82Sponsorvertrag für Motocrossfahrer begründet im Regelfall keine Pflichtversicherung als (freier) Dienstnehmer
Sponsorvertrag für Motocrossfahrer begründet im Regelfall keine Pflichtversicherung als (freier) Dienstnehmer
Für einen Sportler ist der Abschluss eines Sponsorvertrags regelmäßig eine von mehreren Möglichkeiten, aus seiner auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübten sportlichen Tätigkeit ein Einkommen zu erzielen. Die Ausübung des Sportes stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung aber – mangels insoweit bestehenden Austauschverhältnisses – nicht als eine Erbringung von Dienstleistungen für den Sponsor als DG im Rahmen dessen Geschäftsbetriebes iSd § 4 Abs 4 Z 1 ASVG dar. Typischerweise wird daher durch einen solchen „Sponsorvertrag“ oder „Werbevertrag“ keine Pflichtversicherung nach § 4 Abs 1 Z 14 ASVG als freier DN begründet. Darauf, ob die weiteren Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach dieser Bestimmung erfüllt sind, insb auch, ob der Sportler iS dieser Bestimmung über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügt, kommt es nicht mehr an.
Der Mitbeteiligte hat mit der K AG einen Vertrag über die Teilnahme an Motocross-Rennen abgeschlossen. Dabei war er ua verpflichtet, die von der K AG zur Verfügung gestellten Motorräder und Schutzausrüstung zu benutzen, die Marke der K AG positiv zu repräsentieren, einen Verhaltenskodex einzuhalten, an Trainingslagern teilzunehmen und keine weiteren Sponsorverträge mit anderen Motorradherstellern abzuschließen. Die Rennen hat er im eigenen Namen bestritten und von der K AG ein Motorrad, Teile der Schutzausrüstung und pro Rennen ein Entgelt von rund € 500,- erhalten. Die Kosten für An- und Abreise, Verpflegung und Übernachtung wurden von der K AG übernommen. Sanktionsmöglichkeiten der K AG bei Vertragsverletzungen bestanden in der Vertragsauflösung, teilweiser Nichtauszahlung des Entgelts oder Nichtverlängerung des Vertrags.
Mit Bescheid vom 26.6.2014 stellte die Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) fest, dass der Mitbeteiligte aufgrund des Sponsorvertrages weder als DN noch als freier DN pflichtversichert gewesen sei.
Das BVwG gab der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und stellte eine (tageweise) Pflichtversicherung als DN an den Renntagen fest.
Die TGKK erhob gegen das Erk des BVwG eine außerordentliche Revision an den VwGH. Das Erk weiche von der Rsp des VwGH ab und es fehle an Rsp zur rechtlichen Einordnung von Verträgen zwischen SportlerInnen und SponsorInnen in Hinblick auf das Bestehen einer Pflichtversicherung nach dem ASVG.
Die Revision ist zulässig und berechtigt. Der VwGH hat das angefochtene Erk wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
„[…] 24 Das Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass zwar keine durchgehende, aber doch eine tageweise Beschäftigung des Mitbeteiligten an den Tagen der von ihm absolvierten Rennen – so auch am 26.7.2003 – vorgelegen sei.
