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Kein Unfallversicherungsschutz einer Begleitperson beim Jugendkirtag der Freiwilligen Feuerwehr

CHRISTAMARISCHKA

Ehrenamtliche Mitglieder von Zivilschutzorganisationen sind nur bei jenen Tätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang mit der Verwirklichung des gemeinnützigen Zwecks stehen, wie Öffentlichkeitsarbeiten oder Tätigkeiten zur Lukrierung von Spenden, unfallversichert.

SACHVERHALT

Die 1988 geborene Kl ist aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Am 28.1.2017 nahm sie als ehrenamtliche Begleitperson am eintägigen Landeswintersporttag der Feuerwehrjugend des Landesverbandes Steiermark teil und fuhr mit drei Jugendlichen Ski. Beim Aussteigen aus dem Schlepplift stürzte sie und verletzte sich am rechten Daumen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid vom 15.1.2019 lehnte die bekl Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Anerkennung 174 des Unfalls als Arbeitsunfall ab und sprach aus, dass kein Anspruch auf Leistungen der UV bestehe.

Erst- und Berufungsgericht wiesen das Klagebegehren ab, weil nur Tätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang mit der Verwirklichung des gemeinnützigen Zwecks stehen, wie Öffentlichkeitsarbeiten oder Tätigkeiten zur Lukrierung von Spenden, nicht aber betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen wie Skiausflüge oder Betriebssport ehrenamtlicher Mitglieder derartiger Organisationen unfallversichert sind. Auch die Verpflichtung für die Einsatzbereitschaft Sorge zu tragen und die körperliche Ertüchtigung der Mitglieder zu fördern, vermag nichts daran zu ändern, dass nicht jede Tätigkeit von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Unfallversicherungsschutz begründet.

Die außerordentliche Revision der Kl ist nicht zulässig.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1. Mit § 176 Abs 1 Z 7 ASVG wurde der Versicherungsschutz für Zivilschutzorganisationen (ua für Freiwillige Feuerwehren) auf Tätigkeiten ausgeweitet, die sich in Ausübung der deren Mitgliedern im Rahmen der Ausbildung, der Übungen und des Einsatzfalls obliegenden Pflichten ereignen. Mit der 55. ASVGNovelle BGBl I 1998/138 wurde der Versicherungsschutz darüber hinaus auf Tätigkeiten ausgedehnt, die diese Mitglieder im Rahmen des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereichs der Zivilschutzorganisation ausüben (lit b), wenn sie für diese Tätigkeit keine Bezüge erhalten, in die Zusatzversicherung in der Unfallversicherung einbezogen sind und einen Antrag gemäß § 22a Abs 4 Satz 1 ASVG stellen. Dass die Klägerin diese letzteren Voraussetzungen erfüllt, steht außer Streit.

2. Zweck des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG ist, weitere Tätigkeiten in den Unfallversicherungsschutz einzubeziehen, die zuvor nicht geschützt gewesen waren, weil sie nicht unter ‚Ausbildung‘, ‚Übung‘ oder ‚Einsatz‘ fallen, sondern im Rahmen der institutionalisierten Gefahrenhilfe diesen Verrichtungen vorangehen oder nachfolgen (RS0109066). Die Mitglieder dieser Organisationen sollen etwa auch in Ausübung von Aktivitäten, die in den jeweiligen Satzungen (Statuten usw) der Organisationen festgeschrieben sind und der Aufbringung der Mittel zur Erfüllung ihrer altruistischen Aufgaben dienen (‚Umgebungstätigkeiten‘), Versicherungsschutz genießen (ErläutRV 1234 BlgNR 20. GP 30).

3.1 Der Gesetzgeber des ASVG legt den Schutzbereich des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG somit derart fest, dass an den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereich der einschlägigen Organisationen angeknüpft wird. […]

3.3 Da aber § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG den auf die Kernaufgaben ‚Ausbildung‘, ‚Übung‘ und ‚Einsatz‘ beschränkten Schutzbereich um jene Tätigkeiten erweitern soll, die diesen eigentlichen Kernaufgaben vorangehen und nachfolgen, ist lediglich die durch Gesetz oder Satzung festgelegte altruistische Tätigkeit maßgeblich. Geschützt werden nur jene Tätigkeiten, die in einem Zusammenhang mit der Verwirklichung des auf der Grundlage von Gesetz oder Satzung erfolgenden konkret gemeinnützigen Tätigwerdens stehen. § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG verweist somit nicht pauschal auf das jeweilige Landesgesetz bzw die jeweilige Satzung, vielmehr wird auf eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung der durch Gesetz oder Satzung festgelegten Tätigkeiten abgestellt (Mathy, Entscheidungsanmerkung zu 10 ObS 42/17z, DRdA 2018/7, 53 [56]). Die Durchführung einer gemeinsamen Jause zwecks Erhöhung des Zusammengehörigkeitsgefühls wurde etwa von der Rechtsprechung nicht als geschützte ‚Umgebungstätigkeit‘ qualifiziert, obwohl § 34 des Sbg FeuerwehrG als Pflicht der Mitglieder die Pflege guter Kameradschaft normiert (10 ObS 63/07y SSVNF 21/39).

