der VwGH aus, dass ihm insb in Bezug auf einen mit der geforderten Tätigkeit einhergehender Zeitdruck kein definierter Inhalt zukomme. Eine evidente Unzumutbarkeit ist daraus nach Ansicht des VwGH nicht ableitbar, sodass der Beschwerdeführer – ohne dass weitere Ermittlungsschritte erforderlich waren – jedenfalls zu einem Vorstellungsgespräch verpflichtet gewesen wäre.

Das VwG hat vor diesem Hintergrund zu Unrecht eine kassatorische Entscheidung nach § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG getroffen. Der angefochtene Beschluss war somit gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.