25 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass im Einzelfall die Sportausübung auch eines Einzelsportlers in persönlicher Abhängigkeit von einem Dienstgeber erfolgen und daher ein Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG begründen könnte. […] Wie die Revision zutreffend aufzeigt, vermögen die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im vorliegenden Fall die rechtliche Beurteilung des Vorliegens einer in persönlicher Abhängigkeit ausgeübten Tätigkeit des Mitbeteiligten jedoch nicht zu tragen. […]
30 Soweit das Bundesverwaltungsgericht sich darauf stützte, dass der Mitbeteiligte seine Leistung – somit die Teilnahme an Rennen unter Verwendung der Motorräder der K AG – persönlich erbringen habe müssen und er sich dabei nicht habe vertreten lassen können, so ist daran richtig, dass Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG die persönliche Arbeitspflicht ist. […]
31 Eine Erteilung ausdrücklicher Weisungen an den Mitbeteiligten durch die K AG hat das Bundesverwaltungsgericht nicht festgestellt, sondern ausgeführt, dass sich aufgrund seiner Erfahrungen und Kenntnisse – somit seiner Qualifikation – die Erteilung ‚näherer Weisungen‘ erübrigt habe. […]
34 Dass der Mitbeteiligte in diesem Sinn an den Tagen der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Beschäftigung – so insbesondere am 26.7.2003 – in die betriebliche Organisation der K AG eingebunden gewesen wäre, ergibt sich nicht. Ausgehend von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes war eine der K AG zuzurechnende betriebliche Struktur am Ort der Rennen nicht etabliert und musste der Mitbeteiligte seine Tätigkeit als Rennfahrer auch nicht mit Vorgesetzten bzw Mitarbeitern der K AG abstimmen. Zu seiner Unterstützung zog er vielmehr überwiegend Familienmitglieder und Freunde heran, die der K AG nicht zuzurechnen waren. […]
36 Vor dem dargestellten Hintergrund vermag auch der Umstand, dass der Mitbeteiligte insofern einem ‚Verhaltenskodex‘ unterlag, als er nach den Feststellungen verpflichtet war, die Marke der K AG ‚positiv zu präsentieren‘ und an den Renntagen keinen Alkohol zu trinken, am Gesamtbild des Fehlens einer per-167sönlichen Abhängigkeit nichts zu ändern. Es liegt in der Natur eines zu Werbezwecken von einem Sponsor mit einem Sportler abgeschlossenen Vertrages, dass der Sponsor auch am Image des Gesponserten partizipieren will. Vereinbarte Nebenpflichten zu einem diesen Zweck förderlichen Auftreten lassen für sich allein noch nicht den Schluss zu, dass das arbeitsbezogene Verhalten entsprechend dem Bild eines Beschäftigungsverhältnisses Weisungen und Kontrollen unterworfen gewesen wäre. […] Unter Beachtung, dass eine Überprüfung der Tätigkeit des Mitbeteiligten durch die K AG zumeist nur durch die Berichterstattung in den Medien und die Einsicht in Start- und Ergebnislisten möglich war, wäre eine effektive Kontrolle des persönlichen Verhaltens des Mitbeteiligten an den Renntagen ohnehin auch nicht möglich gewesen.
37 […] Ausgehend davon, dass sich eine Pflichtversicherung des Mitbeteiligten aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG aus den dargestellten Gründen nicht ergibt, hätte das Bundesverwaltungsgericht somit eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG prüfen müssen. […]
39 Der freie Dienstvertrag nach § 4 Abs. 4 ASVG unterscheidet sich […] vom Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG im Wesentlichen durch das Fehlen einer persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers (vgl etwa VwGH 10.10.2018, Ra 2015/08/0130). Nicht anders als bei einem Beschäftigungsverhältnis wird auch bei einem freien Dienstvertrag durch die Verpflichtung zu Dienstleistungen für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit ein Dauerschuldverhältnis begründet. […]
42 Bei einem ‚Sponsorvertrag‘ oder ‚Werbevertrag‘ erbringt ein Unternehmen regelmäßig als Sponsor Leistungen in Form von Geld- oder Sachmitteln – etwa auch Sportgeräten – an einen Sportler oder eine andere Persönlichkeit oder Vereinigungen im sportlichen oder kulturellen bzw wissenschaftlichen Bereich. Die Gegenleistung des Gesponserten ist in der Regel die Zurverfügungstellung von ‚Werbung‘, mit der die Produkte bzw die Marke des Sponsors in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden bzw das positive Image des Gesponserten auf den Sponsor übertragen wird. Dies kann bei einem Sportler insbesondere dadurch erfolgen, dass nach der getroffenen Vereinbarung der Sportler allgemein bei der Ausübung seines Sportes bzw bei konkret festgelegten Sportveranstaltungen und anderen öffentlichen Auftritten mit einem Kennzeichen (Logo) bzw mit Produkten – wie Sportgeräten oder Bekleidung – des Sponsors auftritt und dafür ein Entgelt erhält (vgl etwa Hohenbruck, Sponsoring des Einzelsportlers im Schisport, Zak 2013/120, 70, mwN).