3.4 Auch wenn […] die Wahrnehmung der Aufgaben für die Ausbildung, Fortbildung und die Förderung der körperlichen Ertüchtigung ihrer Mitglieder […] und die Pflege der zur Erhaltung der Einsatzfähigkeit erforderlichen Gemeinschaft […] als Aufgaben der Feuerwehr genannt sind, verbleibt demnach den Gerichten bei der Prüfung, ob bestimmte – in diesem Zusammenhang stehende – Tätigkeiten geschützt sind, ein Beurteilungsspielraum.

4.1 Unter dem Gesichtspunkt, dass es jeweils auf den Zusammenhang zwischen der in Frage stehenden Tätigkeit und dem konkreten gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereich der Organisation ankomme, wurden bisher Hilfstätigkeiten als geschützt angesehen, die dem Aufbringen der finanziellen Mittel zur Erfüllung der altruistischen Tätigkeit dienen, wie etwa die Beteiligung an ortsüblichen Festtagsmärkten (vgl 2 Ob 74/14t). Zu den ‚Umgebungstätigkeiten‘ wurde auch die Öffentlichkeitsarbeit gerechnet, sofern diese der Außendarstellung zwecks Erhöhung des Ansehens, der Förderung der Bereitschaft zu spenden und zum Wecken des Interesses für eine ehrenamtliche Tätigkeit dient (etwa die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen eines Empfangs der Feuerwehrjugend, nachdem diese den Bundeswettbewerb der Freiwilligen Feuerwehren gewonnen hatte, wobei ein Feuerwerk abgeschossen wurde: 10 ObS 139/17i; DRdA 2019/8, 71 [Hörmann]; vgl auch Müller, Entscheidungsanmerkung zu 10 ObS 153/07h, DRdA 2009/38, 400).

4.2 Nicht als ‚Umgebungstätigkeit‘ wurde hingegen – wie erwähnt – die Durchführung einer gemeinsamen Jause gewertet (10 ObS 63/07y SSVNF 21/39) oder die Reparatur einer Satellitenanlage am Feuerwehrhaus, die den Zweck hatte, das gemeinsame Fernsehen von Sportübertragungen der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls zu ermöglichen (10 ObS 42/17z SSVNF 31/32 = DRdAinfas 2017/179, 300 [Markovic] = DRdA 2018/7, 53 [krit Mathy]). Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen ehrenamtlicher Mitglieder von Feuerwehren wurden im Schrifttum mit 175 der Begründung als nicht versichert angesehen, dass der Schutz auf bestimmte Tätigkeiten beschränkt ist (Müller in SV-Komm [219. Lfg] § 176 ASVG Rz 125).

5. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Betreuung von jugendlichen Teilnehmern eines Skiausflugs zähle nicht zu den versicherten Tätigkeiten […], orientiert sich an der Entscheidung 10 ObS 70/12k SSVNF 26/41, der ein Unfall eines ehrenamtlichen Mitglieds des Roten Kreuzes im Rahmen dessen Tätigkeit als Begleit- bzw Aufsichtsperson bei einem Skiausflug einer Jugendgruppe zugrunde lag. Die – auch auf den vorliegenden Fall übertragbaren – Aussagen dieser Entscheidung sind dahin zusammenzufassen, dass der maßgebende Wirkungsbereich von Organisationen wie Feuerwehren, Bergrettung und dem Roten Kreuz nicht in der Pflege guter Kameradschaft und des Zusammengehörigkeitsgefühls besteht, auch wenn das Zusammengehörigkeitsgefühl zur Erfüllung der konkreten Aufgaben nützlich ist. Ein Skitag einer Jugendgruppe diene weder der Öffentlichkeitsarbeit noch der Beschaffung von Geldmitteln für die Tätigkeit des Roten Kreuzes noch der Gewinnung neuer Mitglieder, weshalb die Tätigkeit als Aufsichts- bzw Begleitperson nicht im Rahmen des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereichs erfolgt sei. Der Versicherungsschutz könne auch nicht durch entsprechende Aufträge (an dem Wintersporttag als Betreuer teilzunehmen) über den geschützten Wirkungsbereich hinaus ausgedehnt werden. […]

6.1 Die Abhaltung eines Wintersporttages für die Feuerwehrjugend und die ehrenamtliche Begleitung der Jugendlichen beim Schifahren zählt – jedenfalls typologisch gesehen – nicht zu den Kernaufgaben bzw Kerntätigkeiten der Freiwilligen Feuerwehr.

6.2 Auch der Aspekt, dass der Wintersporttag den Kindern und Jugendlichen die Gelegenheit zur Sportausübung bietet und […] die Feuerwehren für ihre Einsatzbereitschaft Sorge zu tragen haben, wozu auch die körperliche Ertüchtigung ihrer Mitglieder gehört, bedingt keinen ausreichend engen Zusammenhang zwischen der konkreten Aufsichtstätigkeit der Klägerin und dem (altruistischen) Wirkungsbereich der Freiwilligen Feuerwehr bei Vollziehung der Feuer- und Gefahrenpolizei. Ebenso wenig wie die Pflege des Zusammengehörigkeitsgefühls ist die Sportausübung bzw die körperliche Fitness ein Spezifikum freiwilliger Hilfsorganisationen.

6.3 Letztendlich bedarf die Ansicht der Vorinstanzen, auch der Blickwinkel der ‚Nachwuchspflege‘ führe im vorliegenden Einzelfall zu keinem anderen Ergebnis, keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Nach den Feststellungen wird mit dem vom Landesfeuerwehrverband veranstalteten Skitag und ähnlichen Veranstaltungen wie Zeltlagern, Fußballturnieren etc versucht, die Feuerwehr für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ‚attraktiv‘ zu machen und sie an die Feuerwehr zu binden, um dem natürlichen Abgang an Mitgliedern entgegenzuwirken. Es handelt sich somit um Freizeitaktivitäten, die den spezifischen Interessen und Neigungen von Kindern und Jugendlichen gerecht werden und nicht um Ausbildungs- oder Übungsmaßnahmen oder sonstige Tätigkeiten, die nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG einen ausreichend engen Zusammenhang mit der Verwirklichung des gemeinnützigen Tätigwerdens begründen können (aA Mathy, DRdA 2018/7, 53 [57 f], der die Ansicht vertritt, der Unfallversicherungsschutz für im Rahmen eines Skitags geleistete ehrenamtliche Betreuungstätigkeiten wäre unter dem Aspekt der Nachwuchspflege zwecks Erhalts des Mitgliederstands zu bejahen). Allein dass sich die von der Klägerin geleistete Betreuungs- bzw Aufsichtstätigkeit für die Belange der Freiwilligen Feuerwehr als nützlich erweisen kann, sofern sich die von ihr betreuten Jugendlichen in Zukunft (bei Erreichen des 15. Lebensjahrs) entschließen sollten, aktive Mitglieder zu werden, reicht nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs für den vom Gesetzgeber intendierten Versicherungsschutz […] nicht aus. […]

Überzeugende Gründe, die ein Abgehen von der Entscheidung 10 ObS 70/12k SSVNF 26/41 rechtfertigen würden, werden in der außerordentlichen Revision nicht aufgezeigt.“

ERLÄUTERUNG

Im vorliegenden Fall galt es für die vielfältigen Tätigkeiten ehrenamtlicher Mitglieder von Zivilschutzorganisationen, die Grenzen des Schutzes der gesetzlichen UV zu ziehen. Die diesbezüglichen Bestimmungen wurden erst im Jahr 1996 eingeführt. In dieser Fassung waren zunächst lediglich jene Tätigkeiten, die die Mitglieder der freiwilligen Hilfsorganisationen in Vollziehung gesetzlich übertragener Aufgaben ausüben, unfallversichert – also in einem vom Gesetzgeber gewollt eng begrenzten Ausmaß.

Nach zwei Jahren erfolgte eine Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes auf „Umgebungstätigkeiten“ mit dem Ziel, auch jene Tätigkeiten in Zukunft schützen zu wollen, die der finanziellen Absicherung der Organisationen dienen. Ein umfassender Unfallversicherungsschutz im Zusammenhang mit allen Tätigkeiten, die von ehrenamtlichen Mitgliedern ausgeführt werden, war zu keinem Zeitpunkt der erklärte Wille des Gesetzgebers.

In der vorliegenden E stellt der OGH daher nochmals klar, dass Unfallversicherungsschutz nur für jene Tätigkeiten besteht, die den konkreten Wirkungsbereich der jeweiligen Organisation betreffen.

Dieser besteht bei Feuerwehr, Bergrettung und dem Roten Kreuz usw aber nicht in der Pflege guter Kameradschaft, auch wenn gute Kameradschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl der Erfüllung der konkreten Aufgaben sicherlich dienlich ist. Der Zusam-176 menhang zwischen der Pflege guter Kameradschaft und dem eigentlichen Aufgabenbereich der Organisation ist jedoch zu lose. Selbstverständlich ist die Pflege guter Kameradschaft kein Spezifikum freiwilliger Hilfsorganisationen, sondern sollte in anderen Einrichtungen ebenfalls oberstes Gebot sein.