43 Für einen Sportler ist der Abschluss eines derartigen Sponsorvertrags regelmäßig eine von mehreren Möglichkeiten, aus seiner auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübten sportlichen Tätigkeit ein Einkommen zu erzielen. Die Ausübung des Sportes stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung aber – mangels insoweit bestehenden Austauschverhältnisses – nicht als eine Erbringung von Dienstleistungen für den Sponsor als Dienstgeber im Rahmen dessen Geschäftsbetriebes iSd § 4 Abs. 4 Z 1 ASVG dar. Typischerweise wird daher durch einen solchen ‚Sponsorvertrag‘ oder ‚Werbevertrag‘ keine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 14 ASVG als freier Dienstnehmer begründet. […]
44 Dennoch könnte unter Beachtung, dass im Sinn des § 539a ASVG nicht (primär) die vertragliche Vereinbarung bzw die Bezeichnung des Vertrages, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit maßgeblich ist (vgl VwGH 24.11.2016, Ra 2016/08/0011 ua, mwN), sich im Einzelfall hinter einem ‚Sponsorvertrag‘ dennoch ein freier Dienstvertrag nach § 4 Abs. 4 ASVG verbergen. Voraussetzung dafür wäre, dass ein Entgelt des Sponsors nicht nur für die Zurverfügungstellung von Werbung durch den Sportler im dargestellten Sinn erbracht wird, sondern Elemente hinzutreten, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Sinn des § 539a ASVG die Annahme rechtfertigen, dass gegen Entgelt Dienstleistungen für den Sponsor im Rahmen dessen Geschäftsbetriebes erbracht werden. […]
45 Im vorliegenden Fall hat die K AG als Sponsor an den Mitbeteiligten Sach- und Geldleistungen erbracht. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich jedoch nicht, dass die Gegenleistung des Mitbeteiligten über die Zurverfügungstellung von Werbung für die K AG an den vereinbarten Renntagen – so insbesondere am 26.7.2003 – durch das Auftreten mit den Produkten (Motorrädern) der K AG und das Tragen einer Rennkleidung, die ihn als deren Werbeträger auswies, hinausgegangen wäre. Eine Einbindung in den Betrieb der K AG bzw in eine von dieser geschaffene eigene betriebliche Struktur erfolgte nicht. Davon ausgehend stellte der Mitbeteiligte sich zwar für die Werbung der K AG zu Verfügung, erbrachte bei wirtschaftlicher Betrachtung jedoch durch seine Tätigkeit als Rennfahrer keine Dienstleistungen im dargestellten Sinn für die K AG, sodass kein freier Dienstvertrag vorlag. Eine Pflichtversicherung des Mitbeteiligten nach dem ASVG ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt daher nicht. […]“
Mit dieser E bestätigt der VwGH einen restriktiven Zugang zum Kreis der Pflichtversicherten nach ASVG. Es wird jedoch auch ein praxisrelevantes Mindestmaß festgelegt, ab dem eine nähere Prüfung eines Werbe- oder Sponsorvertrages bezüglich des Vorliegens einer Pflichtversicherung notwendig bzw sinnvoll ist. Die Versicherungspflicht ist jedenfalls stets zeitraumbezogen (im vorliegenden Fall tageweise) zu beurteilen. Wenn sich der Sportler bloß zur Verwendung der Produkte bzw zum Tragen von Schutzkleidung mit Logos als Werbeträger verpflichtet und keine Einbindung in eine vom Sponsor geschaffene betriebliche Struktur erfolgt, wird dadurch vom Sportler keine pflichtversicherte Dienstleistung (für den Sponsor) erbracht. Daher wird durch einen Sponsor- oder Werbevertrag typischerweise keine Pflichtversicherung nach ASVG begründet. 168
Der VwGH führt jedoch in seiner Begründung Fallkonstellationen an, bei denen nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt gem § 539a ASVG auch bei „Sponsor- oder Werbeverträgen“ eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs 2 oder 4 ASVG vorliegen könnte. Voraussetzung dafür wäre, dass neben dem Werbezweck Elemente hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, dass gegen Entgelt Dienstleistungen für den Sponsor (iS eines Austauschverhältnisses) im Rahmen dessen Geschäftsbetriebes erbracht werden. Dies könnte insb dann der Fall sein, wenn dem Gesponserten, neben der Erbringung von Werbeleistungen der dargestellten Art, die Erbringung von Aufgaben für den Sponsor im Zuge dessen betrieblicher Tätigkeit übertragen werden oder wenn der Sportler an einer vom Sponsor selbst organisierten Veranstaltung teilnimmt.
Eine andere Sichtweise könnte auch dann geboten sein, wenn die Ausübung des Sports in Einbindung des Sportlers in den Betrieb des potentiellen DG bzw in eine von diesem für die Sportausübung geschaffene eigene betriebliche Struktur (eigenständiges Team bzw „Rennstall“) erfolgt, soweit in diesen Fällen nicht ohnehin eine Beschäftigung nach § 4 Abs 2 ASVG vorliegt.